OGH 3Ob160/10s

OGH3Ob160/10s13.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alexandra R*****, vertreten durch Mag. Max Verdino und Mag. Gernot Funder, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei Katharina P*****, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 21. Mai 2010, GZ 2 R 95/10k-16, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 19. Jänner 2010, GZ 1 C 24/09v-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte und ihr Ehemann schlossen anlässlich der einvernehmlichen Scheidung ihrer Ehe am 27. Jänner 1999 einen Scheidungsvergleich mit ua folgendem Inhalt:

„... 2. Der Zweitantragsteller (Ehemann) verpflichtet sich, der Erstantragstellerin (Beklagte) … beginnend ab 1. 5. 1999 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 7.500 S am jeweils ersten eines jeden Monats im vorhinein bei 5-tägigem Respiro bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Die Geltung der Umstandsklausel wird ausgeschlossen. Der ab 1. 5. 1999 zu bezahlende Unterhaltsbetrag wird wertgesichert … Die vereinbarte Unterhaltsverpflichtung von 7.500 S soll steigen oder fallen je nachdem, wie das Pensionsnettoeinkommen des Zweitantragstellers ohne Sonderzahlungen in Hinkunft steigt oder fällt …

6. Der Zweitantragsteller … bestellt hiemit die ihm eigentümlichen Liegenschaften … zur Sicherheit für die in Punkt 2 dieses Vergleichs vereinbarte wertgesicherte Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 7.500 S monatlich ab 1. 5. 1999 und erteilt hiemit seine ausdrückliche Einwilligung, dass aufgrund dieses Vergleichs ohne sein weiteres Wissen und Zutun … ob den Liegenschaften … die Reallast des Unterhalts gemäß Punkt 2 dieses Vergleichs einverleibt wird.“

Mit Notariatsakt vom 16. September 1999 übertrug der geschiedene Gatte der Beklagten der Klägerin die im Scheidungsvergleich genannten und mittlerweile mit der Reallast des Unterhalts zugunsten der Beklagten bücherlich belasteten Liegenschaften. Die Klägerin übernahm die Reallast des Unterhalts zu allen Bedingungen, wie Sie im Scheidungsvergleich festgelegt wurden, in ihr Zahlungs- bzw Leistungsversprechen mit der Verpflichtung, den Übergeber diesbezüglich schad- und klaglos zu halten.

Seit dem Tod ihres Exgatten am 28. Mai 2005 bezieht die Beklagte eine Witwenpension in Höhe von monatlich 492 EUR 14 mal jährlich.

Die Beklagte führt aufgrund des Scheidungsvergleichs in Verbindung mit dem Notariatsakt zur Hereinbringung von rückständigem Unterhalt in Höhe von 1.090,09 EUR sowie zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts ab 1. September 2009 Exekution.

Die Oppositionsklägerin begehrt das Urteil, der Anspruch der Beklagten aus dem Scheidungsvergleich sei seit 1. Juli 2005 erloschen. Sie habe die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Exgatten der Beklagten in jenem Ausmaß übernommen, wie sie diesem gegenüber bestanden habe. Die Witwenpension sei einzurechnen. Jedenfalls müsse sich die Beklagte eine Herabsetzung des Unterhalts auf einen Betrag gefallen lassen, der bei Berücksichtigung der Verhältnisse der Erben und der Ertragsfähigkeit des Nachlasses der Billigkeit entspreche (§ 78 Abs 2 EheG).

Die Beklagte wendet ein, dass ein vertraglicher Scheidungsunterhalt vereinbart worden sei. Eine derartige Unterhaltsforderung gehe auf den Rechtsfolger bzw Erben des Unterhaltspflichtigen über. § 78 Abs 2 EheG sei nicht anzuwenden. Die Klägerin sei daher weiterhin verpflichtet, den vertraglich vereinbarten Unterhalt zu bezahlen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Auffassung, dass sich die Verpflichtung der Klägerin zur Unterhaltsleistung nur auf den im Notariatsakt erfolgten Schuldbeitritt gründe. Der neue Schuldner trete neben den alten, beide hafteten dem Gläubiger gegenüber im Zweifelsfall solidarisch. Dieser Schuldbeitritt führe aber nicht zu einer Verselbständigung des Anspruchs der Beklagten. Die Klägerin hafte somit aus demselben Rechtsgrund wie der eigentliche Unterhaltsschuldner. Gemäß § 78 Abs 1 EheG gehe die Unterhaltspflicht mit dem Tod des Verpflichteten auf die Erben als Nachlassverbindlichkeit über. Gemäß § 796 ABGB, der analog auf den geschiedenen Ehegatten anzuwenden sei, habe sich die Beklagte all das in ihren Unterhaltsanspruch einrechnen zu lassen, was diese nach dem Erblasser durch öffentlich rechtliche Leistungen erhalte.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge.

