OGH 13Os46/10d

OGH13Os46/10d30.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Saadati als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Bertram E***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 23. September 2009, GZ 38 Hv 44/09v-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bertram E***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt (1/a und b sowie 2).

Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Salzburg-Stadt vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht Abgaben verkürzt, nämlich

(1) als Geschäftsführer der P***** F***** C***** GmbH durch Abgabe einer unrichtigen Körperschaftsteuererklärung und durch „Nichtabgabe einer Kapitalertragssteueranmeldung“ jeweils „für das Jahr 2004“

a) Körperschaftsteuer von 76.949,57 Euro und

b) Kapitalertragsteuer von 58.580,57 Euro;

(2) „in seiner eigenen Steuerangelegenheit“ (gemeint: als Einzelunternehmer) durch Nichtabgabe einer Einkommensteuererklärung „(Nichterfassen von Provisionen)“ für das Jahr 2003 Einkommensteuer von 191.870,50 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Z 5 sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO zum Nachteil des Angeklagten anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Ein Schuldspruch wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG bedarf einer Feststellungsgrundlage dazu, welche abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Angeklagte (durch welchen Vorgang) verletzt und welches Ausmaß an Abgabenverkürzung (bezogen auf jede einzelne Abgabenart und - hier infolge unterlassener Abführung - den jeweiligen Veranlagungszeitraum) er dadurch bewirkt hat (13 Os 29/09b). Soweit die rechtsrichtige strafrechtliche Subsumtion die Beantwortung abgabenrechtlicher Fragen voraussetzt, ist auch die hiefür notwendige Sachverhaltsgrundlage festzustellen.

Zum Schuldspruch 1/a sind die erforderlichen Konstatierungen den Entscheidungsgründen in deren Gesamtheit - zum Ausmaß der bewirkten Abgabenverkürzung durch (zulässigen [vgl 12 Os 137/07z]) Verweis auf den insofern eindeutigen Urteilstenor (US 11 iVm US 2) - mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) zu entnehmen (US 4, 5 f und 10).

In Ansehung des Schuldspruchs 1/b fehlt es hingegen an unmissverständlichen Feststellungen, durch welchen Vorgang dem Beschwerdeführer ein steuerpflichtiger Betrag zugeflossen sei (vgl US 4) und inwieweit er eine daraus resultierende abgabenrechtliche Verpflichtung hinsichtlich der als Selbstberechnungsabgabe zu entrichtenden Kapitalertragsteuer (vgl §§ 95 f EStG) verletzt habe.

Zum Schuldspruch 2 wiederum ist den Entscheidungsgründen nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Beschwerdeführer die ihn als Einzelunternehmer treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen durch Abgabe einer unrichtigen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 oder Nichtabgabe einer Einkommensteuererklärung verletzt haben soll (US 5). Überdies hätte es mit Blick auf seine - von ihm in Zweifel gezogene - unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich Festlegungen (und nicht bloß beweiswürdigender Erwägungen) zu seinem Wohnsitz (im Tatzeitraum) bedurft. Die Entscheidungsgründe lassen zudem offen, ob der Beschwerdeführer (als Einzelunternehmer) Gewinn nach § 4 Abs 1 oder Abs 3 EStG ermittelte, was zur Beantwortung der (steuerrechtlichen) Vorfrage, ob und wann es zu einem die Einkommensteuerpflicht auslösenden Zufluss (§ 19 Abs 1 EStG) an Provisionen gekommen ist, erforderlich gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang wird im zweiten Rechtsgang - im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs und der Annahme einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG - überdies zu klären sein, ob der Angeklagte über den nach den erkennbaren Urteilsannahmen (US 5 und 8) zu seinen Gunsten auf einem Verrechnungskonto verbuchten Betrag tatsächlich verfügen konnte und ob es sich dabei um im Voraus gezahlte Provisionen oder um ein Darlehen handelte (vgl VwGH 19. 5. 1992, 92/14/0011 und 26. 9. 2000, 99/13/0193; Doralt, EStG13 § 19 Rz 8, 14, 20 und 30; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, EStG § 19 Rz 4 f, 8, 13 und 16).

Die aufgezeigten Konstatierungsdefizite machen eine Kassation der davon betroffenen Schuldsprüche (1/b und 2) unumgänglich.

Da die Schuldsprüche 1/a und 1/b auf der für beide (entgegen der Verantwortung des Beschwerdeführers) getroffenen Annahme basieren, bei dem inkriminierten Betrag von 226.322,26 Euro handle es sich nicht um von diesem, sondern um von der P***** F***** C***** GmbH gegenüber der U***** AG erworbene - vom Erstgericht letztlich als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierte - (Provisions-)Ansprüche (US 6 f und 10), war der Schuldspruch 1/a in Ausübung der dem Obersten Gerichtshof durch § 289 StPO eingeräumten Befugnis zu beheben, um sicher zu gehen, dass der Angeklagte durch Kassation bloß formal trennbarer Aussprüche des angefochtenen Urteils keinen inhaltlichen Nachteil erleidet (RIS-Justiz RS0120632; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 3).

Im Hinblick auf die gänzliche Aufhebung des Schuldspruchs bereits in nichtöffentlicher Beratung (teils gemäß §§ 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, teils gemäß § 289 StPO) erübrigt sich ein Eingehen auf die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde.

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