OGH 4Ob2330/96t

OGH4Ob2330/96t26.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und Dr.Josef W.Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, und des ihr beigetretenen Nebenintervenienten Wolfgang P*****, vertreten durch Dr.Michael Lackner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei R***** reg.Gen.mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Rothner, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 1,300.000 sA, infolge Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 19.April 1996, GZ 12 R 70/96i-18, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Bezirksgerichtes Rohrbach vom 29. Jänner 1996, GZ C 500/95 -12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 1,300.000 samt 4 % Zinsen seit 10.Juli 1996 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 302.896,60 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 29.842,80 Umsatzsteuer und S 123.840 Barauslagen) und dem Nebenintervenienten die mit S 105.876 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 17.646 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der Nebenintervenient war wie Manfred S***** Gründungsgesellschafter der am 25.Juni 1994 in das Firmenbuch eingetragenen C*****gesellschaft mbH (in der Folge kurz: C***** GmbH). Zwischen der C***** GmbH und der Klägerin bestand seit 5./8.September 1994 ein Kreditverhältnis mit einem Rahmen bis S 6,000.000. Zur Besicherung dieses Kredites war die C***** GmbH zur Beibringung von Bankgarantien in der Höhe von insgesamt S 6,000.000 verpflichtet. Weiters war die Abtretung aller bestehenden und künftigen Forderungen aus der Geschäftstätigkeit der C***** GmbH im Wege einer stillen Zession, welche jederzeit in eine offene Zession umgewandelt werden konnte, vereinbart. Für die Kreditverbindlichkeiten übernahmen der Nebenintervenient und Manfred S***** die Haftung zur ungeteilten Hand. Im Falle der Verwertung der Sicherheiten waren zuerst die Garantien und Zessionen und dann die Mithaftung des Nebenintervenienten und Manfred S*****s in Anspruch zu nehmen.

Auf Grund einer Änderung des Gesellschaftsvertrages der C***** GmbH war die P***** GmbH (in der Folge: P***** GmbH) seit September 1994 Gesellschafterin der C***** GmbH mit einer eingezahlten Stammeinlage von S 115.000.

Am 26.August 1994 stellte die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Vereinbarung ihres Kunden P***** GmbH mit dem Kunden der Klägerin, C***** GmbH, eine Bankgarantie für Warenlieferungen zu erbringen, eine Zahlungsgarantie über S 1,300.000 "für Warenlieferungen" mit Effektivklausel aus, in welcher die Klägerin als Begünstigte aufschien. Als die Klägerin diese Garantie wegen der Effektivklausel nicht akzeptierte, stellte die Beklagte am 1.September 1994 eine Bankgarantie "für Warenlieferungen" ohne Effektivklausel aus. Am 17. März 1995 stellte sie schließlich in Ersetzung der Zahlungsgarantie vom 1.September 1994 eine an die Klägerin gerichtete als "Zahlungsgarantie" überschriebene Bankgarantie mit folgendem Inhalt aus:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Es wurde uns zur Kenntnis gebracht, daß unser Kunde P.***** Gesellschaft m.b.H., ***** aufgrund der mit Ihrem Kunden C*****gesellschaft mbH, ***** getroffenen Vereinbarung verpflichtet ist, für Warenlieferungen eine Bankgarantie zu erbringen.

Im Hinblick auf diese Verpflichtung unseres Kunden übernehmen wir Ihnen gegenüber die unwiderrufliche Zahlungsgarantie bis zu einem Höchstbetrag von S 1,300.000 (in Worten: Schilling eine Million dreihunderttausend) befristet mit 30.09.1995.

Wir überweisen innerhalb von 14 Tagen nach Einlangen Ihrer schriftlichen Aufforderung (nicht Telex oder Telefax), unter Verzicht auf jede Einrede, ohne daß wir das zugrundeliegende Rechtsverhältnis noch weiter prüfen, bis zum Höchstbetrag von S 1,300.000 (in Worten; Schilling eine Million dreihunderttausend).

