OGH 1Ob9/10w

OGH1Ob9/10w29.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Alexander D*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gottfried ***** D*****, vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Dezember 2006, GZ 42 R 457/06a-419, mit dem über ihn eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Gegen eine Entscheidung des Erstgerichts über die Obsorge erhob der Vater einen Rekurs (ON 383), dem er - neben mehreren Beilagen - ein an eine Richterin des Rekurssenats gerichtetes Schreiben anschloss; er mache dies gleich im Anschluss an den Rekurs, weil es nicht besonders gut aussehe, wenn die Gegenseite davon nichts wisse. In diesem Schreiben sprach er die erwähnte Richterin durchgehend mit "Du" an. Darüber hinaus ist zum Inhalt des Rekurses auf die - sogleich wiederzugebenden - Ausführungen des Rekursgerichts zu verweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Rekursgericht über den nunmehrigen Revisionsrekurswerber gemäß § 22 AußStrG iVm § 86 ZPO eine Ordnungsstrafe in Höhe von 100 EUR. Der Vater habe vermeint, einem Mitglied des Rekurssenats unter Verwendung des "Du-Wortes" unter anderem vom "Kasperltheater" des Sachwalterschaftsverfahrens sowie von menschenrechtswidrigen "Erpressermethoden" schreiben zu müssen. Gemäß § 86 ZPO könne gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletzt, vom Gericht eine Ordnungsstrafe bis zum Höchstmaß von 1.450 EUR verhängt werden. Auch wenn es für den Vater nicht erträglich sei, dass sein Besuchsrecht bis zuletzt ausgesetzt wurde, sei dies noch lange kein Grund, die Erstrichterin oder (ehemalige) Mitglieder des Rechtsmittelsenats zu duzen und sich abfällig über die Justiz zu äußern. § 86 ZPO diene der Wahrung einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise und solle helfen, das Verfahren zu "entschärfen". Mit seinen abfälligen Äußerungen habe der Rekurswerber die dem Gericht gegenüber schuldige Achtung verletzt, weshalb eine entsprechende - der Höhe nach nicht bekämpfte - Ordnungsstrafe zu verhängen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt.

Durch die - verfassungskonforme (RIS-Justiz RS0036302) - Bestimmung des § 86 ZPO soll keineswegs sachliche Kritik verhindert, sondern jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung verletzt, sanktioniert werden (RIS-Justiz RS0036327). Die Bestimmung soll helfen, den Prozess zu entschärfen und die am Verfahren beteiligten Personen zu einem zweckgerichteten Verhalten zu veranlassen (RIS-Justiz RS0036310). Ob eine Beleidigung vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen (RIS-Justiz RS0036303; RS0036256).

Ganz zutreffend hat das Rekursgericht die von ihm aufgezeigten Passagen in der Eingabe des Vaters als "beleidigende Ausfälle" iSd § 86 ZPO qualifiziert. Dem (formalen) Einwand des Revisionsrekurswerbers, bei dem dem Rekurs angeschlossenen Schreiben handle es sich um keinen Schriftsatz iSd § 86 ZPO, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil er es allein dadurch zum Bestandteil des Rechtsmittels gemacht hat, dass er einleitend darauf hinwies, auch dieses Schreiben solle der Gegenseite zur Kenntnis gebracht werden. Im Übrigen kann eine Verfahrenspartei die in § 86 ZPO vorgesehenen Rechtsfolgen selbstverständlich nicht dadurch umgehen, dass sie einen Schriftsatz verfasst und diesem ein zusätzliches Schriftstück mit beleidigenden Äußerungen anschließt. Selbstverständlich wird der Tatbestand des § 86 ZPO auch erfüllt, wenn die Partei ihr beleidigendes Verhalten nur gegen ein einzelnes Mitglied eines Rekurssenats richtet.

Stichworte