OGH 5Ob228/10f

OGH5Ob228/10f29.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Einschreiterin Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz, 6020 Innsbruck, Heiliggeiststraße 7-9, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Dr. Anton Triendl und Mag. Robert Mader, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Ersichtlichmachung nach § 38 Abs 2 TFLG 1996 betreffend die Liegenschaft EZ 20 und andere Liegenschaften, alle GB *****, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. September 2010, AZ 54 R 107/10x, womit infolge Rekurses der Agrargemeinschaft M*****, vertreten durch deren Obmann Josef W*****, dieser vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 13. August 2010, TZ 8843/10 abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Vollzug und die Verständigung der bereits im Beschluss des Erstgerichts genannten Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung

Die Agrargemeinschaft M***** ist Eigentümerin der Liegenschaften EZ 20, 29, 31, 32, 601, 603, 605, 607, 609, 611, 616, 631, 634, 636, 639, 683, 90077, 90078, 223, 463, 73 und 234 alle GB *****.

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 8. 2. 2010, Zl AgrB-R285/354-2010, wurde I./ festgestellt, dass die im Regelungsplan mit überprüfter Haupturkunde der Agrargemeinschaft M***** vom 10. 10. 1945, Zl. I-103/61, unter Punkt A/II angeführten Liegenschaften EZ 20, 29, 31 und 32 (alle GB *****) „Gemeindegut“ sind, die übrigen, im selben bezeichneten Regelungsplan angeführten Liegenschaften EZ 16, 17, 19, 27, 28, 30, 33 und 78 (alle GB *****) hingegen kein Gemeindegut sind.

Mit Erkenntnis vom 8. 7. 2010, Zl LAS-1002/8-10, gab der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung einer dagegen von der Agrargemeinschaft M***** und anderen erhobenen Berufung teilweise Folge und stellte fest, dass auch die Liegenschaft EZ 20 GB ***** („M*****“) kein Gemeindegut darstellt.

Mit ihrer Grundbucheingabe vom 3. 8. 2010 begehrte die Einschreiterin gemäß § 84 TFLG 1996 aufgrund des bezeichneten Bescheides der Agrarbehörde samt Erkenntnis des Langesagrarsenats, von Amts wegen die „Richtigstellung“ des Grundbuchs dahin vorzunehmen, dass in sämtlichen, im bücherlichen Eigentum der Agrargemeinschaft M***** stehenden Liegenschaften im Eigentumsblatt die Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ anzuordnen sei.

Das Erstgericht bewilligte die begehrten Ersichtlichmachungen.

Dem hiegegen erhobenen Rekurs der Agrargemeinschaft M***** gab das Rekursgericht teilweise Folge und wies das Begehren der Einschreiterin auf Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ hinsichtlich der EZ 20, 601, 603, 605, 607, 609, 611, 616, 631, 634, 636, 639, 683, 90077, 90078, 223, 463, 73 und 234, alle GB *****, ab. Hinsichtlich Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ in den EZ 29, 30 und 32 alle GB ***** bestätigte es die erstinstanzliche Entscheidung.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus: Gegenstand der begehrten Grundbuchseintragung sei nicht die Einverleibung von Rechten oder Lasten, sondern eine nach § 20 GBG vorzunehmende Anmerkung, nämlich die der Bezeichnung des Liegenschaftseigentümers als „Gemeindegutsagrargemeinschaft“. Dadurch werde weder ein unbedingter Rechtserwerb oder Rechtsverlust bewirkt, sondern würden nur Tatsachen, die gewisse rechtliche Folgen nach sich ziehen könnten, festgestellt. Die begehrte Anmerkung habe jedenfalls in § 38 letzter Satz TFLG 1996 idF LGBl 2010/7 ihre Grundlage.

Durch den vorgelegten rechtskräftigen Bescheid der Agrarbehörde sei aber die Gemeindegutseigenschaft iSd § 33 Abs 2 lit c TFLG nur hinsichtlich der Liegenschaften EZ 29, 31 und 32 festgestellt worden. Hinsichtlich der weiteren im bücherlichen Eigentum der Agrargemeinschaft M***** stehenden Liegenschaften sei eine solche Feststellung nicht erfolgt. Selbst wenn solches aus der Bescheidbegründung entnehmbar wäre, fehle es an einer rechtskraftfähigen Feststellung.

Die Voraussetzungen für die Ersichtlichmachung der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ seien also nur hinsichtlich der EZ 29, 31 und 32 alle GB ***** gegeben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Bislang liege zur Frage der Ersichtlichmachung der durch das LGBl 2010/7 neu geschaffenen Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Amtes der Tiroler Landesregierung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen als zulässig. Er ist auch berechtigt.

