OGH 15Os155/09x

OGH15Os155/09x16.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Metzler als Schriftführerin in der Medienrechtssache der Antragsteller D***** und G***** gegen die Antragsgegnerin M*****gesellschaft mbH, wegen § 14 Mediengesetz, AZ 35 Hv 26/08k des Landesgerichts St. Pölten, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Mai 2009, AZ 17 Bs 334/08d, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, der Antragstellervertreterin Dr. Windhager und des Antragsgegnerinvertreters Mag. Suppan zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren 35 Hv 26/08k des Landesgerichts St. Pölten verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Mai 2009, AZ 17 Bs 334/08d, in der Nichtberücksichtigung des Kostenverzeichnisses der Antragsgegnerin hinsichtlich der Kosten für ihre Berufungsausführung (ON 13) beim Ausspruch über die Höhe des von den Antragstellern zu leistenden Kostenersatzes § 19 Abs 6 MedienG iVm § 54 Abs 1 ZPO.

Dem Oberlandesgericht Wien wird aufgetragen über diesen weiters geltend gemachten Kostenersatzanspruch zu entscheiden.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragsteller 1./ D*****, 2./ G***** gegen die Antragsgegnerin M*****gesellschaft mbH wegen § 14 MedienG wurde die Antragsgegnerin mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 23. Mai 2008, GZ 35 Hv 26/08k-10, zur Veröffentlichung von im Spruch wiedergegebenen Teilen der begehrten Gegendarstellung verpflichtet. Darüber hinaus wurde das Begehren auf Veröffentlichung der Gegendarstellung ebenso abgewiesen wie der Antrag auf Verhängung einer Geldbuße, „soweit er sich auf den abgewiesenen Teil der Gegendarstellung bezog". Hinsichtlich des aufgetragenen Teils der Gegendarstellung behielt das Erstgericht hingegen - unzulässigerweise (Rami in WK² MedienG § 18 Rz 5) - die Entscheidung über eine Geldbuße dem allenfalls fortgesetzten Verfahren vor.

Dieses Urteil bekämpften sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegnerin mit Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe und wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Im Rahmen der Ausführung der Berufung (ON 13) verzeichnete die Antragsgegnerin die Kosten für diesen Schriftsatz wie folgt:

Tarif: TP 4 (6) Medieng. (Bem.Gr.: 8.720,00 EUR)

Berufungsausführungen EUR 343,20

60 % Einheitssatz EUR 205,92

0 % Verbindungsgebühr EUR 0,00

10 % Streitgenossenzuschlag EUR 54,91

Erhöhungsbeitrag (ERV) EUR 0,00

Summe USt-pflichtig EUR 604,03

20 % USt. EUR 120,81

Pauschalgebühr EUR 0,00

GESAMT EUR 724,84

Zur Berufung der Antragsteller erstattete die Antragsgegnerin „Berufungsgegenausführungen" (ON 14). In diesem Schriftsatz verzeichnete sie Kosten wie folgt:

Tarif: TP 4 (Schrifts) (Bem.Gr.: 8.720,00 EUR)

Berufungsgegenausführungen EUR 343,20

60 % Einheitssatz EUR 205,92

0 % Verbindungsgebühr EUR 0,00

10 % Streitgenossenzuschlag EUR 54,91

Erhöhungsbeitrag (ERV) EUR 0,00

Summe USt-pflichtig EUR 604,03

20 % USt. EUR 120,81

Pauschalgebühr EUR 0,00

GESAMT EUR 724,84

In der am 20. Mai 2009 vor dem Oberlandesgericht Wien durchgeführten Berufungsverhandlung (ON 17) überreichte der Vertreter der Antragsgegnerin eine Kostennote folgenden Inhalts:

22. 8. 2008 Bem.grundlage (RAT/GG): 8.720,00 EUR

22. 8. 2008 Berufungsgegenausführungen

TP4 Medieng. EUR 343,20

180 % Einheitssatz EUR 617,76

10 % Streitgenossenzuschlag EUR 96,09

ERV-Erhöhungsbeitrag EUR 1,80

20. 5. 2009 Berufungsverhandlung TP 4 EUR 228,80

TP4 Medieng.

