Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.813,34 EUR (darin enthalten 468,89 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist die Ehegattin von O***** S*****, dem früheren Alleinaktionär der P***** AG (in der Folge Aktiengesellschaft) mit Sitz in der Schweiz. Wesentliches Aktivum dieser Gesellschaft war ein Appartementhaus in Lugano-Paradiso; ihre Unternehmenstätigkeit bestand in der Verwaltung dieser Liegenschaft. Die Erstbeklagte beschäftigt sich mit der Verwaltung und Vermarktung von Immobilien. Der Zweit- und die Drittbeklagte sind Gesellschafter, die Drittbeklagte, die gleichzeitig die Cousine der Klägerin ist, fungiert überdies als Geschäftsführerin der Erstbeklagten. Im Juni 1997 übernahm die Erstbeklagte von der Aktiengesellschaft die Verwaltung der genannten Liegenschaft in Lugano-Paradiso. Einem Kauf der Liegenschaft durch die Beklagten standen die Schweizerischen Grunderwerbsvorschriften entgegen.
Mit Vertrag vom 30. 6. 1997 erwarben der Zweit-und die Drittbeklagte von O***** S***** sämtliche Inhaberaktien der Aktiengesellschaft. Gleichzeitig übernahmen sie diverse Verpflichtungen, unter anderem auch den bestehenden Hypothekarvorschuss (Darlehen) von O***** S***** gegenüber der Aktiengesellschaft, dessen Betrag auf 500.000 CHF herabgesetzt wurde. Gleichzeitig wurde die Darlehensforderung im Weg der schenkungsweisen Abtretung - ohne eine entsprechende Forderung der Klägerin gegenüber ihrem Ehegatten bzw ohne sonstigen Rechtsgrund - auf die Klägerin überschrieben. Die Rückzahlung des Darlehens hatte in fünf Raten zu je 100.000 CHF plus Zinsen zu erfolgen. Zur Sicherung dieser Raten wurden fünf Eigenwechsel der Erstbeklagten zu je 100.000 CHF plus Zinsen ausgestellt. Die entsprechende Vereinbarung lautete: „Aussteller (Erstbeklagte) an Order (Zweitbeklagter), indossiert an (Drittbeklagte), indossiert an (Aktiengesellschaft), indossiert an (Klägerin).“ Aufgrund dieser Vereinbarung stellte die Erstbeklagte am 30. 6. 1997 (unter anderem) die drei der Klage zugrunde liegenden Wechsel aus, die gleichzeitig indossiert wurden. Der Vertrag vom 30. 6. 1997 sowie die Wechsel samt den Indossamenten wurden am 5. 7. 1997 in Anwesenheit der Klägerin in Linz unterfertigt. Die Klägerin nahm die Originale der ausgestellten und unterschriebenen Wechsel mit; gleichzeitig erhielt sie einen unterfertigten Vertragstext. In der Folge stellte sich die Nichtigkeit des Vertrags vom 30. 6. 1997 gemäß Art 26 Abs 2 des Schweizerischen Bewilligungsgesetzes heraus. Der Ehegatte der Klägerin lehnte eine Rückabwicklung ab. Die Klägerin gab die Wechsel nicht heraus.
Im Februar 1998 wurde über das Vermögen der Aktiengesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, in dessen Verlauf die Liegenschaft in Lugano-Paradiso verkauft wurde. Der Zweit- und die Drittbeklagte mussten die Aktien dem Konkursamt ausfolgen. Die hier Beklagten erhoben gegen die Klägerin in der Schweiz eine Klage auf Herausgabe der Wechsel mit der Begründung, die Klägerin habe diese unberechtigt inne. Mit Urteil vom 4. 1. 2006 bestätigte das Schweizerische Bundesgericht die Abweisung der von den (hier) Beklagten erhobenen Herausgabeklage. Am 18. 1. 2006 wurde hinsichtlich der zugrunde liegenden Wechsel Protest mangels Zahlung erhoben.
Die Klägerin begehrte die Zahlung von 332.583,30 CHF (= 216.695,13 EUR) sA. Sie sei als Letztindossantin legitimierte Inhaberin der zugrunde liegenden und fälligen Wechsel. Diese hätten bei Indossierung an sie Transportwirkung entfaltet, weil ausstehende Darlehensforderungen gegen die Aktiengesellschaft zediert worden seien. Von den Schweizerischen Gerichten sei das Bestehen der Forderungen bereits mit bindender Wirkung festgestellt worden. Vom Zweck des Vertrags vom 30. 6. 1997 habe sie keine Kenntnis gehabt; in die Geschäfte ihres Ehegatten sei sie nicht eingebunden gewesen.
Die Beklagten entgegneten, dass die Wechsel samt vereinbarter Indossamente gleichzeitig mit dem Vertrag vom 30. 6. 1997 am 5. 7. 1997 in Linz unterzeichnet worden seien. An den Verhandlungen und der Vertragsunterzeichnung sowie an der Ausstellung und Indossierung der Wechsel sei die Klägerin stets beteiligt gewesen. Beim Erwerb der Wechsel habe sie bewusst zum Nachteil der Beklagten gehandelt, zumal ihr bewusst gewesen sei, dass die Beklagten keine Einreden erheben können sollten. Aufgrund des Vorliegens eines einheitlichen Rechtsgeschäfts hätten die Wechsel keinen Umlaufzweck verfolgt, weshalb Einwendungen aus dem nichtigen Grundgeschäft zulässig seien.