Unsere Haftung reduziert sich durch jede Inanspruchnahme im Ausmaß derselben, ihre Aufforderung muß spätestens am Ablauftag bei uns eingelangt sein.

Bitte geben Sie uns Ihre Kontonummer und Bankverbindung bekannt. Barzahlung ist ausgeschlossen. Die Rechte aus dieser Garantie können nicht verpfändet oder zediert werden. Sie erlischt spätestens am 30.09.1995.

Unser Kunde hat freigewordene Beträge an uns abgetreten, Rückzahlungen mit schuldbefreiender Wirkung sind nur an uns möglich."

Die Klägerin nahm diese Garantie in Empfang. Ihre Rechtsabteilung ging davon aus, daß der Passus in der Garantie "für Warenlieferungen" der Sicherung ihrer Forderungen aus dem Kreditverhältnis mit der C***** GmbH nicht schade. Die Bankgarantie sollte nach dem Willen der Klägerin nicht der Sicherung der ihr abgetretenen Forderungen der C***** GmbH aus Warenlieferungen dienen.

Die P***** GmbH übernahm keine Haftungen für Verbindlichkeiten der C***** GmbH gegenüber der Klägerin, insbesondere keine Bürgschaften, und erklärte auch keine Schuldbeitritte.

Mit einem am 22.Juni 1995 bei der Beklagten eingelangten Schreiben vom 19.Juni 1995 rief die Klägerin die Bankgarantie wie folgt ab:

"Mit Schreiben vom 17.3.1995 und etwaigen Änderungen haben Sie uns gegenüber zur Sicherstellung allfälliger Verbindlichkeiten der Fa. C*****gesellschaft mbH auftrags der Fa. P***** Gesellschaft mbH die Garantie bis zum Betrag von S 1,300.000 bis einschließlich 30.9.1995 übernommen.

Wir nehmen Sie hiemit aus der gegenständlichen Garantie hinsichtlich des vollen Betrages in Anspruch."

Am 19.Juni 1995 haftete der Betriebsmittelkredit, den die Klägerin der C***** GmbH gewährt hatte, mit S 3,720.239,19 aus.

Mit Schreiben vom 20.Juni 1995 verständigte die Klägerin die Beklagte, daß die C***** GmbH ihre Forderung gegen die P***** GmbH von S 577.001,24 der Klägerin abgetreten habe. Am 5.Juli 1995 teilte die P***** GmbH der Klägerin mit, daß ihr gegen die C***** GmbH Forderungen von S 829.859,51 zustünden und hiemit gegenüber dem Zessionar aufgerechnet werde. Mit Schreiben vom 12.Juli 1995 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, daß die einleitende Erklärung in der Bankgarantie, die auf ein Warengeschäft hinweise, wegen der Abstraktheit der Garantie nicht eingewendet werden könne. Mit einem am 27.September 1995 bei der Beklagten eingelangten Schreiben vom 26. September 1995 rief die Klägerin die Bankgarantie erneut ab wie folgt:

"Mit Schreiben vom 17.3.1995 haben Sie uns gegenüber, auftrags der Fa. P***** GesmbH die abstrakte Zahlungsgarantie bis zum Betrag von S 1,300.000 bis einschließlich 30.9.1995 übernommen. Wir nehmen Sie hiemit aus Gründen der äußersten Vorsicht, da Sie bisher trotz mehrmaliger Aufforderung nicht bezahlt haben, nochmals aus der gegenständlichen Garantie hinsichtlich des vollen Betrags in Anspruch."

Am 31.März 1995 hatte die P***** GmbH gegen die C***** GmbH Forderungen von S 646.167. Am 27.April 1995 hatte die C***** GmbH gegenüber der P***** GmbH Forderungen von S 234.076.

Mit Beschluß des Landesgerichtes S***** vom 20.November 1995 wurde der im September 1995 gestellte Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der C***** GmbH mangels Vermögens abgewiesen. Die Gesellschaft ist aufgelöst.

