Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 3.666,17 EUR (darin enthalten 611,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Verfahren 2 Cg 90/99g des Landesgerichts Korneuburg wurden die nunmehrigen Kläger mit rechtskräftigem Berufungsurteil zur Zahlung von 702.149,08 EUR an die nunmehr beklagte Bank verpflichtet und ein Mehrbegehren abgewiesen.
Die Kläger beantragen die Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit der Begründung, sie hätten am 18. 12. 2009 im Zuge der Durchsicht eines umfangreichen Konvoluts ungeordneter Unterlagen, die sie von ihrem ehemaligen Masseverwalter erhalten hätten, eine Bestätigung der Beklagten aufgefunden, wonach sich die Verbindlichkeiten der Beklagten mit Stichtag 28. 4. 2004 auf 1.690.617,70 EUR belaufen hätten. Dem gegenüber habe die Beklagte zur Meistbotsverteilung am 27. 11. 2009 eine Forderung von 6.313.921,97 EUR angemeldet. Aus der Diskrepanz ergäben sich ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Bank über die wahre Höhe der Außenstände. Hätte die aufgetauchte Unterlage im Rahmen des Beweisverfahrens vorgelegt werden können, wäre das Gericht „höchstwahrscheinlich“ um eine neuerliche Einvernahme eines namentlich genannten Zeugen „nicht herum gekommen, dessen Ergebnis höchstwahrscheinlich zu einem für die Kläger deutlich günstigeren Verfahrensausgang geführt hätte“.
Das Erstgericht wies das Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahren mit Urteil ab. Die Prüfung der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit würde einen nicht abzuschätzenden Verfahrensaufwand erfordern, inhaltlich könne aber bereits gesagt werden, dass die vorgelegte Urkunde nicht geeignet sei, neue Tatsachen zu offenbaren, die zu einem für die Kläger günstigeren Verfahrensergebnis hätten führen können. Der Inhalt der Urkunde habe keinerlei Aussagekraft. Die Abweisung der Einvernahme des Zeugen sei ausschließlich aufgrund des verspätet gestellten Beweisantrags erfolgt, woran auch die nun vorgelegte Urkunden nichts geändert hätte.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass die Berufung das Urteil als nichtig auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Eine unzulässige Rechtsmittelklage sei in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen. Es bleibe offen, wie die direkt an die Kläger gerichtete nunmehr vorgelegte Urkunde ohne ihr Zutun in ein ungeordnetes Konvolut ihres früheren Masseverwalters gelangt sei und aus welchem Grund die Kläger, selbst in diesem Fall, nicht in der Lage gewesen sein sollten, dieses Konvolut rechtzeitig durchzusehen und die Urkunde zu benutzen. Beim Zeugen habe es sich um ein nach § 179 ZPO präkludiertes Beweismittel gehandelt. Ein solches könne aber nicht für eine Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO herangezogen werden. Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar, welche Aussage der Zeuge, der in einem anderen zwischen den Parteien geführten Verfahren 1999 ein Gutachten erstattet habe, das im Vorprozess auch vorgelegen sei, zu einer Bestätigung vom April 2004 hätte machen können. Die Klage sei daher insgesamt unschlüssig.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Kläger mit dem Antrag, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und bzw die Entscheidung im Sinne einer Stattgebung der Wiederaufnahme abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Kläger nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Kläger meinen, ihr mangelndes Verschulden ergebe sich aus ihrem Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass vom Masseverwalter zurückgestellte Unterlagen nicht genau durchgesehen und überprüft würden, weil davon ausgegangen werden könne, dass ein Masseverwalter die ihm auch von Dritten übermittelten Unterlagen genauestens prüfe und entsprechend verwende. Die Kläger hätten ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Urkunde ohne ihr Verschulden nicht rechtzeitig vorgelegt habe werden können.
Gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann ein Verfahren auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen instand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Ob den Kläger ein Verschulden an der nicht rechtzeitigen Kenntnis der neuen Beweismittel trifft, ist zwar grundsätzlich nicht im Vorprüfungsverfahren zu klären, ausnahmsweise aber dann möglich, wenn die Klage jedwede Behauptung vermissen lässt, dass die Verwendung der als Wiederaufnahmsgrund angeführten neuen Beweismittel im Vorverfahren ohne Verschulden unmöglich war (RIS-Justiz RS0044639; RS0044558).
Dazu sind aber konkrete Tatsachenbehauptungen aufzustellen. Die alleinige Berufung der Kläger auf mangelndes Verschulden, ohne dies näher darzulegen und ein Tatsachensubstrat zu behaupten, aufgrund dessen die Verschuldensfrage beurteilt werden kann, ist nicht ausreichend. Im Übrigen haben die Kläger nicht einmal dargelegt, wann sie die angeblich in den Händen des früheren Masseverwalters befindliche Urkunde samt dem Konvolut, in dem sie sich befand, vom Masseverwalter übergeben erhielten und warum sie dieses daher erst im Dezember 2009 durchsuchen konnten.
Es ist nicht Sinn und Zweck der Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO Fehler der Partei bei Führung des Vorprozesses zu korrigieren (RIS-Justiz RS0039991 [T6]). Ein Verschulden kann daher nur dann verneint werden, wenn trotz sorgsamer Prozessvorbereitung und Beweismaterialbeschaffung von der neuen Tatsache erst nach Schluss der Verhandlung des Vorprozesses Kenntnis erlangt werden kann. Eine Wiederaufnahme ist ausgeschlossen, wenn eine Partei die Beweismittel bei Anwendung ordnungsgemäßer Aufmerksamkeit hätte auffinden können. Es muss lediglich nicht an Orten gesucht werden, an denen sie nicht vermutet werden können (RIS-Justiz RS0044533 [T7]). Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage aber unschlüssig und führen zu ihrer Zurückweisung schon im Vorverfahren (10 Ob 106/08y; 6 Ob 15/03d mwN).
Darüber hinaus liegt der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund nur vor, wenn die Benutzung des neu aufgetauchten Beweismittels geeignet gewesen wäre, im früheren Verfahren eine günstigere Entscheidung herbeizuführen.
Auch inwiefern dies hier der Fall gewesen wäre, legen die Wiederaufnahmskläger nicht ausreichend dar. Alleine, dass dann ein Zeuge „höchstwahrscheinlich“ (neuerlich) einvernommen hätte werden müssen und deshalb das Ergebnis für die Wiederaufnahmskläger „höchstwahrscheinlich“ deutlich günstiger ausgefallen wäre, reicht nicht aus. Es wird nicht ausgeführt, über welche relevanten Umstände im Zusammenhang mit der aufgefundenen Urkunde dieser Zeuge hätte aussagen können, die einerseits ohne dieses neu aufgefundene Beweismittel nicht möglich gewesen wären und andererseits zu einer günstigeren Entscheidung geführt hätten.
Abgesehen davon ist dem Berufungsgericht auch darin zuzustimmen, dass unter anderem nach § 179 ZPO präkludierte Tatsachen und Beweismittel nicht für eine Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO herangezogen werden können (Jelinek in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 530 ZPO Rz 167; RIS-Justiz RS0044952).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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