OGH 6Ob74/10s

OGH6Ob74/10s19.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Lessiak Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. November 2009, GZ 39 R 300/09w-20, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. Juni 2009, GZ 30 C 284/07z-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.327,68 EUR (darin enthalten 221,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei war zum Zeitpunkt der Klagseinbringung Miteigentümerin von 5.404/106.999-Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****. Mit ihren Miteigentumsanteilen war Wohnungseigentum an zwei Geschäftslokalen des auf der Liegenschaft errichteten Einkaufszentrums „S*****“ untrennbar verbunden. Die klagende Partei ist alleinige Bestandnehmerin der beiden Geschäftslokale.

Das Erstgericht stellte fest, dass es sich beim betreffenden Bestandvertrag um ein Mietverhältnis handle, das in den Teilanwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 3 MRG) falle.

Gemäß § 228 ZPO könne auch eine rechtliche Qualifikation festgestellt werden. Das Klagebegehren sei auch inhaltlich berechtigt. Zur Frage der rechtlichen Qualifikation von Bestandverträgen in Einkaufszentren gäbe es mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Primäres Kriterium für die Beurteilung eines Vertrags als Miet- oder Pachtvertrag sei der Parteiwille bei Vertragsabschluss. Die Rechtsvorgängerinnen der klagenden Partei hätten einen dem MRG teilweise unterliegenden Mietvertrag abschließen wollen. Alle Beteiligten seien vom Vorliegen eines Mietvertrags ausgegangen.

Zwar habe schon bei Abschluss des ursprünglichen Bestandvertrags ein Einkaufszentrum bestanden, dessen generelle Infrastruktur wie Parkplätze, WC-Anlagen etc auch den Rechtsvorgängerinnen der klagenden Partei zugutegekommen seien. Umgekehrt spreche aber die Tatsache, dass den Rechtsvorgängerinnen der klagenden Partei nur ein leeres Geschäftslokal ohne jede Ausstattung übergeben worden sei, welches sie auf eigene Kosten und nach eigenen Vorstellungen ausstatteten, dass von den Rechtsvorgängerinnen der klagenden Partei etc gänzlich anderes als das zuvor im Bestandobjekt betriebene Unternehmen geführt werde, weder Personal- noch Kundenkarteien noch sonstige Betriebsmittel übernommen worden seien und dass schon die Rechtsvorgängerinnen der klagenden Partei abgesehen von der Einhaltung der Betriebszeiten in der Führung ihres Unternehmens frei gewesen seien und auch eigene Werbemaßnahmen setzten, für das Vorliegen eines Mietvertrags.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Unternehmenspacht liege vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags sei. Neben den Räumen müsse dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens gehöre, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung, wobei jedoch nicht alle Merkmale gegeben sein müssten. Trotz Fehlens einzelner Merkmale liege Pacht vor, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt würden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbestehe.

Im vorliegenden Fall sei der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei kein lebendes Unternehmen zur Verfügung gestellt worden, sondern seien ihr leere Räumlichkeiten ohne jegliche Geschäftsausstattung überlassen worden. Außerdem habe der Geschäftsführer der Bestandnehmerin darauf Wert gelegt, dass das Mietrechtsgesetz auf den Vertrag (teil-)anwendbar sein sollte. Unter diesen Umständen komme der vereinbarten Betriebspflicht, der Zurverfügungstellung von Gemeinschaftsanlagen, wie WC und Parkplatz, sowie der Vereinbarung eines umsatzabhängigen Zinses nach Ablauf von 10 Jahren keine entscheidende Bedeutung zu.

Die Revision sei zulässig, weil die Frage ob die von der „S*****“ vergebenen, sämtliche als Mietverträge bezeichneten Bestandverträge als Mietverträge zu qualifizieren seien, zahlreiche andere Bestandnehmer der „S*****“ berühren könnte und somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die ordentliche Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS-Justiz RS0043056) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

1. Dass zum selben Themenkomplex mehrere ähnliche Verfahren bereits anhängig sind oder in Betracht kommen, begründet für sich genommen noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042742 [T15]). Wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente mit Hilfe vorhandener Leitlinien durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung gelöst werden kann, liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor.