Die Klägerin beantragt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 1,300.000 sA. Nach dem übereinstimmenden Parteiwillen sollte die Bankgarantie vom 17.März 1995 nicht der Sicherstellung von Verbindlichkeiten der C***** GmbH gegen die P***** GmbH, sondern der Sicherstellung der Kreditforderungen der Klägerin gegen die C***** GmbH dienen. Sowohl der Beklagten als auch der P***** GmbH sei von Anfang an bewußt gewesen, daß die Bankgarantie zugunsten einer Person ausgestellt wird, die zur P***** GmbH weder in einem Rechtsverhältnis noch in einer Geschäftsverbindung stehe. Die Beklagte und die P***** GmbH hatten von Anfang an als wirtschaftlichen Zweck der Bankgarantie erkennen müssen, daß diese im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der C***** GmbH zu stellen sei. Daß die P***** GmbH als Gesellschafterin der C***** GmbH im Firmenbuch eingetragen wurde, bestätige nicht nur, daß die Bankgarantie zur Besicherung des Kreditverhältnisses zwischen der Klägerin und der C***** GmbH gedient habe, sondern auch, daß die P***** GmbH und damit auch die Beklagte sicherlich darüber Bescheid gewußt habe. Das von Anfang an geplante Gesellschaftsverhältnis spreche gegen die Annahme, daß die Bankgarantie ein Lieferverhältnis absichern sollte.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Nach dem Parteiwillen habe die Garantie nur der Sicherstellung der nicht durch Gegenforderungen oder Gegenlieferungen der P***** GmbH gedeckten Forderungen der C***** GmbH auf Bezahlung von Warenlieferungen an die P***** GmbH gedient. Ein wirksamer Garantievertrag sei nicht zustande gekommen, weil ein versteckter Dissens über den Sicherungszweck vorgelegen sei. Die Garantie sei nicht hinreichend substantiiert abgerufen worden. Die Garantie sei im übrigen rechtsmißbräuchlich in Anspruch genommen worden, weil der Klägerin oder ihrem Zedenten, der C***** GmbH, bei Abruf der Garantie bekannt gewesen sei, daß kein Anspruch auf ein Entgelt für Warenlieferungen bestehe und mit einer Entstehung des gesicherten Anspruches auch nicht mehr zu rechnen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, daß am 8.August 1994 zwischen dem Nebenintervenienten, Manfred S*****, Roland P***** und Lutz G***** ua vereinbart worden sei, daß die neue Gesellschafterin P***** GmbH den Gesellschaftsanteil an der C***** GmbH in bar erlege, für Warenlieferungen eine Bankgarantie in der Höhe von S 1,300.000 zur Verfügung stelle und der Erlag des Gesellschaftsanteiles sowie die Stellung der Bankgarantie Zug-um-Zug mit der Unterfertigung des Gesellschaftsvertrages zu erfolgen hätte.

Rechtlich meinte der Erstrichter, daß infolge Dissenses über den zu garantierenden Erfolg kein wirksamer Garantievertrag zwischen den Streitteilen entstanden sei. Die Beklagte habe die Zahlung des Entgeltes für Warenlieferungen der C***** GmbH an die P***** GmbH garantieren wollen; die Klägerin habe durch die Bankgarantie die Begleichung ihrer Kreditforderungen gegen die C***** GmbH gesichert haben wollen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Ersturteiles als das Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und verneinte den geltend gemachten Verfahrensmangel aus rechtlichen Gründen. Als Konsensualvertrag komme der Garantievertrag regelmäßig durch übereinstimmende Willenserklärungen der garantierenden Bank und des Begünstigten zustande. Das Angebot der Beklagten auf Abschluß eines Garantievertrages mit der Klägerin liege in der Form des an die Klägerin gerichteten Garantiebriefes schriftlich vor. Dieses Angebot entspreche daher der zwar angesichts der Vollkaufmannseigenschaft der Klägerin nicht vorgeschriebenen, so doch in der Praxis völlig üblichen Schriftform, welche Übung nach Canaris (Komm HGB3 III/3 Rz 1122) sich bereits zu einem Handelsbrauch verdichtet habe. Wenngleich die Verpflichtung des Garanten unabhängig vom Bestehen der Hauptschuld eines Dritten gegenüber dem Begünstigten, also nicht akzessorisch ist, folge doch aus der Sicherungsfunktion der Garantie und der grundsätzlichen Ungültigkeit abstrakter Verpflichtungsgeschäfte, daß der Umschreibung jener Leistung des Dritten im Garantieversprechen, deren Entgelt dem Begünstigten garantiert werden soll, also des Erfolges, für den die Gewähr übernommen wird, rechtliche Relevanz beikomme. Der Rechtsgrund für die Einräumung des Forderungsrechtes gegen den Garanten liege regelmäßig in der Gläubigerstellung des Begünstigten gegen den Auftraggeber des Garanten. Die Einigung über den Sicherungszweck sei wesentlicher Bestandteil des Garantievertrages.

Das Angebot der Beklagten sei hier darauf gerichtet gewesen, Verbindlichkeiten der P***** GmbH gegenüber der C***** GmbH aus Warenlieferungen zu sichern. Bei der Auslegung eines schriftlichen Vertrages seien zwar auch die anläßlich des Abschlusses des Vertrages abgegebenen Erklärungen der Vertragspartner und die sich daraus ergebende Absicht zu berücksichtigen; werde jedoch keine über den Wortlaut der Urkunde hinausgehende Vereinbarung getroffen, so könne die Auslegung objektiv nur auf der Urkunde selbst basieren und nicht auf zusätzliche Beweismittel als Erkenntnisquelle gestützt werden. Bei der Auslegung formbedürftiger Geschäfte habe die Berücksichtigung von Begleitumständen und formlosen Nebenabreden darin ihre Grenze, daß sich für den wahren Willen der Parteien in der Urkunde irgendein, wenn auch noch so geringer, Anhaltspunkt finden müsse.

Die von der Klägerin dem Garantieversprechen der Beklagten unterstellte Bedeutung, die Sicherung der Kreditverbindlichkeiten der C***** GmbH bei der Klägerin unabhängig vom Bestehen einer Forderung der C***** GmbH gegen die P***** GmbH aus Warenlieferungen anzubieten, könne dem Garantieversprechen der Beklagten redlicherweise nicht beigemessen werden. Dagegen spreche neben dem Wortlaut des Garantieschreibens, dem im Hinblick auf die in der Praxis übliche Verwendung der Schriftform gegenüber mündlichen Äußerungen erhöhte Bedeutung zukomme, insbesondere das eine Effektivklausel enthaltende Garantieangebot der Beklagten vom 26. August 1994. Selbst wenn bei der Unterredung vom 8.August 1994 im Beisein des in der Geschäftsleitung der Beklagten tätigen Ing.K***** besprochen worden sein sollte, daß die von der P***** GmbH beizubringende Bankgarantie der Besicherung der Kreditverbindlichkeiten der C***** GmbH bei der Klägerin dienen sollte und ein Risikokapital der P***** GmbH sei, habe die bei dieser Besprechung nicht anwesende Klägerin die nachfolgenden Garantieangebote der Beklagten nur dahin verstehen können, daß die Beklagte die Besicherung der Verbindlichkeiten ihres Kunden P***** GmbH gegenüber der C***** GmbH aus Warenlieferungen anbiete, habe doch die der Besprechung vom 8.August 1994 nachgehende Zahlungsgarantie der Beklagten vom 26.August 1994 ausdrücklich einen Nachweis der tatsächlich erfolgten Lieferung durch von der P***** GmbH akzeptierte Lieferscheine und Rechnungen vorgesehen.