180 % Einheitssatz EUR 411,84

10 % Streitgenossenzuschlag EUR 64,06

EUR 1.763,55

Honorar: EUR 1.763,55

20 % Umsatzsteuer EUR 352,71

Rechnungsbetrag EUR 2.116,26

Mit Urteil vom 20. Mai 2009, 17 Bs 334/08d (ON 18 des Hv-Akts), gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung der Antragsgegnerin Folge, hob das Urteil im von der Antragsgegnerin angefochtenen Umfang auf und wies den Antrag auf Veröffentlichung der Gegendarstellung (auch) im Umfang der erstgerichtlichen Veröffentlichungsanordnung ebenso ab wie den Antrag auf Verhängung einer Geldbuße. Der Berufung der Antragsteller gab es nicht Folge. Unter einem verpflichtete es die Antragsteller zur Tragung der Kosten des Verfahrens erster Instanz (§ 19 Abs 3 MedienG) und des Rechtsmittelverfahrens (§ 390a Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG). Die von den Antragstellern der Antragsgegnerin zu ersetzenden Kosten des Verfahrens zweiter Instanz bestimmte das Berufungsgericht mit 1.210,22 EUR (darin enthalten 201,70 EUR USt), wobei es sich nur auf das (ersichtlich gemeint: in der Berufungsverhandlung vorgelegte) Kostenverzeichnis der Antragsgegnerin stützte, in Kürzung der dort geltend gemachten Kosten aber nur einen Einheitssatz von 60 % zuerkannte.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt, verletzt der Ausspruch, in welchem Ausmaß die Antragsteller der Antragsgegnerin Kostenersatz zu leisten haben (§ 19 Abs 6 MedienG) das Gesetz.

Im Fall des gänzlichen Obsiegens der Antragsgegnerin sind dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 19 Abs 3 MedienG). Gemäß § 19 Abs 5 MedienG haben die Parteien vor Schluss der Verhandlung nach Aufforderung des Richters Kostenverzeichnisse vorzulegen. Im Urteil ist auszusprechen, welche Partei in welchem Ausmaß einer anderen Kostenersatz zu leisten hat, wobei die ziffernmäßige Festsetzung der Kostenbeträge der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werden kann und § 54 ZPO sinngemäß anzuwenden ist (Abs 6 leg cit). Diese Bestimmungen sind im Berufungsverfahren sinngemäß anzuwenden (Abs 7 leg cit).

Gemäß § 54 Abs 1 ZPO hat die Partei, welche Kostenersatz anspricht, bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruchs das Verzeichnis der Kosten vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch unmittelbar vorangehenden Verhandlung dem Gericht zu übergeben.

Der Partei dürfen nicht mehr Kosten zugesprochen werden, als sie verzeichnet hat. Zuzusprechen sind aber nicht nur die in dem in der Haupt- bzw Berufungsverhandlung vorgelegten Kostenverzeichnis verzeichneten Kosten, sondern auch jene, die schon früher, etwa in Schriftsätzen, begehrt wurden (Rami in WK² § 19 MedienG Rz 11; Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 54 ZPO Rz 2).

Im vorliegenden Fall wäre demnach auch das dem Ersatz der auf die Berufungsausführung der Antragsgegnerin entfallenden Kosten begehrende Kostenverzeichnis der Antragsgegnerin im Schriftsatz ON 13 zu berücksichtigen gewesen, dies unabhängig davon, dass diese Kosten in dem in der Berufungsverhandlung überreichten Kostenverzeichnis in der Folge nicht neuerlich aufgelistet wurden. Das Unterbleiben dieses Zuspruchs gereicht der Antragsgegnerin, die im Medienverfahren die Position der Angeklagten inne hat, zum Nachteil, wobei fallbezogen ein Vorgehen nach § 292 letzter Satz StPO geboten ist (vgl Fabrizy, StPO10 § 292 Rz 2).

Dem Oberlandesgericht (vgl 13 Os 50/05k) war daher aufzutragen, ergänzend auch über den mit Schriftsatz ON 13 geltend gemachten Kostenersatzanspruch zu entscheiden.

Diese Durchbrechung der Rechtskraft ist auch unter dem Aspekt der im Sinn des Art 1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK geschützten Position der Antragsteller im konkreten Fall zulässig, weil der dadurch bewirkte Eingriff in die Vermögensposition der Antragsteller auf gesetzlicher Grundlage beruht, dem öffentlichen Interesse der richtigen Rechtsanwendung dient und das dazu führende Verfahren nach § 292 StPO den Antragstellern innerhalb der der Antragsgegnerin offen stehenden sechsmonatigen Frist zur Einbringung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO ohne vorangegangenes Urteil des EGMR (RIS-Justiz RS0122736) bekannt gemacht wurde. Weil die Antragsteller im Hinblick auf die bereits gesicherte Judikatur zur Weiterentwicklung des § 363a StPO innerhalb der genannten Frist grundsätzlich mit der Möglichkeit einer solchen Anfechtung im außerordentlichen Weg rechnen mussten, können sie sich nicht auf das Prinzip der Rechtssicherheit berufen (vgl dazu bereits RIS-Justiz RS0124798; s aber 13 Os 16/09s, wonach bei einer nicht von einem Antrag nach § 363a StPO begleiteten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes betreffend einen rechtskräftigen ausnahmsweise im Strafverfahren zu entscheidenden zivilrechtlichen, nicht akzessorischen Anspruch vom Ermessen im Sinn des § 292 letzter Satz StPO nicht Gebrauch gemacht werden könne).

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