Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte - gestützt auf eine fehlerhafte Anlageberatung - 11.295,34 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2009 Zug um Zug gegen Übertragung jener Wertpapiere, die er am 5. 9. 2006 über Beratung und Vermittlung der Beklagten um insgesamt 10.000 EUR (inklusive Spesen) erworben hätte. Begehrt werde die Rückabwicklung der vermittelten Geschäfte im Sinn einer Naturalrestitution, also die Rückzahlung des seinerzeitigen Ankaufspreises von 10.000 EUR zuzüglich des entgangenen Zinsgewinns einer alternativen Veranlagung als positiver Schaden in Höhe von 4 % jährlich (was sowohl gesetzlicher Verzinsung entspreche als auch dem Zinssatz, zu dem der Kläger das Geld bankmäßig hätte anlegen können, als auch der marktüblichen Verzinsung festverzinslicher Wertpapiere). Das ergebe bei einem Kapital von 10.000 EUR und dem Verzinsungszeitraum vom 5. 9. 2006 bis 30. 11. 2009 einen hypothetischen Zinsgewinn von 1.295,34 EUR. Die gesamte Rückforderungssumme betrage daher 11.295,34 EUR und stelle den verfahrensgegenständlichen Streitwert dar.
Das Erstgericht wies die Klage aufgrund des 10.000 EUR übersteigenden Streitwerts wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Die Forderung über 1.295,34 EUR sA stelle keine Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN dar, sondern einen eigenen Schadenersatzanspruch. Die Naturalrestitution des § 1323 ABGB sei nur dann als vollständig anzusehen, wenn der Anleger im Gegenzug zur Rückgabe der tatsächlich getätigten Anlage die von ihm bei richtiger Beratung gewünschte Anlage (hier: festverzinsliche Wertpapiere mit marktüblicher Verzinsung) bekäme. Die Naturalrestitution verlange im konkreten Fall daher keinen Geldanspruch, sondern einen bloßen Anspruch auf Tausch der angekauften gegen die bei ordnungsgemäßer Aufklärung gewünschten Wertpapiere. In diesem Fall wäre jedoch für eine auf Zinsen lautende „Nebenforderung“ kein Raum. Der Kläger kombiniere im Ergebnis daher einen Anspruch auf Naturalrestitution hinsichtlich der tatsächlichen angekauften Aktien mit einem Geldersatzanspruch, nämlich dem durch die unterbliebene „richtige“ Veranlagung versäumten Vermögensvorteil.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Zinsen stellen eine nach § 54 Abs 2 JN bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigende Nebenforderung dar, wenn sie gleichzeitig mit der Hauptforderung geltend gemacht werden. Dabei kommt es auf den Rechtsgrund der geltend gemachten Zinsenforderung nicht an (RIS-Justiz RS0046466; Gitschthaler in Fasching/Konecny² § 54 JN Rz 37), wie der Kläger - an sich zutreffend - auch betont. Ebenso ist für die Qualifikation der Zinsen als Nebenforderung nicht relevant, ob der Kläger sie in den Kapitalbetrag integriert hat oder nicht. Maßgebend ist vielmehr die rechtliche Qualifikation durch das Gericht (Gitschthaler aaO Rz 27). Zinsen werden dann als Nebenforderung geltend gemacht, wenn und insoweit sie von einer gleichzeitig eingeklagten Hauptforderung abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0042813; Gitschthaler aaO Rz 37).
Nach Meinung des Klägers soll für dieses Ableiten aus der Hauptforderung der Konnex zum schadenstiftenden Ereignis (der Kauf nicht gewollter Wertpapiere aufgrund einer fehlerhaften Anlageberatung) genügen. Dieser Schaden werde nämlich als Hauptforderung im Wege der Naturalrestitution geltend gemacht. Die Forderung von Zinsen aus der verzögerten Anschaffung des richtigen (gewollten) Anlageprodukts bzw eines entgangenen Zinsgewinns als positiver Schaden sei daher stets von dieser Hauptforderung abhängig.
Damit übersieht der Kläger allerdings die Abgrenzung des behaupteten rechtswidrigen Verhaltens (fehlerhafte Anlageberatung) davon, welcher Schaden geltend gemacht wird. Ein geschädigter Anleger ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Beratung stünde (3 Ob 289/05d mwN; 10 Ob 11/07a). Hätte er - wie hier behauptet - bei richtiger Beratung die Wertpapiere nicht gekauft, hat er im Rahmen der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, und zwar Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Papiere (10 Ob 11/07a; P. Bydlinski, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159). Damit ist aber der Anspruch des Geschädigten auf Herstellung des hypothetischen Zustands nicht zur Gänze abgeschlossen. Es muss berücksichtigt werden, welche Zinsen der Anleger aus jener Anlage erzielt hätte, die er bei hypothetisch korrekter Beratung erworben hätte (P. Bydlinski aaO). Dass entgangene Zinsgewinne einen positiven Schaden darstellen (RIS-Justiz RS0080062; RS0030447), behauptet der Kläger ja selbst. Seine Forderung, im Wege der Naturalrestitution den hypothetischen Zustand bei rechtmäßigem Verhalten wiederherzustellen, macht deutlich, dass der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises und jener auf Ersatz des fiktiven Zinsertrags Teil der geforderten Naturalrestitution sind und daher nicht im Verhältnis übergeordnete Hauptforderung (10.000 EUR) zu davon abhängiger Nebenforderung (1.295,34 EUR) stehen. Die Vorinstanzen sind damit zutreffend von einem Streitwert von insgesamt 11.295,34 EUR ausgegangen, was nach § 52 JN die sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts zur Folge hat.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.
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