OGH 9ObA29/09v

OGH9ObA29/09v15.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten BNT/Thaur, 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 21, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. TIWAG Tiroler Wasserkraft AG, 6020 Innsbruck, Eduard Wallnöfer-Platz 2, 2. TIWAG-Netz AG, 6065 Thaur, Bert-Köllensperger-Straße 7, beide vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2008, GZ 13 Ra 70/08d-24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Mai 2008, GZ 44 Cga 1997/07x-18, über Berufung der klagenden und der erstbeklagten Partei teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie zu lauten hat:

„Es wird gegenüber der erstbeklagten Partei festgestellt, dass für die Angestellten der Montagepartien der erstbeklagten Partei im Fall einer Entfernung der Arbeitsstätte bzw des Magazins von mehr als 30 km vom Wohnort durch zwei oder mehrere aufeinander folgende Tage hindurch

1. trotz einer tatsächlichen Abwesenheitszeit von der Wohnung inklusive Pausen sowie Hin- und Rückfahrt bis zwölf Stunden der 'volle Tagsatz' des Kollektivvertrags für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu bezahlen ist, falls der Angestellte vor 12:00 Uhr an der Arbeitsstelle eingetroffen ist und frühestens am darauf folgenden Tag nach 12:00 Uhr diese verlassen hat und

2. trotz täglicher Heimfahrt das 'Nächtigungsgeld' des Kollektivvertrags für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmen für die dazwischen liegenden Nächte zu zahlen ist.

Hingegen werden das Feststellungsbegehren zu Punkt 1., soweit die Abwesenheitszeit (alternativ) vom Dienstort berechnet werden soll und das Mehrbegehren festzustellen, dass das Taggeld als Entgeltbestandteil unter Berücksichtigung der steuerfreien Teile zu zahlen ist sowie dass das Taggeld und das Nächtigungsgeld zum Inhalt des jeweiligen individuellen Arbeitsvertrags der jeweiligen Angestellten der Montageparteien geworden sind, sodass die erstbeklagte Partei verpflichtet sei, diese Gelder weiterhin als individuelle Entgeltbestandteile zu gewähren, abgewiesen.

Die auf das Berufungsverfahren entfallenden Kosten der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei werden gegeneinander aufgehoben.

Das gegen die zweitbeklagte Partei gerichtete Klagebegehren wird zur Gänze abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.844,40 EUR (darin 307,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die auf das Revisionsverfahren entfallenden Kosten der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei werden gegeneinander aufgehoben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 730,22 EUR (darin 121,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unstrittig ist, dass von dieser Feststellungsklage mehr als drei Arbeitnehmer der Erstbeklagten betroffen sind, die sie der Zweitbeklagten zur Dienstleistung (Montage) überlassen hat.

Die Gehälter einschließlich der Aufwandsentschädigungen der betroffenen Arbeitnehmer werden von der Erstbeklagten gezahlt, nachdem die Zweitbeklagte ihr die zur Berechnung der Gehälter bzw der Aufwandsentschädigungen notwendigen Daten mitgeteilt hat. Die Personalkosten werden der Erstbeklagten von der Zweitbeklagten ersetzt. Auf die Arbeitsverhältnisse kommt der Kollektivvertrag für Angestellte der Elektriziätsversorgungsunternehmen (in der Folge: Kollektivvertrag) zur Anwendung.

Beide Beklagte gehören zum selben Konzern, beide haben ihren Betriebsstandort in Tirol. Die Erstbeklagte ist unter anderem zur Ausübung des Gewerbes der Überlassung von Arbeitskräften gemäß § 97 Abs 2 Z 2 GewO 1994 (bis zur GewO-Novelle 2002 § 127 Z 19 GewO 1994) berechtigt, wobei die Überlassung von Arbeitskräften im Betrieb der Erstbeklagten eine untergeordnete Rolle spielt und außerhalb der Konzernfamilie nicht stattfindet.

Zwischen dem Betriebsrat der „LA- und EM-Montagepartien", zu denen auch die betroffenen Arbeitnehmer gehörten, und der Erstbeklagten wurde am 27. 6. 1984 eine immer noch in Kraft stehende „Reisekostenregelung für Mitarbeiter der LA- und EM-Montagepartien" abgeschlossen. Der hier maßgebende Inhalt dieser Vereinbarung lautet:

„Reisekostenregelung

Für Mitarbeiter der LA- und EM-Montagepartien

(ausgenommen EM-Werkstätte und Leitungsbaulager Ötztal)

...

1. Dienstreise

Laut den Bestimmungen der Kollektivverträge für Arbeiter und Angestellte der EVU liegt eine solche vor, wenn ein Angestellter oder Arbeiter auf Anordnung seiner vorgesetzten Dienststelle seinen Dienstort für länger als vier Stunden verlässt. Die Reise beginnt, wenn sie von der Arbeitsstätte aus angetreten wird, mit dem Verlassen der Arbeitsstätte, in allen anderen Fällen mit dem notwendigen Verlassen der Wohnung. Dasselbe gilt sinngemäß für die Beendigung der Dienstreise.

1.1 Dienstreisebegriff

Aufgrund des im gesamten Versorgungsgebiet unseres Unternehmens möglichen Arbeitseinsatzes der LA- und EM-Montagepartien gilt so wie bisher Innsbruck als Dienstort.

1.2 Zumutbarkeit der täglichen Heimkehr

Nach derzeitiger Judikatur ist es einem Mitarbeiter zumutbar, täglich von seiner Arbeitsstätte in seine Wohnung zurückzukehren, wenn die dazwischen liegende Entfernung nicht mehr als 25 km beträgt.

1.3 An- und Abreise

Aufgrund des gegebenen Arbeitseinsatzes erfolgt die An- und Abreise grundsätzlich außerhalb der Normalarbeitszeit.

...

2. Reiseaufwandsentschädigung

Entsprechend der derzeit festgestellten täglichen Arbeitszeit erhält der Mitarbeiter:

2.1 Bei einer zumutbaren täglichen Heimkehr (Entfernung Wohnung-Arbeitsstätte bzw Magazin weniger als 25 km) den entsprechenden Taggeldsatz laut der allgemein gültigen TIWAG-Reisekostenregelung (Abwesenheit vom Dienstort bzw Wohnung von mehr als 4, 8 oder 12 Stunden).

...

2.2 Bei nicht zumutbarer täglicher Heimkehr (Entfernung Wohnung-Arbeitsstätte bzw Magazin mehr als 25 km) von Montag bis Freitag fünfmal den Reisekostensatz von mehr als zwölf Stunden und viermal den Nächtigungssatz laut allgemein gültiger TIWAG-Regelung.

...

6. Wirksamkeit

Diese Regelung tritt mit 1. 7. 1984 vorläufig bis 30. 6. 1985 in Kraft und ersetzt die bisherige Reisekostenregelung laut Rundschreiben vom 9. 2. 1956.

..."

Am 12. 7. 1999 wurde zwischen der Erstbeklagten und dem Zentralbetriebsrat eine „Betriebsvereinbarung Reisekostenregelung" befristet abgeschlossen. Ihre Befristung wurde bisher 15-mal verlängert, zuletzt bis 31. 3. 2009. Der maßgebliche Inhalt dieser Vereinbarung lautet:

„Betriebsvereinbarung

Reisekostenregelung

A) Regionalstellen, ETM-NSO-Trupp bzw Mitarbeiter, deren ständiger Dienstort die Regionalstelle ist.

...

D) ETM, BÜ, Werksgruppen, MS-Service-Trupp, BT-Baustoffprüfstelle, ZLJ, ASG

...

C) Montage-Partien-Thaur (ehemalige LA- und EM-Montagepartien)

Bei einer Entfernung bis zu 3 km (Wohnung-Arbeitsstätte) können keine Reisekosten verrechnet werden.