Zunächst bestehen an der Rechtsmittellegitimation der Agrarbehörde, weil diese damit auf die Einhaltung von landesgesetzlichen Flurverfassungsbestimmungen abzielt, keine Bedenken (vgl RIS-Justiz RS0116135; RS0006663 [T2]; RS0006805).

Durch die zitierten Entscheidungen der Agrarbehörde wurde durch Verwendung des Begriffs „Gemeindegut“ hinsichtlich der Liegenschaften 29, 31 und 32 GB *****, alle im bücherlichen Eigentum der Agrargemeinschaft M***** stehend, ausgesprochen, dass diese die Eigenschaften des § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 idF LGBl 2010/7 aufweisen. Eine solche Entscheidung fällt gemäß § 73 lit a bis d TFLG 1996 in die Zuständigkeit der Agrarbehörde, weshalb Gerichte daran gebunden sind und die inhaltliche Richtigkeit solcher Entscheidungen nicht zu überprüfen haben (vgl RIS-Justiz RS0036880; RS0037078; RS0036981; RS0036975).

Den übrigen im Spruch der rechtskräftigen Bescheide der Agrarbehörde bezeichneten Liegenschaften kommt nach der rechtskräftigen Feststellung die Eigenschaft „Gemeindegut“ nicht zu. Nur hinsichtlich dieser Liegenschaften hat das Rekursgericht die begehrte Ersichtlichmachung (der Liegenschaftseigentümerin) als „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ abgelehnt.

Zu Recht macht die Einschreiterin in ihrem Revisionsrekurs geltend, dass § 38 Abs 2 TFLG 1996 idF LGBl 2010/7 die Grundlage dafür bildet, bei Agrargemeinschaften, die iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG auf Gemeindegut bestehen, im Eigentumsblatt die Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ ersichtlich zu machen und dies nicht auf jene Liegenschaften oder Liegenschaftsteile beschränkt ist, denen nach maßgeblicher rechtskräftiger Feststellung die Eigenschaft als Gemeindegut zukommt. Es handelt sich diesfalls bei der Liegenschaftseigentümerin eben nicht mehr (nur) um eine Agrargemeinschaft, sondern um eine Gemeindegutsagrargemeinschaft, was zufolge § 38 Abs 2 TFLG für alle agrargemeinschaftlichen Liegenschaften im Eigentum einer solchen Agrargemeinschaft ersichtlich zu machen ist.

Dass die hier beteiligte Agrargemeinschaft jedenfalls auch auf Gemeindegut besteht, steht nach den vorgelegten Bescheiden der Agrarbehörde bindend fest. Damit ist sie unter der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ als Hinweis auf ihre bestimmte Besonderheit als Eigentümerin (in den persönlichen Verhältnissen iSd § 20 lit a GBG) zu bezeichnen, was nicht einer Angabe über bestimmte Eigenschaften der Grundstücke des betreffenden Grundbuchskörpers gleichzuhalten ist. Aus einer solchen Ersichtlichmachung sind keinerlei Rückschlüsse auf die rechtliche Qualität einzelner Bestandteile des Grundbuchkörpers ableitbar, insbesondere wird damit keine Aussage darüber getroffen, ob einzelne Grundstücke des betreffenden Grundbuchkörpers Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 idF LGBl 2010/7 sind. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit der sich in § 33 Abs 5 TFLG 1996 durch LGBl 2010/7 getroffenen Regelung des „Substanzwerts“ und daraus befürchteter Eigentumseingriffe (Zur Problematik der Regelung des LGBl 2010/7: P. Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010/622, 375 ff).

Die begehrte und nunmehr bewilligte Ersichtlichmachung der Bezeichnung der Liegenschaftseigentümerin als „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ iSd § 38 Abs 2 TFLG 1996 entspricht qualitativ einer Anmerkung nach § 20 lit a GBG, die nur voraussetzt, dass die betreffende Agrargemeinschaft auch auf Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 besteht.

Weil diese Ersichtlichmachung nur „persönliche Verhältnisse“ der Eigentümerin betrifft, ist sie auch zulässig und durch § 38 Abs 2 TFLG 1996 gedeckt, wenn der betreffende Grundbuchskörper, dessen Eigentümerin sie ist, keine Grundstücke enthält, die Gemeindegut iSd § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 sind (vgl auch 5 Ob 226/10m und 5 Ob 229/10b).

Der Revisionsrekurs war daher berechtigt. Das hatte zur Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts zu führen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte