OGH 3Ob162/08g

OGH3Ob162/08g3.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Franziska K*****, und Marc-André K*****, beide in Obsorge ihrer Mutter Barbara F*****, wegen Ersetzung einer Zustimmung zur Adoption der Kinder, aus Anlass des „ordentlichen Revisionsrekurses" des leiblichen Vaters Frank S*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 10. April 2008, GZ 23 R 43/08y-43, womit infolge Rekurses des Antragstellers Christian F*****, vertreten durch Dr. Ernst Summerer, Rechtsanwalt in Retz, der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 22. Jänner 2008, GZ 1 P 93/06f-34, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zur Einleitung und Durchführung eines Verbesserungsverfahrens durch Erbringung eines schriftlichen Nachweises des Einvernehmens mit einem in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) oder durch anwaltliche Fertigung des Revisionsrekurses durch einen österreichischen Rechtsanwalt zurückgestellt.

Nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens wird der Akt dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen sein.

Text

Begründung

Die beiden in den Jahren 2000 und 2001 geborenen Minderjährigen sind uneheliche Kinder der damaligen Lebensgefährten Barbara K***** und des deutschen Staatsbürgers Frank S*****. Die Kinder sind deutsche Staatsangehörige. Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft heiratete die Mutter den österreichischen Staatsangehörigen Christian F*****. Die Familie lebt in Österreich. Mit zwei Adoptionsverträgen vom 27. Juni 2006 adoptierte der Ehemann die beiden Kinder seiner Frau. Mit dem am 24. August 2006 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte der Stiefvater, die Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption einzuholen, „bzw gemäß § 181 Abs 3 ABGB die Bestätigung zu ersetzen und die Annahme an Kindesstatt pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen". Die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn trat als Vertreterin der Kinder diesem Antrag bei. Das Erstgericht ersetzte mit seinem Beschluss vom 19. Oktober 2006 die Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption. Der dagegen erhobene Rekurs des leiblichen Vaters wurde von einer aus drei Rechtsanwälten und Notaren bestehenden deutschen Rechtsanwaltskanzlei unter Vorlage einer Vollmacht vom 22. November 2006 eingebracht (ON 9). Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und hob die erstinstanzliche Entscheidung zur Verfahrensergänzung auf (ON 17).

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Vaters zur Adoption ab (ON 34). Dagegen erhob der antragstellende Stiefvater Rekurs (ON 36). Die für den leiblichen Vater einschreitende deutsche Rechtsanwaltskanzlei beantragte, den Rekurs zurückzuweisen (ON 41). Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Stiefvaters Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass die Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption ersetzt wurde. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (ON 43). Diese Entscheidung wurde am 29. Mai 2008 der deutschen Rechtsanwaltskanzlei zugestellt (ON 46).

Gegen die Rekursentscheidung richtet sich der von der deutschen Rechtsanwaltskanzlei am 11. Juni 2008 zur Post gegebene, an das Erstgericht adressierte, mit einer Zulassungsvorstellung versehene „ordentliche Revisionsrekurs" (ON 47) des leiblichen Vaters (per Fax wurde dieses Rechtsmittel auch dem Rekursgericht übermittelt: ON 48) mit dem erkennbaren Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Das Erstgericht legt den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Revisionsrekurs vor. Die Aktenvorlage ist verfrüht:

Rechtliche Beurteilung

1. Vorauszuschicken ist, dass das Rechtsmittel beim gegebenen, nicht in Geld bestehenden Streitgegenstand ein außerordentlicher Revisionsrekurs ist, bei dem ein Zwischenverfahren vor dem Rekursgericht gemäß § 63 AußStrG nicht stattzufinden hat.

