Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 dritter Satz AußStrG).
Text
Begründung
Die in der Schweiz geborenen Kinder übersiedelten mit ihrer - aufgrund der Entscheidung eines Schweizer Gerichts vom 14. 8. 2007 - allein obhutsberechtigten Mutter Ende März 2008 nach Österreich, während der Vater in der Schweiz wohnhaft blieb. Der Vater ist italienischer Staatsangehöriger, die Mutter ist österreichische Staatsbürgerin. Die Kinder besitzen die österreichisch-italienische Doppelstaatsbürgerschaft.
Die Mutter stellte am 31. 3. 2008 beim Bezirksgericht Purkersdorf (dem Erstgericht) den Antrag, ihr die alleinige Obsorge über die Kinder zuzuteilen. Dieses Verfahren ist noch anhängig. In der Tagsatzung vom 6. 7. 2009 wandte der Vater mit Hinweis auf das von ihm (richtig) am 4. 6. 2009 vor einem Schweizer Gericht anhängig gemachte Scheidungsverfahren die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts ein.
Dieses bejahte mit Beschluss vom 14. 7. 2009 seine (internationale) Zuständigkeit „zur Führung des Pflegschaftsverfahrens“. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Der Vater steht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs auf dem Standpunkt, das Rekursgericht habe Art 8 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vom 16. 12. 1960, BGBl 1962/125, unrichtig ausgelegt (vgl dazu RIS-Justiz RS0046088, RS0076453; L. Fuchs, Internationale Zuständigkeit in Außerstreitverfahren [2004] Rz 225; Walder in FS Fasching [1988] 523 ff). Gemäß Art 12 Abs 1 des Vertrags werden jedoch die Bestimmungen zwischenstaatlicher Abkommen, an denen beide Staaten beteiligt sind, durch diesen Vertrag nicht berührt.
Sowohl die Schweiz als auch Österreich sind Vertragsstaaten des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens vom 5. 10. 1961 (MSA; vgl L. Fuchs aaO Rz 225; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rz 08.08). Art 1 MSA weist die internationale Zuständigkeit für Schutzmaßnahmen grundsätzlich den Behörden des Staats des gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen zu. Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt im Bereich des MSA nicht (Nademleinsky/Neumayr aaO Rz 08.31). Wurden Maßnahmen von der Aufenthaltsbehörde bereits (wirksam) getroffen und verlegt der Minderjährige seinen Aufenthalt von einem Vertragsstaat in einen anderen Vertragsstaat, bleiben die Maßnahmen solange in Kraft, bis sie von den Behörden des neuen Aufenthaltsstaats aufgehoben oder ersetzt werden (Art 5 Abs 1 MSA), wovon die früheren Behörden verständigt werden müssen (Art 5 Abs 2 MSA).
Im vorliegenden Fall wurde der gewöhnliche Aufenthalt der beiden Minderjährigen von der Schweiz nach Österreich verlegt. Ein Rückführungsantrag des Vaters nach dem HKÜ wurde zu 1 Ob 167/08b abgewiesen. Maßgeblich für diese Entscheidung war die Rechtsansicht, dass die Übertragung der Obhut auf die Mutter auch deren alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht bewirkte.
Zuständig für die zu treffenden Schutzmaßnahmen sind daher nunmehr die österreichischen Gerichte. Da als derartige Maßnahmen alle schützenden Eingriffe und regelnden Maßnahmen mit Gestaltungscharakter zur Wahrung und Förderung des Kindeswohls zu werten sind (7 Ob 294/05v; 6 Ob 30/08t; je mwN), gehört dazu auch die Regelung der Obsorge während eines anhängigen Scheidungsverfahrens der Eltern (1 Ob 16/08x; RIS-Justiz RS0047773 [T4 und T9]).
Die Bejahung der internationalen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Purkersdorf durch die Vorinstanzen stimmt im Ergebnis mit dieser Rechtslage überein. Mit seinen auf den österreichisch-schweizerischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag gestützten Rechtsmittelausführungen vermag der Vater keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)