Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter D***** S***** gegen den Beschluss des Erstgerichts nicht Folge. Darin waren der Mutter die Obsorge für ihre mj Tochter V***** S*****, geboren am ***** 2000, zur Gänze entzogen und dem Land Steiermark als Jugendwohlfahrtsträger übertragen sowie weiters die Anträge der Mutter abgewiesen worden, das Gericht wolle eine unverzügliche Rückführung der Minderjährigen in den Haushalt der Mutter anordnen, dem Land Steiermark die Obsorge entziehen und der Mutter rückübertragen, und die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag anweisen, allfällige Maßnahmen iSd § 1 Abs 1 Z 2 LJWG mit dem Vertreter der Mutter abzuklären. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Innerhalb der Revisionsrekursfrist beantragte die Mutter, der schon vorher mit Beschluss des Erstgerichts vom 18. 12. 2008 die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit c ZPO bewilligt worden war, zur Erhebung eines Revisionsrekurses auch die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO. Über Aufforderung des Erstgerichts legte die Mutter ein Vermögensbekenntnis vom 25. 6. 2009 vor. Das Erstgericht bewilligte daraufhin der Mutter mit Beschluss vom 1. 7. 2009 die Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a und f, Z 3 ZPO, während es den Verfahrenshilfeantrag vom 25. 6. 2009, soweit er darüber hinausging, abwies.
Noch vor Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses und vor der Benachrichtigung des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (§ 67 ZPO) gab die Mutter dem Erstgericht bekannt, dass sie die „Loge der Rechtspflege“ unter dem Vorsitz des Syndikus Mag. DDDr. Laktus Malom mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung im Ausmaß der mit Beschluss vom 1. 7. 2009 bewilligten Verfahrenshilfe beauftragt und iSd § 1 EuRAG anwaltlich mandatiert habe. In der Folge erhob die Mutter, vertreten durch Mag. DDDr. Laktus Malom, gegen die Rekursentscheidung, mit der über die Entziehung der Obsorge entschieden worden war, per Fax einen außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts dahin abzuändern, dass die Obsorge für ihre Tochter dem Land Steiermark endgültig entzogen und ihr zugesprochen werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Das Erstgericht trug daraufhin der Mutter mit Beschluss vom 7. 8. 2009 auf, binnen 14 Tagen den außerordentlichen Revisionsrekurs zu verbessern, und zwar durch Vorlage des Revisionsrekurses im Original samt eigenhändiger Rechtsanwaltsunterschrift in zweifacher Ausfertigung und durch Benennung eines beigezogenen Einvernehmensrechtsanwalts iSd § 5 Abs 1 EuRAG. Weiters wurde der Mutter aufgetragen, einen im Inland wohnhaften Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen, widrigenfalls in sinngemäßer Anwendung des § 10 ZustG weitere Zustellungen durch Hinterlegung beim Erstgericht erfolgen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter liegt mittlerweile im Original mit der Unterschrift von Mag. DDDr. Laktus Malom vor. Eine Verbesserung durch Benennung eines Einvernehmensrechtsanwalts erfolgte bisher nicht. Es wurde auch kein Zustellbevollmächtigter bekannt gegeben.
Das Erstgericht legte dem Obersten Gerichtshof den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfrüht.
Die Bewilligung der Verfahrenshilfe beruht auf der Annahme, dass die Mutter außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten (§ 63 Abs 1 ZPO). Dennoch bleibt es ihr grundsätzlich unbenommen, trotz der von ihr beantragten und vom Gericht im Rahmen der Verfahrenshilfe bewilligten vorläufig unentgeltlichen Beigebung eines Rechtsanwalts einen frei gewählten Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu betrauen (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 64 ZPO Rz 17; Zib in Fasching/Konecny² II/1 § 26 ZPO Rz 59 ff ua). Am Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0041666 [T1] ua) ändert dies freilich nichts. Solange der beigegebene Rechtsanwalt nicht enthoben wurde, handelt er wirksam als Prozessvertreter (§ 67 ZPO).
Ist der frei gewählte Rechtsanwalt ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt gelten die Bestimmungen des Europäischen Rechtsanwaltsgesetzes (EuRAG), BGBl I 2000/27. Gemäß § 5 Abs 1 EuRAG dürfen in Verfahren mit absoluter Anwaltspflicht wie im vorliegenden Fall (§ 6 Abs 1 AußStrG) - sofern nicht der Fall des § 5 Abs 3 EuRAG vorliegt, worauf sich vorliegendenfalls niemand berufen hat - dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter oder Verteidiger einer Partei nur im Einvernehmen mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln (3 Ob 162/08g; 2 Ob 256/08y ua). Gemäß § 5 Abs 2 EuRAG ist das Einvernehmen bei der ersten Verfahrenshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Dies ist hier nicht geschehen. Vor der Zurückweisung hat ein Verbesserungsversuch zu erfolgen. Dabei ist die Aufforderung zur Verbesserung an den ohne nachgewiesenen Einvernehmensrechtsanwalt einschreitenden dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt - und nicht wie hier erfolgt an die Mutter - zu richten (7 Ob 135/04k; 3 Ob 162/08g; 2 Ob 256/08y ua). Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren dem Einschreiter Mag. DDDr. Laktus Malom einen entsprechenden Verbesserungsauftrag zu erteilen haben.
Am Beschluss auf Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe hat sich durch das bloße verbesserungsbedürftige Einschreiten eines frei gewählten Rechtsanwalts der Mutter vorerst nichts geändert. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren gemäß seiner Beschlussfassung den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen haben, damit dieser einen Rechtsanwalt zum Vertreter der Mutter bestellt (§ 67 ZPO). Ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt ist nicht zum Verfahrenshilfe-Rechtsanwalt befugt (§ 13 Z 3 EuRAG). Die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO erfolgt an die Partei, nicht an den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt. Das Rechtsverhältnis zwischen der Partei und dem beigegebenen Rechtsanwalt wird primär durch die Normen des Prozessrechts einschließlich der Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung über die Verfahrenshilfevertretung geregelt (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 64 ZPO Rz 17 ua). Die Annahme, der Verfahrenshelfer würde dem dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt als Einvernehmensrechtsanwalt beigegeben, ist unbegründet.
Da der von Mag. DDDr. Laktus Malom namens der Mutter eingebrachte außerordentliche Revisionsrekurs mangels Benennung eines Einvernehmensrechtsanwalts bisher nicht wirksam erhoben wurde, ist die Einmaligkeit des Rechtsmittels durch diese Eingabe noch nicht verbraucht. Es kann daher innerhalb der Rechtsmittelfrist noch ein Rechtsmittel gegen die Rekursentscheidung - sei es durch den im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt oder durch Verbesserung des vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurses durch den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt - erhoben werden (RIS-Justiz RS0041666 [T2, T3, T51] ua). Dem Jugendwohlfahrtsträger kommt im Verfahren wegen der Übertragung der Obsorge an ihn Parteistellung zu (§ 2 Abs 1 Z 4 AußStrG; vgl Rechberger in Rechberger, AußStrG § 2 Rz 15; Fucik/Kloiber, AußStrG § 2 Rz 3; 5 Ob 278/06b ua). Er ist daher auch berechtigt, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten (§ 68 AußStrG).
Im Fall der Erfolglosigkeit der Verbesserung hat das Erstgericht gemäß § 6 Satz 3 (gegebenenfalls Satz 2) EuRAG vorzugehen (2 Ob 256/08y ua). Ein zulässiger Revisionsrekurs wird dem Obersten Gerichtshof samt Akten neuerlich zur Entscheidung vorzulegen sein.
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