Liegt die anzufahrende Arbeitsstätte bzw das Magazin über 3 km und bis zu 30 km von der Wohnung entfernt, so gelten die Betriebsfahrtensätze (keine Nächtigung). Bei einer Entfernung von über 30 km gelten die Reisekostensätze (Taggeld und Nächtigung).

Einziger Mittelpunkt für die Berechnung der 3 km- bzw 30 km-Grenze ist die Wohnung des Mitarbeiters.

Alle sonstigen Vereinbarungen behalten ihre Gültigkeit.

D) HVW Innsbruck bzw Thaur

..."

Die von dieser Feststellungsklage betroffenen Arbeitnehmer waren bis zum 31. 3. 2006 als Montageeinheiten in Thaur stationiert („Montagepartien-Thaur"), wobei sie Montagearbeiten auf verschiedenen Arbeitsstellen (Baustellen) erbrachten. Dabei fuhren die Arbeitnehmer regelmäßig von ihrer Wohnung mit ihren Privatfahrzeugen zu der ihnen zugewiesenen Arbeitsstelle, wobei bei der Diensteinteilung darauf geachtet wurde, dass die Arbeitnehmer, soweit möglich, jenen Baustellen zugewiesen wurden, die ihrer Wohnung am nächsten lagen. Für diese Fahrten erhielten die Arbeitnehmer dann, wenn sie zwei Tage hintereinander an einem über 30 km vom Wohnort entfernten Einsatzort arbeiteten, sowohl für die An- und Heimfahrt Reisekosten, Nächtigungsgeld und Taggeld laut Kollektivvertrag über zwölf Stunden. Dadurch, dass am Freitag bis 13:00 Uhr gearbeitet wurde und der Zwölfstundensatz jeweils ab 00:00 Uhr des jeweiligen Tages berechnet wurde, wurde auch für Freitag der gesamte Zwölfstundensatz ausbezahlt. Die Bezahlung der Nächtigungsgelder und Taggeldsätze wurde nicht daran geknüpft, ob die Arbeitnehmer tatsächlich an ihrem Einsatzort nächtigten oder täglich hin- und rückreisten.

Die Betriebsvereinbarung vom 12. 7. 1999 wurde bis Anfang 2005 folgendermaßen gehandhabt: Nur wenn ein Arbeitnehmer auswärts nächtigte und diesbezüglich einen Beleg vorwies, erfolgte anstelle des Nächtigungssatzes die Vergütung der (gemeint: tatsächlichen) Nächtigungskosten. Ab diesem Zeitpunkt wurde, wenn ein Arbeitnehmer tatsächlich auswärts nächtigte, aber diesbezüglich keinen Beleg vorlegte, dies im Arbeitsbericht vermerkt und ein steuerfreier Teil zum Nächtigungsgeld in Ansatz gebracht.

Im Rahmen einer konzerninternen Umstrukturierung wurde ab 1. 4. 2006 der Stützpunkt Thaur der Montageeinheiten aufgelassen und die Arbeitnehmer dieser Montageeinheiten jeweils als geschlossene Arbeitseinheit zu den Regionalstellen versetzt, wobei dies zu keiner Änderung der Arbeitstätigkeit führte. Bei dieser Neuzuordnung wurde darauf geachtet, dass die Regionalstelle dem Wohnort nahe ist, wobei aber nicht festgestellt werden kann, ob die Fahrzeiten sich gegenüber der früheren Situation erheblich verringerten. Im Zuge dieser Zusammenfassung der Montageeinheiten mit den Regionalstellen wollten die Beklagten in gemeinsamer Absprache auch eine Vereinheitlichung der Reisekostenregelung erreichen, weshalb ohne Beteiligung des Betriebsrats eine „Handhabung der Regelung ab 1. 4. 2006" bestimmt wurde, mit folgendem hier relevantem Inhalt:

„Handhabung der Regelung ab 1. 4. 2006

...

