OGH 5Ob211/10f

OGH5Ob211/10f16.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin G*****, *****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Andrea Seidl, Rechtsanwältin in Groß Enzersdorf, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems als Rekursgericht vom 16. Juli 2010, AZ 1 R 129/10s, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Krems vom 6. Mai 2010, TZ 2138/10, als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 5. 3. 2010 hat das Erstgericht zu TZ 1032/10 das Begehren der Antragstellerin, diverse Zu- und Abschreibungen aufgrund eines Teilungsplans und anderer Urkunden vom Gutsbestand der EZ 529 GB ***** und Zuschreibung zur EZ 4 ua Grundbuchshandlungen vorzunehmen, abgewiesen. Gemäß § 10 Abs 1 NÖ BauO 1996 seien Änderungen von Grundstücksgrenzen im Bauland vor ihrer Durchführung im Grundbuch der Baubehörde anzuzeigen. Gemäß § 10 Abs 5 leg cit habe die Baubehörde innerhalb von acht Wochen nach Einlangen der Anzeige auf den Planausfertigungen zu bestätigen, dass die angezeigte Änderung nicht untersagt werde. Im Fall einer gleichzeitigen Bauplatzerklärung, Grundabtretung oder Grenzverlegung sei anstelle der Bestätigung nach Rechtskraft des diesbezüglichen Bescheids die Bezugsklausel anzubringen. Gemäß § 10 Abs 6 NÖ BauO 1996 bedürfe die Änderung von Grundstücksgrenzen im Bauland auf der vorgelegten Planausfertigung der Bestätigung der Nichtuntersagung oder der Bezugsklausel. Mit dem vorliegenden Grundbuchsgesuch sei auch die Durchführung einer Straßengrundabtretung beantragt worden. Es hätte sohin im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen die Bezugsklausel auf der Planausfertigung von der Baubehörde angebracht werden müssen.

Der vorgelegte Bescheid der Marktgemeinde P***** reiche im Weiteren als Eintragungsgrundlage für die beantragte Straßengrundabtretung nicht aus. Es wäre vielmehr eine vom Liegenschaftseigentümer und von der genannten Marktgemeinde unterfertigte Straßengrundabtretungserklärung vorzulegen gewesen.

Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Am 26. 3. 2010 wurde zu TZ 2138/10 neuerlich ein Antrag hinsichtlich derselben Ab- und Zuschreibungen und anderer Grundbuchshandlungen eingebracht. Der neuerlich vorgelegte Teilungsplan weist nunmehr die geforderte Bezugsklausel auf, womit einer der Abweisungsgründe beseitigt ist.

Mit Beschluss vom 6. 5. 2010 wies das Erstgericht den Antrag neuerlich ab, weil der zweite Abweisungsgrund nicht beseitigt sei. Der Grundeigentümer habe unter Bezugnahme auf die öffentlich-rechtliche Grundabtretungsverpflichtung als Rechtsgrund entweder in einer besonderen Urkunde oder im Grundbuchsgesuch in einverleibungsfähiger Form eine Aufsandungserklärung abzugeben. Der vorgelegte Bescheid der Baubehörde für die Eigentumsübertragung reiche nicht aus.

Darüber hinaus wurden andere formelle Abweisungsgründe herangezogen.

Aus Anlass eines dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurses hob das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft der abweisenden Vorentscheidung als nichtig auf und wies den Grundbuchsantrag zurück. Es liege res iudicata vor, weil ein inhaltsgleiches Gesuch bereits zu TZ 1032/10 rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs vorbehaltlich des § 63 AußStrG nicht zulässig sei.

Über fristgerecht erhobene Zulassungsvorstellung verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs änderte das Rekursgericht seinen Ausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG doch zulässig sei, weil es sich beim zweiten Gesuch insofern nicht um ein identes Gesuch handle, als nunmehr die Bezugsklausel bzw Bestätigung der Nichtuntersagung iSv § 10 Abs 6 NÖ BauO 1996 im neuen Gesuch enthalten sei.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus dem im Abänderungsausspruch enthaltenen Grund zulässig und im Sinn des Antrags auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung auch berechtigt.

Abweisende Entscheidungen in Grundbuchsachen über Einverleibungsbegehren werden nicht nur einer formellen, sondern auch einem materiellen, Gericht und Beteiligte bindenden Rechtskraft teilhaft (RIS-Justiz RS0041483). Ein rechtskräftig abgewiesener Grundbuchsantrag kann nur bei geänderter Sachlage neuerlich eingebracht werden (RIS-Justiz RS0041511), wozu auch Art und Umfang der vorgelegten Urkunden gehören (5 Ob 117/10g mwN).

Mehrere Abweisungsgründe, die der gänzlichen oder teilweisen Bewilligung eines Gesuchs entgegenstehen, sind zufolge der Vorschrift des § 95 Abs 3 GBG im Beschluss anzugeben. Diese Vorschrift dient dazu, einen Antragsteller in die Lage zu versetzen, bei einem künftigen Grundbuchsgesuch alle der Bewilligung entgegenstehenden Fehler zu vermeiden (RIS-Justiz RS0060649). Liegen mehrere Abweisungsgründe vor, von denen der Einschreiter nur einen als berechtigt erachtet, andere aber nicht, bleibt ihm nur der Weg, ein neues Grundbuchsgesuch unter Vermeidung des von ihm als berechtigt erkannten Abweisungsgrundes, jedoch ansonsten unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunkts einzubringen (5 Ob 91/93; 5 Ob 117/10g = RIS-Justiz RS0126081; Kodek in Kodek Grundbuchsrecht Rz 21 zu § 126 GBG). Die Anfechtung eines abweisenden Beschlusses bloß mit dem Rechtsschutzziel, einen von mehreren angezogenen Abweisungsgründen zu beseitigen, ist nicht unzulässig (5 Ob 91/93).

Unter der Voraussetzung der Änderung der maßgeblichen Sachlage, wozu, wie schon ausgeführt, auch Art und Umfang der vorgelegten Urkunden gehören, steht es dem Einschreiter daher frei, ein neues Grundbuchsgesuch anzubringen. Im vorliegenden Fall liegt insofern keine Identität des Antrags, sondern eine Änderung der maßgeblichen Sachlage vor, als nunmehr der Teilungsplan die gemäß § 10 Abs 6 NÖ BauO 1996 geforderte „Bezugsklausel“ aufweist.

Nach diesen Grundsätzen, zuletzt dargelegt in 5 Ob 117/10g, verstößt eine Entscheidung über das neue Grundbuchsgesuch sohin - entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts - nicht gegen den Grundsatz der Rechtskraft (res iudicata).

Das erzwingt die Aufhebung des rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses, weil es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, nach einer solchen Aufhebung selbst eine Sachentscheidung über den Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss zu fällen (RIS-Justiz RS0007037; RS0065254). Das wurde auch schon für das Grundbuchsverfahren ausgesprochen (5 Ob 7/77 = SZ 50/55; 5 Ob 407/97g; 5 Ob 277/98s = SZ 71/185) und gilt auch nach Inkrafttreten des neuen AußStrG (5 Ob 224/06m).

Der Revisionsrekurs erweist sich damit als berechtigt.

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