Im nunmehr zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. In den Abschluss der Vereinbarung vom 30. 6. 1997 sei die Klägerin derart eingebunden gewesen, dass in Wahrheit ein einheitliches Geschäft vorliege. Aufgrund dieser Situation sei ein Durchgriff der Einwendungen der Beklagten aus dem Grundgeschäft zu bejahen.
Das Berufungsgericht bestätigt diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Hinsichtlich der Bindungswirkung der Urteile der Schweizerischen Gerichte stehe die Klage auf Herausgabe der Wechsel mit jener auf Zahlung aus den Wechseln nicht im Verhältnis der reinen Negation. Im Übrigen bestehe nach Schweizerischem Zivilprozessrecht Bindung nur an das Dispositiv (Spruch), nicht aber an die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen der Entscheidungen. Der Einwendungsdurchgriff aus dem Grundgeschäft sei zu bejahen, weil die Übertragung der Wechselforderungen an die Klägerin nicht der Umlauffunktion gedient habe. Tatsächlich sei die mehrfache Weitergabe der Wechsel ausschließlich aufgrund des Vertrags vom 30. 6. 1997 erfolgt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die gänzliche Stattgebung der Klage anstrebt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil zu der - in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden - Frage der Zulässigkeit des Einwendungsdurchgriffs iSd Art 17 WechselG bei Vorliegen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Verhältnis zu dem die Wechselrechte in Anspruch nehmenden Wechselinhaber eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Die Frage nach der Reichweite der Bindungswirkung des Urteils im Schweizerischen Herausgabeverfahren war bereits Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang (8 Ob 62/07m). Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass die Klage auf Herausgabe der zugrunde liegenden Wechsel auf die Behauptung der unberechtigten Innehabung iSd Art 1006 OR gestützt und mit dem Urteil daher über die Legitimation der Klägerin als Wechselinhaberin entschieden wurde. Von dieser Frage der rechtmäßigen Innehabung sind die Einwendungen nach Art 1007 OR zu unterscheiden, mit denen sich der Wechselschuldner gegen seine Haftung aus dem Wechsel wendet. Die Argumentation der Klägerin, dass der Herausgabeanspruch wegen der Rechtsbeständigkeit der Wechselforderungen abgewiesen worden sei, erweist sich damit als unrichtig.
Schon im ersten Rechtsgang wurde davon ausgegangen, dass nach Schweizerischem Zivilprozessrecht für die Ermittlung der Tragweite des Dispositivs (Spruchs) zur Festlegung des Streitgegenstands auch die Erwägungen (Entscheidungsgründe) heranzuziehen sind. Zu diesem - schon erledigten Streitpunkt - zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2. Zur Frage des Einwendungsdurchgriffs ist vorweg darauf hinzuweisen, dass sowohl Österreich (BGBl 1932/289) als auch die Schweiz (BGBl 1937/216) die drei Genfer Wechselübereinkommen vom 7. Juni 1930 ratifiziert und sich damit unter anderem verpflichtet haben, das Einheitliche Wechselgesetz in ihrem Hoheitsgebiet einzuführen. Art 17 des Einheitlichen Wechselgesetzes und Art 17 WechselG 1955 (BGBl 1955/49) sind identisch. Zudem verweisen sowohl der nach Art 4 Abs 1 des Übereinkommens vom 7. Juni 1930 über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Wechselprivatrechts bzw Art 93 Abs 1 WechselG 1955 - für die Wirkungen der Verpflichtungserklärungen des Annehmers eines gezogenen Wechsels sowie des Ausstellers eines eigenen Wechsels einschließlich der Zulässigkeit von Einwendungen maßgebliche - Zahlungsort laut Wechsel als auch der nach Art 4 Abs 2 des Übereinkommens bzw Art 93 Abs 2 WechselG 1955 - für die übrigen Wechselerklärungen einschließlich der Verpflichtungserklärungen eines Indossanten maßgebliche - Unterschriftsort auf österreichisches Recht (vgl Bernstorff, Das internationale Wechsel- und Scheckrecht 27).
3.1 Nach der Zielsetzung des Art 17 WechselG sollen die Einwendungsmöglichkeiten des in Anspruch genommenen Wechselschuldners im Interesse der Umlauffähigkeit des Wechsels beschnitten werden (vgl Bernstorff aaO 24). Der Einwendungsausschluss zielt demnach auf die Verkehrssicherheit eines in die Hände eines Dritten gelangten Wechsels ab (vgl 4 Ob 2330/96t). Ausgeschlossen sind somit nur solche Einwendungen, die auf Beziehungen zu Dritten beruhen. Einwendungen aus der unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen dem den Anspruch erhebenden Wechselinhaber und dem Beklagten sind nach ständiger Rechtsprechung aber zulässig. Solange sich der Gläubiger und der Schuldner des Grundgeschäfts gegenüberstehen, darf der Wechselschuldner dem Wechselgläubiger alles entgegensetzen, was er aus diesem Geschäft einwenden kann (RIS-Justiz RS0082420; RS0082465).
