OGH 14Os157/09h (14Os58/10a)

OGH14Os157/09h (14Os58/10a)26.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gottfried H***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB, AZ 19 HR 81/09z des Landesgerichts für Strafsachen Graz (vormals AZ 317 HR 369/09f des Landesgerichts für Strafsachen Wien), über die Grundrechtsbeschwerde des Gottfried H***** gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2009, GZ 317 HR 369/09f-36, und des Oberlandesgerichts Wien vom 5. Oktober 2009, AZ 19 Bs 356/09f (ON 53), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Im Ermittlungsverfahren AZ 317 HR 369/09f des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurde die am 19. Juli 2009 wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach §§ 173 Abs 2 Z 1, 2, 3 lit a und b StPO über Gottfried H***** verhängte Untersuchungshaft (ON 30 in ON 46) mit Beschluss vom 3. August 2009 aus den selben Haftgründen fortgesetzt (ON 36 in ON 46).

Nach „Abtretung des Ermittlungsverfahrens“ („§ 26 StPO“) hob der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz die Untersuchungshaft über Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 19. August 2009 unter Anwendung gelinderer Mittel des § 173 Abs 5 Z 1 und 2 StPO auf (ON 49). Nach Leistung entsprechender Gelöbnisse wurde Gottfried H***** am selben Tag enthaftet (ON 48 S 19, ON 51).

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2009, AZ 19 Bs 356/09f (ON 53), gab das Oberlandesgericht Wien, das die Haftvoraussetzungen des § 173 StPO bejahte, jedoch zufolge der zwischenzeitigen Enthaftung die Haft nicht fortsetzte, der gegen den Fortsetzungsbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2009 erhobenen Beschwerde des Gottfried H***** (ON 42 in ON 46) keine Folge (ON 53 in ON 46).

Rechtliche Beurteilung

Die inhaltlich gegen beide Beschlüsse gerichtete, am 22. Oktober 2009 eingebrachte Grundrechtsbeschwerde ist unzulässig.

Soweit sie sich gegen den erstgerichtlichen Beschluss richtet, scheitert sie an fehlender Erschöpfung des Instanzenzugs (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS-Justiz RS0061078).

Nach § 1 Abs 1 GRBG steht dem Betroffenen wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nach Erschöpfung des Instanzenzugs die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu. Das Grundrecht auf persönliche Freiheit ist nach § 2 Abs 1 GRBG insbesondere dann verletzt, wenn die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer einer Haft unverhältnismäßig geworden ist, die Voraussetzungen einer Haft, wie Tatverdacht oder Haftgründe, unrichtig beurteilt wurden oder sonst bei einer Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet wurde.

Ein nach §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 GRBG fassbarer Beschwerdegegenstand setzt somit eine strafgerichtlich angeordnete Freiheitsentziehung voraus (13 Os 88/08b ua), während aus Anlass einer die Freiheitsbeschränkung beendenden Entscheidung oder Verfügung Grundrechtsbeschwerde mit der Behauptung erhoben werden kann, dass die Entscheidung oder Verfügung zu spät getroffen worden sei (§ 2 Abs 2 GRBG).

Grundsätzlich misst der Oberste Gerichtshof mit Blick auf den - die Einhaltung aller die Haft betreffenden, vom Gericht zu beachtenden Vorschriften umfassenden - Prozessgegenstand von Haftbeschwerden (14 Os 43/07s, EvBl 2007/101, 552; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 176 Rz 11) auch einer nach Wegfall der Untersuchungshaft prüfenden Haftentscheidung des Oberlandesgerichts Grundrechtsbedeutung bei, sofern sich der Beschwerdeführer - wenn auch nicht mehr in Untersuchungshaft, so doch weiterhin - in Haft befindet (etwa in Strafhaft zufolge § 173 Abs 4 StPO oder nach rechtskräftiger Verurteilung; 13 Os 122/08b), in welchem Fall § 2 Abs 2 GRBG nicht zur Anwendung gelangen könnte.

Weil Haft zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht mehr vorlag, erweist sich die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde unter dem Aspekt der §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 GRBG als unzulässig (anders noch zur Rechtslage vor dem Strafprozessreformgesetz BGBl I 2004/19 und ohne Begründung: 15 Os 63/97).

Dass die die Freiheitsbeschränkung beendende Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Graz zu spät getroffen wurde (§ 2 Abs 2 GRBG), behauptet die Grundrechtsbeschwerde nicht. Im Übrigen wäre sie insoweit verspätet, weil der Beschluss auf Aufhebung der Untersuchungshaft vom 19. August 2009 am selben Tag zugestellt wurde (§ 4 Abs 1 GRBG).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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