OGH 2Ob96/10x

OGH2Ob96/10x15.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** L*****, vertreten durch die Holme & Weidinger Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. G***** GmbH, *****, und 2. U***** AG, *****, beide vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen 97.186,09 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 22. April 2010, GZ 5 Nc 13/10s-2, womit der Ablehnungsantrag der beklagten Parteien gegen die Richter des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** W*****, Dr. W***** P***** und Mag. G***** H***** abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadenersatz samt Feststellung aus einem Verkehrsunfall. Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich Schmerzengeld, Pflegebedarf und Feststellung mittels Teilurteils statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In seiner Begründung führte es unter anderem aus, dass es den Standpunkt des Klägers in der Berufungsbeantwortung teile, wonach der von der Beklagtenseite in der Berufung erhobene Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers in Anbetracht der erlittenen schweren Verletzungen einen unangebrachten Zynismus darstelle.

Die Beklagten stellten ihrer außerordentlichen Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts einen Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Berufungssenats voran. Dadurch, dass den Beklagten durch das Berufungsgericht der Vorwurf von unangebrachtem Zynismus bei gleichzeitiger Begründungsverweigerung und auch unrichtige Vorwürfe bei Behandlung der Verfahrensrüge gemacht worden seien, trete deutlich der Verdacht zutage, dass das Berufungsgericht sich nicht nur von objektiven Kriterien leiten habe lassen, sondern für den Kläger Partei ergriffen habe. Das Berufungsgericht erwecke aufgrund seines Vorwurfs des „unangebrachten Zynismus“ den Eindruck, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beklagten von vornherein verweigert werde.

Die abgelehnten Richter gaben die Äußerung ab, dass sie sich nicht als befangen erachteten. Die Parteien seien ihnen persönlich nicht bekannt. Das Berufungsgericht habe das angefochtene Teilurteil anhand der Berufungsgründe der Beklagten überprüft und für zutreffend erachtet, weshalb grundsätzlich von § 500a ZPO Gebrauch gemacht und versucht worden sei, den 19 Seiten umfassenden Berufungsausführungen nur kurz zu entgegnen. Bei der Behandlung der Rechtsrüge habe der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe nicht nur unaufmerksam, sondern sogar „grob fahrlässig“ gehandelt, in Anbetracht des äußerst unglücklichen Unfallhergangs in Verbindung mit den für den Kläger tragischen Verletzungsfolgen das Unverständnis des Berufungsgerichts ausgelöst. Dieses sei mit den Worten „unangebrachter Zynismus“ ausgedrückt worden, wobei die Wortwahl nicht vom Berufungsgericht „erfunden“, sondern vom Berufungsgegner, der von einem „völlig unangebrachten und nicht entschuldbaren Zynismus“ gesprochen habe, übernommen und nur in abgeschwächter Form wiedergegeben worden sei, um dem Gebot der Sachlichkeit zu entsprechen. Der Vorwurf der gleichzeitigen Begründungsverweigerung sei durch die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts widerlegt. Die Erledigung der Verfahrensrüge und der Sachverhaltsrüge der Beklagten sei tatsächlich auch mit Versäumnissen des Beklagtenvertreters begründet worden, weshalb sich dieser möglicherweise gekränkt fühle. Dabei sei jedoch weder ein unsachlicher noch ein beleidigender Ton gewählt worden.

Der Ablehnungssenat des Berufungsgerichts wies den Ablehnungsantrag ab. Den Ablehnungswerbern sei es nicht gelungen, Befangenheitsgründe darzulegen. Das gesamte Vorbringen ziele lediglich darauf ab, darzulegen, dass die Verfahrensrüge inhaltlich falsch erledigt worden sei. Auch liege keine Begründungsverweigerung vor, weil sich das Berufungsurteil ausführlich mit dem Mitverschuldenseinwand der Beklagten befasse. Wenn sich das Berufungsgericht der vom Klagevertreter in der Berufungsbeantwortung gebrauchten Diktion in abgeschwächter Form anschließe, liege darin kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot, wenn man bedenke, dass der zu beurteilende Verkehrsunfall beim Kläger unter anderem eine Unterschenkelamputation rechts und eine Vorfußamputation links zur Folge gehabt habe und sich der Mitverschuldenseinwand im Wesentlichen darauf reduzieren lasse, dass dem Kläger vorgeworfen werde, sich an einer Stelle befunden zu haben, wo er vom unaufmerksamen Lkw-Lenker der Erstbeklagten habe niedergefahren werden können.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, (dem Ablehnungsantrag Folge zu geben und) das Urteil des Berufungsgerichts wegen Nichtigkeit aufzuheben, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen neuerlich geltend, dass die Begründung des Berufungssenats im Zusammenhang mit der Abweisung der Einholung eines (weiteren) Pflegegutachtens nicht stichhältig sei und so den Eindruck erwecke, dass man sich mit der Position der Beklagten gar nicht ernsthaft auseinandersetzen wolle. Was die Wortwahl hinsichtlich des „unangebrachten Zynismus“ anlangt, so bestätige der Umstand, dass diese aus dem Schriftsatz des Klägers übernommen worden sei, den Eindruck der Parteilichkeit. Es bleibe dabei, dass die Argumente der Beklagten zum behaupteten Mitverschulden des Klägers nicht behandelt worden seien.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

1. Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS-Justiz RS0046024 [T2, T3]). Weder die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter sind im Allgemeinen ein Ablehnungsgrund (RIS-Justiz RS0111290 [T3]; RS0045916). Auch Verfahrensmängel oder eine unrichtige Beweiswürdigung rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung nicht, es sei denn, die Verstöße wären so schwerwiegend, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen (RIS-Justiz RS0045916; RS0046090). Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Die Unrichtigkeit seiner Entscheidung ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen und keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens (RIS-Justiz RS0111290 [T4]).

2. Im vorliegenden Fall ergeben sich bei objektiver Prüfung keine Umstände, die den Anschein einer Voreingenommenheit der Mitglieder des abgelehnten Berufungssenats erwecken könnten. Bei der Behandlung der Verfahrensrüge (Nichteinholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für das Pflegewesen) hat das Berufungsgericht mit sachlicher Begründung dargelegt, warum es der Auffassung ist, dass erstgerichtliche Verfahrensfehler nicht erkennbar seien. Darin liegt jedenfalls kein schwerwiegender Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze, der die Objektivität der Senatsmitglieder mit Grund bezweifeln ließe.

3. Somit bleibt einzig die Frage, ob aus der Formulierung „unangebrachter Zynismus“ im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge der Anschein der Voreingenommenheit der Mitglieder des abgelehnten Berufungssenats abgeleitet werden könnte. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass derartige (Ab-)Qualifizierungen von Rechtsmeinungen der Parteien in Gerichtsurteilen grundsätzlich zu vermeiden sind (vgl § 53 Abs 3 Geo). Im vorliegenden Fall jedoch wurde von den abgelehnten Richtern zu Recht ins Treffen geführt, dass man sich der Diktion des Klägers (in abgeschwächter Form) in dessen Berufungsbeantwortung bediente, weil von einer in der Berufung behaupteten groben Fahrlässigkeit des Klägers als Opfer des tragischen Verkehrsunfalls nicht die Rede sein könne. Mag daher die übernommene Formulierung entbehrlich gewesen sein, so ergibt sich daraus jedenfalls noch nicht, dass sich der Berufungssenat von vornherein mit der Position der Beklagten gar nicht ernsthaft auseinandersetzen wollte.

Der angefochtene Beschluss erweist sich sohin als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Stichworte