2.1. Voraussetzung für die Begründetheit eines Feststellungsanspruchs ist das Vorliegen eines Feststellungsinteresses. Ob ein derartiges rechtliches Interesse iSd § 228 ZPO vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0039177 [T1]).

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Zulässigkeit der Feststellungsklage, ob ein Bestandverhältnis ein Miet- oder Pachtverhältnis ist und ob ein Bestandverhältnis den Bestimmungen des MRG oder den Kündigungsschutzbestimmungen unterliegt, bejaht (vgl Fasching in Fasching/Konecny 2 § 228 ZPO Rz 46 und 50 mwN). Der Rechtsprechung liegt die Ansicht zugrunde, dass für den Fall, dass zwischen den Parteien strittig ist, ob die zwischen ihnen begründeten rechtliche Beziehungen den Charakter eines bestimmten Rechtsverhältnisses haben, die Gesamtheit ihrer Rechtsbeziehungen strittig sei (1 Ob 378/56 RZ 1956, 157).

2.3. Zum gleichen Ergebnis gelangt Fasching (aaO § 228 Rz 45). Die gegenteiligen Auffassungen von Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht7 Rz 549; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 § 228 Rz 5 und Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO3 § 228 Rz 5) sind nicht näher begründet. Im Übrigen weisen sowohl Rechberger/Klicka aaO als auch Rechberger/Simotta aaO auf die herrschende gegenteilige Rechtsprechung hin. Rechberger/Simotta führen zudem ausdrücklich aus, dass eine Klage auf Feststellung, dass ein bestimmtes Bestandverhältnis dem MRG unterliegt sowie ob ein Bestandverhältnis ein Miet- oder Pachtverhältnis ist, zulässig sei (Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht7 Rz 549 FN 49).

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Abgrenzung von Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht stets auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (wobl 2009, 251).

3.2. Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung nicht von den vom Obersten Gerichtshof entwickelten Leitlinien (vgl Vonkilch, Bestandverträge in Einkaufszentren: Aktuelle Entwicklungen in Judikatur und Rechtspolitik, wobl 2010, 57 mwN) abgewichen, wenn es trotz der vereinbarten Betriebspflicht, der Zurverfügungstellung von Gemeinschaftsanlagen, wie WC und Parkplatz, sowie der Vereinbarung eines umsatzabhängigen Mietzinses nach Ablauf von 10 Jahren im vorliegenden Rechtsverhältnis ein Mietverhältnis erblickte.

3.3. Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde der Klägerin nämlich nur die Infrastruktur der „S*****“, eine Rolltreppe und ein Aufzug zur Verfügung gestellt. Es wurde kein lebendes Unternehmen übergeben. Die Klägerin hatte gemäß § 6 des Mietvertrags nach Beendigung des Bestandverhältnisses ein besenreines Bestandlokal zurückzugeben. In der Entscheidung 6 Ob 141/09t hat der erkennende Senat in einem vergleichbaren Fall gleichfalls das Vorliegen eines Bestandverhältnisses angenommen. In diesem Fall war ein im „Edelrohbauzustand“ befindliches Geschäftslokal in einem Einkaufszentrum in Bestand gegeben worden, das der Bestandnehmer unter beträchtlichem Aufwand und mit erheblichen Investitionen fertig stellte und bei Beendigung des Bestandverhältnisses wieder in den Ausgangszustand zurückzuversetzen hatte. In diesem Fall waren auch keine sonstige Betriebsmittel, wie Einrichtung, Warenlager, Kundenstock oder Gewerbeberechtigung, zur Verfügung gestellt worden. Nach dieser Entscheidung ändert an der Qualifikation als Mietvertrag auch nichts, wenn den Bestandnehmer gewisse Gemeinschaftsverpflichtungen, wie die Wahrung des Gesamtinteresses des Einkaufszentrums, treffen und der Bestandgeber die Infrastruktur des Einkaufszentrums und Kundenparkplätze zur Verfügung stellt. Die Vereinbarung eines umsatzorientierten Bestandzinses kann für sich allein jedenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung haben (vgl 1 Ob 25/08w).

3.4. Zusammenfassend haben die Vorinstanzen somit den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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