Wenn die Beklagte in der Folge auf Betreiben der Klägerin in ihrem späteren Garantieversprechen die Effektivklausel fallen ließ, jedoch in der Präambel weiterhin unbeanstandet auf die Verpflichtung der P***** GmbH, für Warenlieferungen eine Bankgarantie zu erbringen, Bezug nahm, habe die Klägerin die Bankgarantie redlicherweise nur dahin verstehen können, daß die Beklagte die Erfüllung der Verpflichtungen der P***** GmbH gegenüber der C***** GmbH aus Warenlieferungen garantiere. Damit eine wirksame Garantieverpflichtung der garantierenden Bank entstehen könne, sei im Sinne der herrschenden Vertragstheorie die Annahme des Garantieversprechens durch den Begünstigten erforderlich. Da hier jegliches Vorbringen und Feststellungen zu einem allenfalls zu erwägenden Vertragsschluß durch Willensbetätigung fehlten, komme als Annahme nur die Inanspruchnahme der Garantie durch den Abruf vom 19. Juni 1995 in Frage. Die Auslegung der Garantieerklärung nach der Verkehrssitte ergebe, daß das Angebot des Garanten nicht innerhalb der kurzen Frist des § 862 ABGB angenommen werden müsse, sondern ein Offert mit verlängerter Bindungswirkung vorliege. Dies könne insbesondere angenommen werden, wenn, wie hier, für die Inanspruchnahme der Garantie eine Frist vorgesehen ist, weil in der Inanspruchnahme zugleich die Annahme der Offerte gesehen werden könne. Damit liege jedoch ein offener Dissens vor. Mangels wirksamer Einigung über den Sicherungszweck der Garantie sei kein Garantievertrag zustandegekommen.

Selbst bei anderer Auffassung sei das Klagebegehren abzuweisen, weil die Inanspruchnahme der Garantie rechtsmißbräuchlich erfolgt sei. Zum Wesen der Bankgarantie gehöre zwar der Ausschluß von Einwendungen aus dem Grundgeschäft. Die Verfehlung des Sicherungszweckes bei einer Garantie könne jedoch dann eine Einwendung des Garanten begründen, wenn er sich die genaue Angabe des Sicherungszweckes in der Abruferklärung ausbedungen hätte und die Einforderung des Garantieversprechens im konkreten Fall diesen formellen Anforderungen nicht entspreche. In der bloßen Bezugnahme auf das Valutaverhältnis bei der Abgabe eines Garantieversprechens liege noch kein solcher Vorbehalt, weil dadurch primär umschrieben werden solle, welche Leistung eines bestimmten Dritten dem Begünstigten garantiert werden sollle. Wenngleich zur Inanspruchnahme einer Garantie die Substantiierung der Gründe im allgemeinen nicht erforderlich sei, sei dennoch die Schutzwürdigkeit der begünstigten Klägerin insoweit nicht mehr gegeben, als sie eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, daß sie keinen derartigen Anspruch gegen die P***** GmbH habe und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Maßgeblich sei der Wissensstand bzw die Beweislage zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie. Rechtsmißbrauch liege auch vor, wenn der in Anspruch genommene Betrag für einen anderen als den Sicherungszweck verwendet werden soll. Dies sei von der Klägerin beabsichtigt, da sie die zur Besicherung der Zahlungsverpflichtungen der P***** GmbH für Warenlieferungen der C***** GmbH übernommene Garantie zur Abdeckung von Kreditverbindlichkeiten der C***** GmbH in Anspruch habe nehmen wollen.

Schließlich seien völlig abstrakte Verpflichtungsgeschäfte nach österreichischem Recht grundsätzlich ungültig. Nur in dreipersonalen Beziehungen oder bei der Garantie für die Leistung eines Dritten seien abstrakte Versprechen ausnahmsweise wirksam, weil die kausalen Grundverhältnisse den Zweck des Geschäftes erkennen ließen und bei dessen Verfehlung die Rückabwicklung ermöglichten. Würde man eine Verpflichtung der Beklagten zur Sicherung der Kreditverbindlichkeiten der C***** GmbH bei der Klägerin unabhängig vom Bestehen einer von der C***** GmbH abgeleiteten Forderung für Warenlieferungen gegen die P***** GmbH bejahen, führte dies im Ergebnis zur Anerkennung der Gültigkeit eines völlig abstrakten Verpflichtungsgeschäftes, habe doch die P***** GmbH für die Verbindlichkeiten der C***** GmbH gegenüber der Klägerin keine Haftungen, insbesondere keine Bürgschaften übernommen oder Schuldbeitritte erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobenen Revisionen der Klägerin und ihres Nebenintervenienten sind entgegen der Meinung der Beklagten zulässig und auch berechtigt.

Daß die Erklärung der Beklagten vom 17.März 1995 als Bankgarantie zu werten ist, blieb unbestritten und kann auch keinem Zweifel unterliegen. Die Bankgarantie ist die vertraglich begründete, gegenüber der Hauptschuld selbständige, also nicht akzessorische Garantie der Leistung eines Dritten, meist des Bankkunden (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 880 a mwN). Die Bank übernimmt mit der Bankgarantie die Gewähr dafür, daß der Begünstigte von einem Dritten eine Leistung erhält (Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II, 246 Rz 3/1). Das Garantiegeschäft der Banken hat in erster Linie Sicherungsfunktion (Canaris, Bankvertragsrecht3 , I Rz 1102; Koziol aaO 247 Rz 3/3).

Da mit der Bankgarantie nicht bloß die Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung garantiert wird, sondern schlechthin der Eintritt eines bestimmten Erfolges, nämlich der Erhalt der Leistung des Dritten, ist die Garantieverpflichtung losgelöst von dem Valutaverhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Dritten, also nicht akzessorisch (Koziol aaO Rz 3/4). Sie ist auch unabhängig vom Deckungsverhältnis zwischen Garant und Drittem, trägt keine causa in sich und ist daher ein abstraktes Rechtsgeschäft (Koziol aaO; ders, Garantievertrag 21 ff mwN; ÖBA 1988, 1230 ua). Solche materiell abstrakten Rechtsgeschäfte sind nach österreichischem Recht - wie sich aus den Bestimmungen über die Anweisung (§ 1402 ABGB) und über den in die Hände eines Dritten gelangten Wechsel (Art 17 WechselG) ergibt - wirksam, wenn es sich um dreipersonale Verhältnisse handelt. Dafür spricht auch der Gedanke der Verkehrssicherheit, soll doch der Begünstigte nicht von einem Rechtsverhältnis zwischen anderen Personen - dem Deckungsverhältnis - abhängig sein, an dessen Abschluß er nicht mitgewirkt hat und in das er keinen Einblick hat. Überdies wird die Verbindlichkeit des Garanten durch eine Kette von Grundverhältnissen gerechtfertigt, so daß auf dem Umweg über den Dritten eine Berufung auf den Rechtsgrund und auf Einwendungen unter Umständen möglich ist (Koziol aaO Rz 3/4).

Den Revisionswerbern ist darin Recht zu geben, daß im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie der Hinweis auf das Grundverhältnis zwischen dem Dritten, also dem Garantieauftraggeber, und dem Begünstigten, dieses Grundverhältnis nicht zum Bestandteil der Garantie macht. Die übliche - auch in der hier zu beurteilenden Bankgarantie an die Spitze gestellte - Präambel, in welcher auf das Grundverhältnis zwischen dem Garantieauftraggeber (hier: P***** GmbH) und dem Begünstigten (hier: Klägerin) hingewiesen wird, ist die bloße Umschreibung jener Leistung des Dritten, deren Erhalt dem Begünstigten garantiert werden soll, also des Erfolges, für den die Gewähr übernommen wird (Koziol aaO 249 Rz 3/6; SZ 66/140). Daß aber die Haftung des Garanten dennoch unabhängig vom Bestehen der Leistungsverpflichtung des Dritten sein soll, wurde auch hier dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte zugesagt hat, innerhalb von 14 Tagen nach Einlangen der schriftlichen Aufforderung der Klägerin unter Verzicht auf jede Einrede, ohne das zugrunde liegende Rechtsverhältnis noch weiter zu prüfen, den Garantiebetrag zu überweisen.

Die Garantieverpflichtung der Bank (hier: der Beklagten) entsteht durch Vertrag (Rummel aaO; Canaris aaO Rz 1102; Koziol aaO 283 Rz 3/66; SZ 47/138; SZ 48/130; SZ 50/32 ua). Der Meinung der Vorinstanzen, daß hier kein Garantievertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen sei, kann nicht gefolgt werden:

Nach den Feststellungen hat die Beklagte zunächst eine Garantie mit Effektivklausel erstellt, die Klägerin sich damit aber nicht einverstanden erklärt. Die Beklagte hat dann in der Folge eine neue Garantie ohne solche Klausel erstellt. Jedenfalls bei dieser Sachlage muß im Schweigen der Klägerin eine Zustimmung erblickt werden, wenn dies nicht ohnehin allein deshalb gilt, weil die Garantie dem Begünstigten typischerweise nur Vorteile bringt. So wird ja auch das Stillschweigen auf eine Anerkennungserklärung oder einen Verzicht als Zustimmung angenommen (vgl Gschnitzer in Klang2 IV/1, 80; Koziol aaO 283 Rz 3/67).

Von einem Dissens zwischen den Streitteilen, der der Annahme eines Garantievertrages entgegenstünde, kann also nicht gesprochen werden.

Der Beklagten steht daher der - grundsätzlich zulässige - Einwand der Ungültigkeit des Garantievertrages (Koziol aaO 299 Rz 3/91 f) nicht zu.

Hat die Bank - wie hier - auf bloße Anforderung zu zahlen, so ist ihr die Berufung darauf, daß der Garantiefall nicht eingetreten sei, grundsätzlich entzogen. Die Verpflichtung, Zahlung zu leisten, entsteht allein durch die Inanspruchnahme, welche nach dem Garantievertrag allein den formellen Garantiefall bildet (Koziol aaO 300 Rz 3/94). Nur dann, wenn in einer Garantie - anders als hier - vorgesehen wird, daß der Begünstigte zumindest erklären muß, daß er die erwartete Leistung nicht erhalten habe, oder sogar bestimmte Dokumente vorlegen muß, kann bei Fehlen dieser Voraussetzungen die Mangelhaftigkeit der Inanspruchnahme der Garantie eingewendet werden (SZ 66/140). Ebenso könnte in der Garantie dem Garanten der Einwand eingeräumt werden, daß der (zu sichernde) Erfolg ohnehin eingetreten sei (Koziol aaO Rz 3/95).

Da sich die Beklagte verpflichtet hat, unter Verzicht auf jede Einrede ohne Prüfung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (des Valutaverhältnisses) binnen 14 Tagen nach Einlangen der schriftlichen Aufforderung Zahlung zu leisten, steht ihr der Einwand, daß die Klägerin keine Forderung gegen die P***** GmbH im Sinne der Präambel der Bankgarantie habe, grundsätzlich - von dem noch zu erörternden Fall des Mißbrauches abgesehen - nicht zu.

Auch die von der Beklagten aufgestellte Behauptung, daß die Bankgarantie - wie in der Präambel festgehalten - der Sicherung von Kaufpreisforderungen (ursprünglich) der C***** GmbH gegen die P***** GmbH diene, die Klägerin aber keine solche Forderung, sondern nur Kreditforderungen gegen die C***** GmbH habe, zu deren Sicherung die Bankgarantie nicht erstellt worden sei, ist ein Einwand aus dem Valutaverhältnis, also dem Verhältnis zwischen der P***** GmbH als der Garantieauftraggeberin und der Klägerin, den die Beklagte im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie nach dem Gesagten im allgemeinen nicht erheben kann. Eine Ausnahme wird aber für den - nicht abdingbaren - Einwand des Rechtsmißbrauches gemacht (Koziol aaO 303 Rz 3/100). Dieser steht dem Garanten nach Lehre und Rechtsprechung zu (Koziol aaO 3/101; Canaris aaO Rz 1138; SZ 50/66; SZ 54/189; ÖBA 1992, 573 [Koziol] uva). Da mit der Abstraktheit der Garantie der Zweck verfolgt wird, daß zuerst gezahlt und dann erst gestritten wird (Canaris aaO Rz 1102; Koziol aaO 304 Rz 3/101), sind an diesen Einwand strenge Anforderungen zu stellen. Für den Rechtsmißbrauch (vgl § 1295 Abs 2 ABGB) ist entscheidend, daß zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Mißverhältnis besteht (JBl 1990, 248; JBl 1991, 518; ÖBA 1992, 573 [Koziol]; Koziol aaO). Der Abruf einer Bankgarantie ist daher dann rechtsmißbräuchlich, wenn er in der Absicht geschieht, etwas zu begehren, das sofort wieder zurückzuerstatten ist, und damit die Gefahr eines Schadenseintrittes (etwa infolge mangelnder Zahlungsfähigkeit des Begünstigten) besteht (Koziol aaO 304 f Rz 3/101).

Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einwendungen der Bank liquid beweisbar sein müssen (vgl dazu Koziol aaO 305 ff Rz 3/103; ders, Der Garantievertrag 61 ff), braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil dem diesmal keine Bedeutung zukommt:

Daß der Klägerin objektiv keine Forderung gegen die P***** GmbH zustand, war der Beklagten zur Zeit des Abrufes bekannt und war auch liquide beweisbar. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht aber darin, daß nicht die Existenz einer unbestrittenermaßen gesicherten Forderung umstritten ist, sondern die Frage, welche Forderungen durch die Bankgarantie gesichert werden sollten.

In diesem Fall könnte der Klägerin nur dann der Vorwurf des Rechtsmißbrauches gemacht werden, wenn sie vorsätzlich (§ 1295 Abs 2 ABGB; Koziol aaO 304 FN 311), in Kenntnis, daß sie im Unrecht ist, die Garantie in Anspruch genommen hätte (SZ 66/140). Dem steht aber die Feststellung der Vorinstanzen entgegen, daß die Klägerin (subjektiv) der Meinung war, der Hinweis in der Bankgarantie auf die Warenlieferungen sei ohne Bedeutung; die Bankgarantie diene nicht der Sicherung der ihr abgetretenen Kaufpreisforderungen der C***** GmbH. Darauf deutet ja auch der erste Abruf der Klägerin, in der sie sich darauf berufen hat, die Beklagte hätte zur Sicherstellung allfälliger Verbindlichkeiten der C***** GmbH die Garantie übernommen. Tatsächlich steht die Klägerin nach wie vor auf dem Standpunkt, nach dem wahren Vertragswillen der Parteien habe die Bankgarantie der Sicherung ihrer Kreditforderungen gedient.

Hat aber die Klägerin nicht rechtsmißbräuchlich abgerufen, dann hat die Beklagte auf Grund der Bankgarantie Zahlung zu leisten. Ob die Garantieauftraggeberin - die P***** GmbH - die Klägerin erfolgreich auf Rückzahlung in Anspruch nehmen kann, hängt von der Klärung des Grundverhältnisses zwischen diesen Parteien ab. Da dieses Rechtsverhältnis hier aus rechtlichen Gründen unerheblich ist, liegt der vom Berufungsgericht - wenn auch aus anderen rechtlichen Gründen - verneinte Verfahrensfehler tatsächlich nicht vor.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher in Stattgebung der Revision dahin abzuändern, daß die Beklagte zur Zahlung des Garantiebetrages samt Anhang verurteilt wird.

Der Ausspruch über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle iVm§ 50Abs 1 ZPO.

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