OGH 8ObA49/10d

OGH8ObA49/10d22.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Wolfgang Birbamer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** I*****, vertreten durch Weixelbaum Humer Trenkwalder und Partner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei P ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Wels, wegen 7.533,55 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 6.813,84 EUR brutto sA) gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 2010, GZ 12 Ra 6/10d-32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag, ein freier Dienstvertrag oder ein Werkvertrag vereinbart wurde, kann immer nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0111914). Ausschlaggebend sind die konkreten Rahmenbedingungen und der Inhalt der zu beurteilenden Tätigkeit, sodass allgemeingültige Aussagen des Obersten Gerichtshofs regelmäßig nicht möglich sind. Hat daher - wie hier - die zweite Instanz ihrer Entscheidung die vom Obersten Gerichtshof judizierten Abgrenzungskriterien zugrunde gelegt, verwirklicht die Anwendung dieser Kriterien auf den jeweiligen Einzelfall - von unvertretbaren Fehlbeurteilungen abgesehen - keine iSd § 502 Abs 1 ZPO qualifizierte Rechtsfrage.

2.1 Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sowohl vom freien Dienstvertrag als auch vom Werkvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (8 ObA 86/03k mwN; RIS-Justiz RS0021332). Die Auffassung der Vorinstanzen, dass hier von einem echten Arbeitsvertrag auszugehen sei, weil die Merkmale einer persönlichen Abhängigkeit der Klägerin überwiegen, ist keineswegs unvertretbar:

2.2 Die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis spricht nur dann gegen die persönliche Abhängigkeit und Arbeitnehmereigenschaft, wenn das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt wird oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt (RIS-Justiz RS0118332). Die Klägerin nützte ihr Vertretungsrecht während der rund vierjährigen Dauer niemals aus und hatte dazu schon aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Beklagten bei objektiver Betrachtung auch keine realistische Möglichkeit. Die Behauptung in der Revision, dass Vertretungsfälle regelmäßig und häufig vorgekommen seien, hat in den Sachverhaltsfeststellungen keine Grundlage.

2.3 Die Klägerin hatte sich an die einmal getroffene Diensteinteilung grundsätzlich zu halten. Sie hatte zu Beginn jeder Schicht in ihrer Filiale zu erscheinen und sich im EDV-System anzumelden. Unentschuldigtes Fernbleiben wurde durch Entgeltabzüge sanktioniert. Die Beklagte übte auf die Zusteller zur Annahme unbeliebter Dienste Druck aus, indem sie mit der Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter drohte. Die Klägerin erhielt einen wesentlichen Teil ihrer Entlohnung nach der Zahl der Zustellungen, sodass die Möglichkeit, sich nach der Rückkehr von einer Zustellung nicht gleich zurückzumelden und derart eine „Pause“ zu machen, für sie einen Entgeltverlust zur Folge hatte. Kamen Zusteller schon vor dem Ende ihrer Dienstzeit unentschuldigt nicht in die Filiale zurück, so hatten sie mit einer Ermahnung und der Auflösung ihres Vertrags zu rechnen. Schließlich erfolgte während der Stoßzeiten ungeachtet des Dienstplans die Koordination der Zustellfahrten durch den Filialleiter, an dessen Anordnungen sich die Zusteller zu halten hatten. Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin in den Betrieb der Beklagten fast vollständig organisatorisch eingegliedert wurde, sodass von einem echten Arbeitsvertrag auszugehen ist, nicht korrekturbedürftig. Von der in der Revision wiederholt zitierten Entscheidung 8 ObA 45/03f weicht der hier zu beurteilende Sachverhalt in mehrfacher Hinsicht ab.

2.4 Mit ihren Ausführungen, dass der „Werkvertrag“ und der „Werbevertrag“ getrennt zu betrachten seien und der „Werbevertrag“ überdies mit einer anderen juristischen Person abgeschlossen wurde, übersieht die Revisionswerberin den vom Berufungsgericht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aufgezeigten Zusammenhang zwischen beiden Verträgen. Deren wesentlicher Inhalt ist entgegen den Ausführungen in der Revision festgestellt. Der sich daraus ergebenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es der Klägerin überhaupt erst durch den Abschluss des Werbevertrags möglich war, ihr ursprünglich vereinbartes (und durch den „Werkvertrag“, der einen davor vereinbarten „freien Dienstvertrag“ ersetzte, gekürztes) Entgelt wieder zu erreichen, hält die Revisionswerberin nichts Stichhältiges entgegen.

3. Weitere relevante Einwände gegen die Entscheidung der Vorinstanzen wurden nicht erhoben, sodass dieser Beschluss keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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