OGH 13Os143/10v

OGH13Os143/10v11.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schilhan als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jürgen H***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 28 HR 182/09b des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Jürgen H***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 11. November 2010, AZ 7 Bs 529/10t (ON 234 des Ermittlungsakts), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Feldkirch führt zu AZ 8 St 170/09h ein Ermittlungsverfahren gegen Jürgen H***** und andere Beschuldigte wegen des Verdachts der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 und Abs 2 zweiter Satz StGB (vgl zur Frage möglicher Konkurrenz von Betrug und Missbrauch der Amtsgewalt: Kirchbacher in WK2 § 146 Rz 178; 15 Os 95/08x) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB, wobei teils die Anwendbarkeit der - nicht die Subsumtion betreffenden (RIS-Justiz RS0111831; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 293) - Strafrahmenvorschrift des § 313 StGB angenommen wird.

In diesem Verfahren verhängte das Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom 20. November 2009 (ON 20) über Jürgen H***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und 3 lit a und b StPO und setzte diese - vom Beschuldigten jeweils unbekämpft - mehrfach aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fort (vgl etwa den Beschluss vom 25. August 2010, ON 214).

Am 14. Oktober 2010 beschloss das Landesgericht Feldkirch über Antrag dieses Beschuldigten, die Untersuchungshaft als Hausarrest gemäß § 173a StPO fortzusetzen (ON 226). Der dagegen gerichteten Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem angefochtenen Beschluss Folge und ordnete an, „die über Jürgen H***** verhängte Untersuchungshaft“ werde „aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO als Untersuchungshaft fortgesetzt“.

Dabei erachtete das Beschwerdegericht Jürgen H***** (zusammengefasst) dringend verdächtig, er habe jeweils gemeinsam mit zumindest einem weiteren Beschuldigten

(1) seit dem Jahr 2000 „unter Ausnützung seiner Amtsstellung“ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig jeweils schwere Betrügereien mit gefälschten letztwilligen Verfügungen und Verträgen vorgenommen oder vorzunehmen versucht;

(2) als zuständiger Mitarbeiter der befassten Gerichtsabteilung mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht und dadurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, indem er (unter anderem) in zahlreichen Fällen zuvor von ihm in das Urkundenverzeichnis des Bezirksgerichts D***** eingebrachte falsche letztwillige Verfügungen in Verlassenschaftsverfahren bearbeitete und dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorlegte;

(3) „unter Ausnützung seiner Amtsstellung“ in zwei Fällen in Bezug auf letztwillige Verfügungen Urkundenunterdrückungen begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen - ausschließlich mit dem Ziel einer Fortsetzung der Untersuchungshaft als Hausarrest erhobene - Grundrechtsbeschwerde ist unzulässig.

Beim Hausarrest handelt es sich nämlich nach § 173a Abs 1 StPO - was auch die Gesetzesmaterialien zum Ausdruck bringen (ErläutRV 772 BlgNR 24. GP 1 und 9) - nur um eine Modalität der Untersuchungshaft, nicht etwa um ein diese substituierendes gelinderes Mittel (§ 173 Abs 5 StPO, dessen Nichtanwendbarkeit gemäß § 173a Abs 1 StPO gerade Voraussetzung einer Anordnung des Hausarrests ist). Entscheidungen, die auf Fortsetzung der Untersuchungshaft in dieser Form gerichtete Anträge abweisen, greifen demnach nicht in das Grundrecht auf persönliche Freiheit ein, sondern betreffen bloß die Umstände des Freiheitsentzugs. Diese sind aber nicht Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde (13 Os 145/10p) und generell vom Schutzbereich des Art 5 MRK nicht umfasst (vgl Grabenwarter EMRK4 § 21 Rz 2; Renzikowski IntKomm EMRK Art 5 Rz 47 und 66 ff).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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