OGH 1Ob224/09m

OGH1Ob224/09m15.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Margrit W*****, vertreten durch Torsten Wenzlawiak, Rechtsanwalt in Deutschland (Einvernehmensanwalt Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz), gegen die beklagte Partei DI Johann H*****, vertreten durch Mag. Arno Pajek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 169.082,68 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Mai 2009, GZ 15 R 51/09v-22, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Dezember 2008, GZ 58 Cg 267/07x-16, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte war der Ehemann der am 13. 8. 1988 verstorbenen Schwester der Klägerin. In einem 2005 eingeleiteten Verfahren begehrte die (während des Verfahrens am 7. 11. 2005 verstorbene) Mutter der Klägerin vom Beklagten Zahlungen aus dem Titel des Ausgedinges. Am 13. 11. 2006 schlossen die Verlassenschaft und der Beklagte einen gerichtlich (auch handschriftlich) protokollierten Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Zahlung von insgesamt 17.525,50 EUR verpflichtete und der nach seinem eindeutigen Wortlaut sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen der klagenden Verlassenschaft und dem Beklagten bereinigen sollte. Die Verlassenschaft war durch die Klägerin (die auch Sachwalterin ihrer Mutter gewesen war) als erbantrittserklärte Alleinerbin vertreten worden. Im Verhandlungsprotokoll wurde im Anschluss an den diktierten Vergleich noch festgehalten, dass die Klägerin und der Beklagte untereinander auf sämtliche wechselseitigen Ansprüche verzichten. Die Klägerin begehrte - gestützt auf die §§ 785, 951 ABGB - einen Schenkungspflichtteil von 169.082,68 EUR. Die Mutter der Klägerin habe ihrer zweiten Tochter (Schwester der Klägerin) 1983 eine Liegenschaft gegen Leistung eines Ausgedinges übertragen. Aufgrund des krassen Missverhältnisses zwischen dem Wert der Liegenschaft und jenem des Ausgedinges sei die Übertragung der Liegenschaft überwiegend als Schenkung zu werten. Die (am 13. 8. 1988 verstorbene) Schwester der Klägerin habe dem Beklagten, ihrem Ehemann und späteren Alleinerben, die Hälfte dieser Liegenschaft geschenkt. Ohne die pflichtteilswidrige Verfügung durch die Mutter der Klägerin wäre die Liegenschaft in deren Nachlass gefallen. Der Nachlass decke den Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht. Der 2006 geschlossene Vergleich erfasse nicht diesen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Selbst bei Wertung als Generalvergleich berechtige ein Erklärungsirrtum die Klägerin zur Anfechtung.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Bereinigungswirkung eines Generalvergleichs erfasst jedenfalls die den Parteien damals bekannten oder erkennbaren Folgen (RIS-Justiz RS0032453). Ausgenommen sind daher nur jene Ansprüche, mit deren späterem Entstehen die Parteien trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen konnten (2 Ob 262/08f). Bei der Auslegung von Vergleichen gelten die allgemeinen Regeln; Vergleiche sind im Sinn des § 914 ABGB nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen (RIS-Justiz RS0014696). Die nach den Umständen des Einzelfalls zu beantwortende (vgl RIS-Justiz RS0044358 uva) Frage der Auslegung dieses Vergleichsvertrags (§ 1380 ABGB) haben die Vorinstanzen in einer Weise beantwortet, die keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darstellt. Nach dem festgestellten Sachverhalt machte der Beklagte in der Verhandlung seine Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs mit der Verlassenschaft ausdrücklich davon abhängig, dass damit auch alle weiteren Forderungen der Klägerin erledigt seien. Da die Klägerin als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin ihrer Mutter ohnehin an den mit der Verlassenschaft geschlossenen Generalvergleich gebunden ist, wäre der im Anschluss an diesen Vergleich festgehaltene wechselseitige Verzicht zur Bereinigung der Ansprüche der Verlassenschaft gar nicht notwendig gewesen. Diese Vereinbarung hat nur dann einen Sinn, wenn sie eben nicht der Rechtsvorgängerin zustehende Ansprüche betrifft, sondern eigene Ansprüche der Klägerin. Die Voraussetzungen für den nunmehr eingeklagten Pflichtteilsergänzungsanspruch hätten der Klägerin, die als Sachwalterin die Vermögensverhältnisse ihrer Mutter kennen musste, schon vor Abschluss des Vergleichs im Jahr 2006 bewusst sein können. Da die Klägerin als Alleinerbin von Zahlungen an die Verlassenschaft, zu denen sich der Beklagte verpflichtete, profitiert hätte, zwingt auch das Argument der Revision, es handle sich bei dem „zweiten Vergleich" im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem um einen einseitigen und unzulässigen Verzicht der Klägerin, zu keiner anderen Beurteilung.

2. Ein Vergleich kann nur wegen eines Irrtums über die Vergleichsgrundlage, nicht aber über jene Umstände angefochten werden, die durch den Vergleich ja gerade bereinigt werden sollten (RIS-Justiz RS0032529; RS0032561 ua). Einen derartigen Irrtum über die Vergleichsgrundlage behauptet die Revisionswerberin inhaltlich gar nicht; sie befasst sich mit der angeblich unrichtigen Protokollierung des (nach Diktion der Klägerin) „zweiten Vergleichs", also des wechselseitigen Verzichts nur im Verhältnis zwischen der Klägerin persönlich und dem Beklagten. Die Revision geht dabei aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte