Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
Die Richterin des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** M***** ist im Verfahren über die Berufung des Klägers zu AZ 6 R 121/10x des Oberlandesgerichts Linz befangen.
Text
Begründung
Die Richterin des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** M***** zeigte an, dass der Kläger durch Rechtsanwalt Mag. Klaus Steinwender vertreten werde, dessen Gattin seit etwa drei Jahren als Notariatskandidatin Arbeitnehmerin ihres Ehegatten sei. Es habe sich mittlerweile eine ständige Zusammenarbeit zwischen dem Klagevertreter und ihrem Ehegatten ergeben, was auch zu privaten Kontakten der Ehepaare M***** und Steinwender geführt habe. Sie könne bei der gegebenen Sachlage „eine mögliche Parteilichkeit nicht völlig ausschließen“. Bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters sei im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen und jeder Anschein der Voreingenommenheit und möglichen Parteilichkeit zu vermeiden.
Das Oberlandesgericht Linz sprach mit dem angefochtenen Beschluss aus, dass Dr. E***** M***** nicht befangen sei. Private Beziehungen zum Vertreter einer Prozesspartei könnten zwar Befangenheitsgründe darstellen, jedoch nur, wenn sie eine besondere Intensität erreichten. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es gehöre zum Gerichtsalltag, dass einzelne Richter mit einzelnen Rechtsanwälten gesellschaftliche, private und auch freundschaftliche Kontakte pflegten, was noch keine Befangenheit nach sich ziehen könne, es sei denn, der Parteienvertreter trete in eigener Sache auf, seine Zeugenaussage sei zu würdigen oder der private Kontakt sei besonders intensiv. Die Richterin habe sich überdies nicht ausdrücklich für befangen erklärt. Es sei auch nicht der Anschein einer Befangenheit gegeben.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Richterin des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** M***** mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.
Der Richter, der seine Befangenheit im Sinn des § 22 GOG (§ 182 Geo) anzeigt, hat ein Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung der Entscheidung, wenn seinem Antrag nicht stattgegeben wird (ZBl 1929/216). Für seine Rekurslegitimation spricht auch der Umstand, dass eine Partei mangels eines eigenen Ablehnungsantrags kein Rechtsmittel gegen eine solche Entscheidung erheben kann (RIS-Justiz RS0045958).
Die Richterin des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** M***** ist nach der Geschäftsverteilung die Berichterstatterin im Berufungsverfahren über die Berufung des Klägers.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es für die Annahme des Vorliegens von Befangenheit genügt, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein entstehen könnte, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten (RIS-Justiz RS0046052, RS0045975, RS0046024 ua; zur privaten persönlichen Beziehung zum Vertreter einer Partei RIS-Justiz RS0045935). Im Übrigen ist die Befangenheit im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn der Richter diese selbst anzeigt (RIS-Justiz RS0046053). Lediglich eine überhaupt nicht begründete Befangenheitserklärung eines Richters ist untauglich (RIS-Justiz RS0046053 [T2]). Bei der Entscheidung über die Anträge der Selbstablehnung handelt es sich nicht um die Wahrnehmung von Parteieninteressen, sondern um das öffentliche Interesse an der Objektivität der Rechtsprechung. Niemand vermag zu dieser Voraussetzung mehr beizutragen als der Richter selbst (RIS-Justiz RS0045943). Der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, soll jedenfalls vermieden werden (RIS-Justiz RS0046052).
Die Richterin des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** M***** hat ihre Befangenheit angezeigt und auch erklärt, dass sie eine mögliche Parteilichkeit bei ihrer Entscheidung nicht völlig ausschließen könne. Damit hat sie - im Gegensatz zur Auffassung des angefochtenen Beschlusses - sehr wohl ausdrücklich ihre Befangenheit dargelegt. Sie hat angezeigt, dass sie nicht völlig unbefangen entscheiden könne. Schon im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Gatten der Richterin und dem Klagevertreter kann bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein entstehen, Dr. M***** lasse sich bei ihrer Entscheidung auch von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten. Genau dies soll im oben dargelegten Sinn verhindert werden. Der Befangenheitsanzeige ist daher Rechnung zu tragen.
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