Es führte ergänzend aus, dass unbeschadet der Tatsache, dass die Klägerin die Unterhaltspflicht vertraglich übernommen habe und diese Pflicht als Reallast verdinglicht worden sei, § 796 ABGB analog Anwendung zu finden habe. Die von der Beklagten seit dem Tod ihres Gatten bezogene Witwenpension sei damit einzurechnen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision im Hinblick darauf zu, dass Rechtsprechung fehle, ob § 796 ABGB auf eine rechtsgeschäftliche übernommene Unterhaltsverpflichtung analog anzuwenden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:

1. Die Vorinstanzen haben die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Exgatten der Beklagten übereinstimmend und von der Revision auch nicht bezweifelt als Schuldbeitritt (kumulative Schuldübernahme) qualifiziert, der eine Solidarverpflichtung des Beitretenden mit dem Altschuldner begründet und keiner Zustimmung des Gläubigers bedarf (1 Ob 138/97v = SZ 70/145; RIS-Justiz RS0108117; Neumayr in KBB2 §§ 1405 bis 1406 Rz 3).

2. Durch den Schuldbeitritt wird der Rechtsgrund der übernommenen Schuld nicht berührt. Er ist für den Übernehmer der gleiche wie für den Urschuldner (RIS-Justiz RS0033481; Neumayr aaO § 1407 Rz 1).

3. Zwar ist beim Schuldbeitritt die Schuld des Beitretenden in ihrem Fortbestand als Solidarschuld eine selbständige Schuld (RIS-Justiz RS0032137), weshalb ab dem Zeitpunkt des Schuldbeitritts getrennte rechtliche Schicksale der Mitschuldnerverpflichtungen möglich sind (Mader/W. Faber in Schwimann, ABGB3 VI § 1407 Rz 2 mit Beispielen).

Im Anlassfall ergibt jedoch eine Auslegung des Notariatsakts zweifelsfrei, dass die Klägerin der Unterhaltsverpflichtung nur soweit beitrat, als sie jeweils bestand („Übernahme von monatlichen Schuldzahlungen von derzeit 7.500 S ...“; „Die Übernehmerin übernimmt daher diese gesamte Forderung zu allen Bedingungen, wie diese in diesem Scheidungsvergleich festgelegt wurden“).

4. Daraus folgt aber, dass die Haftung der Oppositionsklägerin aufgrund des Notariatsakts nie weiter reichen kann als die Haftung des Unterhaltsschuldners selbst.

5. Gemäß § 78 Abs 1 EheG geht die Unterhaltspflicht auf die Erben als Nachlassverbindlichkeit mit dem Tode des Verpflichteten über. § 796 Satz 2 ABGB ordnet an, dass in den Unterhaltsanspruch des Ehegatten gegen den Erben alles einzurechnen ist, was der Ehegatte nach dem Erblasser durch öffentlich-rechtliche Leistung erhält. Diese Anordnung ist auf den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegen die Erben des Unterhaltsverpflichteten analog anzuwenden (1 Ob 592/82 = SZ 55/54 = RIS-Justiz RS0012991; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 78 EheG Rz 3).

6. An der durch die analoge Anwendung von § 796 ABGB gebotenen Einrechnung der Witwenpension ändert sich entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung auch nichts dadurch, dass im Scheidungsvergleich die Umstandsklausel ausgeschlossen wurde. Damit wurde lediglich festgelegt, dass weder eine Änderung der Verhältnisse beim Unterhaltspflichtigen noch eine solche bei der Unterhaltsberechtigten die im Scheidungsvergleich festgesetzte (wertgesicherte) Unterhaltsverpflichtung berührt. Eine Auslegung des Scheidungsvergleichs dahin, dass (zu Lasten der Erben) die Einrechnungsregel des § 796 zweiter Satz ABGB abbedungen werden sollte, ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem erkennbaren Zweck der Vereinbarung in Einklang zu bringen, der (bloß) darin besteht, der Beklagten den nachhaltigen Bezug des dort festgelegten Unterhaltsbeitrags zu garantieren.

7. Da die der Beklagten nach dem Tod ihres Exgatten gewährte Witwenpension höher ist als der im Scheidungsvergleich festgesetzte Unterhaltsbeitrag, ist die Unterhaltspflicht der Erben des Ehegatten erloschen. Das gilt aus den dargelegten Gründen auch für die Schuld der Klägerin, die der Unterhaltsverpflichtung nur in dem Ausmaß beigetreten ist, wie sie jeweils besteht. Einer (nochmaligen) analogen Anwendung des § 796 ABGB bedarf es somit nicht, weshalb sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht stellt.

8. Die einverleibte Reallast des Unterhalts - die nicht Gegenstand des Oppositionsverfahrens ist - lässt für den Standpunkt der Beklagten nichts gewinnen. Die von der Klägerin als nunmehrige grundbücherliche Eigentümerin übernommene Reallast dient - den Intentionen des Scheidungsvergleichs entsprechend - der Sicherstellung der Unterhaltspflicht des Exgatten der Beklagten. Sie begründet jedoch keine von der Revision offenbar gewünschte abstrakte Haftung der Klägerin für eine monatliche Zahlung des vereinbarten Unterhaltsbetrags unabhängig davon, ob die Unterhaltsverpflichtung noch besteht oder - wie im Anlassfall durch die gebotene Einrechnung - erloschen ist.

9. Die von der Klägerin am 16. September 2010 eingebrachte Revisionsbeantwortung ist verspätet: Die Revision wurde den Klagevertretern am 8. Juli 2010 zugestellt. Gemäß § 224 Abs 1 Z 5 ZPO sind die in den §§ 35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten Ferialsachen. Auf den Anfang und den Ablauf von Fristen in Ferialsachen hat die verhandlungsfreie Zeit gemäß § 225 Abs 2 ZPO keinen Einfluss.

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