OGH 5Ob27/10x

OGH5Ob27/10x15.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Eleonore S*****, geboren am *****, vertreten durch Gradischnig & Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach, wegen Einverleibung der Löschung grundbücherlicher Rechte ob der Liegenschaft EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 23. Dezember 2009, AZ 3 R 296/09b, mit dem infolge Rekurses der Buchberechtigten Edith R*****, geboren am *****, der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirchen vom 25. November 2009, TZ 2828/09, abgeändert wurde, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Antragstellerin ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****. Ob dieser Liegenschaft sind im Lastenblatt folgende Rechte jeweils für Edith R***** einverleibt:

C-LNR 3a TZ 236/1990 Wohnungsrecht gemäß P 6 b Erbteilungsübereinkommen 1989-08-22;

C-LNR 4a TZ 236/1990 Reallast Unterhalt gemäß P 6 b Erbteilungsübereinkommen 1989-08-22;

C-LNR 5a TZ 236/1990 Dienstbarkeit Holzbezug gemäß P 6 c Erbteilungsübereinkommen 1989-08-22.

Die Antragstellerin begehrte aufgrund der beglaubigt unterfertigten Löschungserklärung der Edith R***** vom 24. 8. 2009 die Einverleibung der Löschung der sub C-LNR 3a, 4a und 5a verbücherten Rechte. Die Löschungserklärung hat folgenden wesentlichen Inhalt:

„...

Meine Tochter Eleonore S*****, geb. ***** hat mich zwischenzeitlich in ihr Haus aufgenommen, sodass ich wohnversorgt bin.

Ich, Edith R*****, geb. 7. 5. 1931, erteile hiermit meine ausdrückliche Einwilligung zur Einverleibung der Löschungen meiner Dienstbarkeitsrechte in EZ ***** GB ***** und zwar zu C-LNr. 3 a des Wohnungsrechtes, zu C-LNr. 4 a der Reallast des Unterhaltes und zu C-LNr. 5 a der Dienstbarkeit des Holzbezuges; dies jedoch ohne Kosten für mich.

...“.

Das Erstgericht bewilligt das Grundbuchsgesuch antragsgemäß.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Buchberechtigten Folge und wies das Grundbuchsgesuch ab. Der Verzicht (Entsagung; § 1444 ABGB) führe zum Erlöschen verzichtbarer Rechte. Er erfolge nach überwiegender Rechtsprechung und einem Teil der Lehre durch Vertrag und stelle daher ein Rechtsgeschäft dar (vgl 5 Ob 26/08x). Eine einseitige Willenserklärung des Berechtigten reiche für die Wirksamkeit des Verzichts nicht aus, vielmehr bedürfe es hiezu der Zustimmung des Schuldners (5 Ob 77/93). Mit der Löschungserklärung sollte ein Verzicht der Servituts- und Reallastberechtigten auf ihre bücherlichen Rechte bewirkt werden. Die Antragstellerin habe jedoch keine für das Zustandekommen des Vertrags erforderliche Annahmeerklärung vorgelegt, sodass noch nicht von einem wirksamen Verzicht ausgegangen werden könne. Die Löschungserklärung allein reiche daher zur Begründung des Eintragungsbegehrens nicht aus, was zur Abweisung desselben führen müsse. Auf die weiteren Rekurseinwände, wonach die mündliche Vereinbarung dahin gelautet habe, dass die Buchberechtigte das Haus rückübereignet erhalten solle und die Antragstellerin im Gegenzug die restlichen Grundstücke lastenfrei verkaufen dürfe, die Buchberechtigte also arglistig zum Verzicht auf ihre Rechte verleitet worden und dadurch in ihrer Existenz bedroht sei, sei schon aufgrund des im Rechtsmittelverfahren geltenden Neuerungsverbots nicht weiter einzugehen. Überdies könnte eine Anfechtung wegen Arglist nur mittels Klage im streitigen Rechtsweg und nicht im Grundbuchsverfahren erfolgen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle - soweit ersichtlich - höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob in dem Umstand, dass der durch eine einseitige Löschungserklärung begünstigte Liegenschaftseigentümer selbst die Löschung bücherlicher Rechte beantragt, eine Annahmeerklärung zu sehen und der Verzicht dadurch wirksam geworden sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung ihres Grundbuchsgesuchs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klärung der Rechtsgrundlage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der streng formale Charakter des Grundbuchsrechts verbietet es dem Grundbuchsgericht, eine bücherliche Eintragung aufgrund von Schlussfolgerungen aus vorgelegten Urkunden zu bewilligen (RIS-Justiz RS0060878 [T4]). Das Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt ein derartiger ist, dass er nicht nur in formaler Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch bezüglich der materiell-rechtlichen Frage irgendwelche Zweifel nicht aufkommen lässt (RIS-Justiz RS0060878 [T5]; vgl auch RIS-Justiz RS0060573). Dies trifft auf die vorliegende Löschungserklärung aber nicht zu:

2. Die von der Buchberechtigten beglaubigt unterfertigte Löschungserklärung enthält zwar die ausdrückliche Einwilligung zur Einverleibung der Löschung ihrer näher bezeichneten Rechte. Allerdings ist diese Erklärung auch mit einem Hinweis verbunden. Die Buchberechtigte wähnt sich nämlich „zwischenzeitlich“ durch die Aufnahme in das Haus ihrer Tochter, der Liegenschaftseigentümerin, wohnversorgt. Dieser in der Löschungserklärung konkret und unmissverständlich hergestellte Zusammenhang zwischen einer - in ihrer rechtlichen Absicherung völlig unklaren - Wohnversorgung der Buchberechtigten einerseits und der Einwilligung in die Löschung ihrer - nur teilweise - dieser Wohnversorgung dienenden bücherlichen Rechte andererseits begründet erhebliche Bedenken am Vorliegen der Bedingungslosigkeit (fragliche konditionale Abhängigkeit von der tatsächlich gewährten Wohnversorgung) und am Umfang der von der Buchberechtigten tatsächlich beabsichtigten Rechtsaufgabe (gesamtes oder teilweises Wohnrecht, Unterhalt und Holzbezug).

3. Bei der dargestellten Sachlage stellt die eine augenscheinliche Verknüpfung mit der zeitweiligen Wohnversorgung der Buchberechtigten herstellende Löschungserklärung eine zu begründeten Zweifeln Anlass gebenden Urkunde dar (vgl RIS-Justiz RS0060573), die deshalb keine taugliche Eintragungsgrundlage darstellt; schon dies muss zur Abweisung des Einverleibungsgesuchs führen.

4. Die Kosten ihres (erfolglosen) Rechtsmittels hat die Antragstellerin selbst zu tragen (zum generellen Ausschluss eines Kostenersatzanspruchs im Grundbuchsverfahren s RIS-Justiz RS0035961).

Stichworte