2. Die Vorinstanzen haben das für den leiblichen Vater erfolgte Einschreiten der aus drei deutschen Rechtsanwälten und Notaren bestehenden Kanzleigemeinschaft unter Außerachtlassung der Bestimmungen des Europäischen Rechtsanwältegesetzes, BGBl I 2000/27 (EIRAG; nunmehr gemäß der letzten Novellierung BGBl I 2008/68 EuRIG) akzeptiert. Es muss zwar nicht die Berechtigung der einschreitenden deutschen Rechtsanwälte zur Ausübung der beruflichen Anwaltstätigkeit (in Deutschland) angezweifelt und darüber ein Nachweis verlangt werden (§ 3 leg cit). Einzuhalten sind aber jedenfalls die in den §§ 5 und 6 normierten Bestimmungen über die notwendige Befassung eines Einvernehmensrechtsanwalts. Nach § 5 Abs 1 EIRAG dürfen in Verfahren, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen oder ein Verteidiger beigezogen werden muss, dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter oder Verteidiger einer Partei nur im Einvernehmen mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle ist das Einvernehmen bei der ersten Verfahrenshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Verfahrenshandlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens im Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, gelten als nicht von einem Rechtsanwalt vorgenommen (§ 5 Abs 2 dritter Satz EIRAG). Die Herstellung und der Nachweis eines Einvernehmens sind Bedingung dafür, dass die Verfahrenshandlungen des einschreitenden ausländischen Rechtsanwalts denen eines österreichischen Rechtsanwalts gleichgestellt werden. Das Fehlen des Nachweises eines Einvernehmens ist ein der Verbesserung zugängliches Formgebrechen (10 ObS 416/01a). Im kontradiktorischen außerstreitigen Revisionsrekursverfahren und jedenfalls im Revisionsrekursverfahren in Adoptionssachen besteht Anwaltspflicht (§ 6 Abs 1 und 2 AußStrG). Wenn gemäß § 5 Abs 2 EIRAG Verfahrenshandlungen des einschreitenden ausländischen Rechtsanwalts vor Nachweis des Einvernehmens als nicht von einem Rechtsanwalt vorgenommen gelten, bedeutet dies, dass eine Verbesserung des somit nicht anwaltlich eingebrachten Revisionsrekurses durch Fertigung eines österreichischen Rechtsanwalts oder aber eben durch nachträglichen Nachweis des Einvernehmens, eine rückwirkende Sanierung also auch auf diesem Weg, möglich ist.

3. Das Erstgericht wird daher ein Verbesserungsverfahren einzuleiten haben. Der Verbesserungsauftrag wird den einschreitenden deutschen Rechtsanwälten und nicht der von ihnen vertretenen Partei zu erteilen sein. Es wurde schon ausgesprochen, dass der Nachweis der Berufsausübungsberechtigung als Rechtsanwalt (§§ 1 und 3 EIRAG) vom einschreitenden Rechtsanwalt zu verlangen ist (6 Ob 61/02t), nichts anderes kann für den Nachweis des hergestellten Einvernehmens nach § 5 EIRAG gelten, weil die Verfahrenspartei auch in diesem Fall zur Herstellung des Einvernehmens und zur Erlangung des Nachweises darüber der Mitwirkung des von ihr bevollmächtigten ausländischen Rechtsanwalts bedürfte, ein an die Partei selbst gerichteter Verbesserungsauftrag also nur zu einer unnötigen Verfahrensverzögerung führen würde. Zweckmäßiger Weise sollte dem unter Fristsetzung zu erteilenden Verbesserungsauftrag eine Rechtsbelehrung über die Pflicht zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten angeschlossen werden (§ 6 EIRAG).

4. Abschließend sei noch ergänzend darauf verwiesen, dass schon im Verfahren über den Rekurs an die zweite Instanz die Bestimmung des § 5 EIRAG nicht eingehalten worden war. In diesem Rekursverfahren herrschte relative anwaltliche Vertretungspflicht (§ 6 Abs 1 und 2 AußStrG). Auch dort war das Einschreiten der deutschen Rechtsanwälte verbesserungsbedürftig. Die Verletzung der verfahrensrechtlichen Vorschrift begründet aber bloß einen Verfahrensmangel, der nicht gerügt wurde. Es braucht daher für diesen Verfahrensabschnitt kein Verbesserungsauftrag erteilt werden.

Nach Durchführung des aufgetragenen Verbesserungsverfahrens wird das Erstgericht den Akt dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen haben.

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