Liegt aus Sicht der an den Vereinbarungen Beteiligten einschließlich des den Anspruch geltend machenden Wechselinhabers nach dem verfolgten Geschäftszweck ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, so stehen sich im Wechselprozess in materieller Hinsicht ebenfalls die Parteien des Grundgeschäfts gegenüber. In diesem Fall entspricht es den allgemein anerkannten Grundsätzen, dass die Einwendungen aus dem Grundgeschäft der Wechselforderung entgegengehalten werden können.
3.2 Baumbach/Hefermehl/Casper (Wechsel- und Scheckgesetz23 Art 17 Rz 16, 22 und 25) führen aus, dass die Grundvoraussetzung für einen Einwendungsausschluss erst vorliege, wenn ein der Funktion des Wechsels entsprechender Umlauf stattgefunden habe. Auch wenn eine Wechselforderung wechselmäßig übertragen werde, sei ein Einwendungsausschluss dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn die Indossierung nicht dem Umlaufzweck diene und der Erwerber daher keinen Verkehrsschutz verdiene. Dies sei der Fall, wenn tatsächlich kein Dritterwerb vorliege, dem der Schutz des Art 17 zukomme, und es an einem Verkehrsgeschäft fehle. Ähnlich vertreten Grüninger/Hunziker/Roth (in Honsell/Vogt/Watter, Obligationenrecht II3 Art 1007 Rz 9) die Ansicht, dass der Einredenausschluss erst dann aktuell werde, wenn ein wechselmäßiger Erwerb stattgefunden habe. Dafür seien Zurechenbarkeit der wechselrechtlichen Erklärung, Verkehrsschutzbedürfnis und subjektive Schutzwürdigkeit des Erwerbers vorausgesetzt. Auch wenn das Indossament nicht dem Umlaufzweck diene und den Verkehrsschutz gar nicht verdiene, entfalle der Einredenausschluss. Nach Hueck/Canaris (Recht der Wertpapiere12 109) fehlt es bei einer wirtschaftlichen Personengleichheit zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Wechsels an einem echten Verkehrsgeschäft.
In seiner Entscheidung vom 21. April 1998, XI ZR 239/97 (= WM 1998, 1277), hat der BGH diese Grundsätze übernommen.
3.3 Das Kriterium des fehlenden Umlaufzwecks der zugrunde liegenden Wechsel ist im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen stand der Forderungsabtretung an die Klägerin keine entsprechende Forderung der Klägerin gegen ihren Ehegatten gegenüber. Die hinter der Schenkung stehende Grundlage der Abtretung bestand allein im nichtigen Vertrag vom 30. 6. 1997. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, dass der mehrfachen Wechselbegebung bis hin zur Klägerin keine unterschiedlichen Grundgeschäfte zugrunde gelegen waren. Die Klägerin war in das abgeschlossene Rechtsgeschäft auch in prominenter Weise eingebunden. Die Initiative zum Erwerb der Aktiengesellschaft durch die Erstbeklagte ging von ihr aus. Die vom Zweitbeklagten hinterfragte Wechselkonstruktion wurde von ihr als in der Schweiz notwendig verteidigt. Sämtliche Vertrags- und Wechselerklärungen wurden in ihrer Anwesenheit abgegeben. Nach diesem Tatsachensubstrat war die Klägerin am zugrunde liegenden Rechtsgeschäft federführend beteiligt und in die Erklärungen in materieller Hinsicht gleich einer Vertragspartei eingebunden. In Ansehung der Rechtsstellung der Klägerin ist der Vertrag vom 30. 6. 1997 somit als einheitliches Rechtsgeschäft und damit als ein- und dasselbe Grundgeschäft zu beurteilen. Das Verkehrsschutzbedürfnis der Klägerin ist damit zu verneinen.
Entgegen der Argumentation der Klägerin muss nicht auf ein bewusst nachteiliges Handeln des Wechselinhabers zu Lasten des Schuldners beim Erwerb des Wechsels (vgl RIS-Justiz RS0043472; RS0082577) oder auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Wechsels (vgl 8 Ob 221/01k) zurückgegriffen werden.
4. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Einwendungen aus dem Grundgeschäft dem Wechselinhaber iSd Art 17 WechselG auch dann entgegengehalten werden können, wenn dieser in die der Wechselbegebung zugrunde liegenden Vereinbarungen derart eingebunden ist, dass nach dem verfolgten Geschäftszweck ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt.
Den aus den Wechseln und den Indossamenten haftenden Beklagten stehen gegenüber der Klägerin somit sämtliche Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu. Zufolge Nichtigkeit des Vertrags vom 30. 6. 1997 sind die geltend gemachten Wechselforderungen nicht begründet.
Insgesamt war der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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