Reisekostenregelung

In Anlehnung an die in den bisherigen Netzleistungen seit langem gehandhabte Anwendung der Reisekostenregelung bezüglich der effektiven Reisestunde bei Arbeitsbeginn auf der Baustelle ist diese in allen Teams wie folgt anzuwenden:

Innerhalb des Betriebsfahrtenbereichs

(= Stützpunktgrenzen = frühere Regionalstellengrenzen) wird bei Benützung des Dienstfahrzeugs für die Fahrt von und zur Arbeitsstätte außerhalb der Normalarbeitszeit die effektive Reisestunde nicht geschrieben.

Außerhalb des Betriebsfahrtenbereichs

(= Stützpunktgrenzen = frühere Regionalstellengrenzen) kann bei Benützung des Dienstfahrzeugs für die Fahrt von und zur Arbeitsstätte außerhalb der Normalarbeitszeit die effektive Reisestunde geschrieben werden.

Für MST wäre sinnvoll, als Grenze für Betriebsfahrten ebenfalls das Gebiet des Stützpunkts Thaur (= Bezirk Innsbruck-Land) anstelle der 30 km-Grenze zu vereinbaren.

...

Dieses Schreiben dient als Arbeitsbehelf für die Durchführung der Abrechnung. Ich ersuche um Einhaltung dieser Vorgangsweisen bis anderslautende Regelungen ergehen.

27. 4. 2006

Abteilung Montage/Service

Anton Rossetti e.h."

Diese schriftliche Richtlinie wurde von der Abteilung Montage/Service der Zweitbeklagten erstellt. Damit sollten die von der Feststellungsklage betroffenen Arbeitnehmer hinsichtlich der Reisekostenregelung den bisherigen Mitarbeitern der Regionalstellen, die zahlenmäßig überlegen sind, gleichgestellt werden. In der Praxis führte dies dazu, dass seit 1. 4. 2006 Montagearbeiter nicht mehr mit dem Privat-Pkw zur jeweiligen Baustelle fahren dürfen, Reisekosten nicht mehr ab Wohnort des Mitarbeiters gerechnet werden, sondern ab Dienststelle und die Entfernung über 30 km zur Baustelle von der Dienststelle und nicht mehr vom Wohnort gerechnet wird. Weder die betroffenen Arbeitnehmer noch der klagende Betriebsrat stimmten einer Änderung der Reisekostenregelung zu. Der Betriebsrat erteilte keine Zustimmung zur örtlichen Versetzung der betroffenen Arbeitnehmer.

Die Zweitbeklagte verpflichtete sich vertraglich gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern, keine Weisungen zu erteilen, die in das Rechtsverhältnis der Arbeitnehmer zur Erstbeklagten eingreifen.

Der klagende Betriebsrat begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG, gegenüber den Beklagten festzustellen, dass „für die Angestellten der Montagepartien der Beklagten im Fall einer Entfernung der Arbeitsstätte bzw des Magazins von mehr als 30 km vom Wohnort durch zwei oder mehrere aufeinanderfolgende Tage hindurch

1. trotz einer tatsächlichen Abwesenheitszeit von der Wohnung bzw dem Dienstort inklusive Pausen sowie Hin- und Rückfahrt bis zwölf Stunden der 'volle Tagsatz' des KV für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmen als Entgeltbestandteil unter Berücksichtigung der steuerfreien Teile zu bezahlen ist, falls der Angestellte vor 12:00 Uhr an der Arbeitsstelle eingetroffen ist und frühestens am darauffolgenden Tag nach 12:00 Uhr diese verlassen hat und

2. trotz täglicher Heimfahrt das 'Nächtigungsgeld' des KV für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmen für die dazwischen liegenden Nächte als Entgeltbestandteil zu zahlen ist und diese Ansprüche zum Inhalt des jeweiligen individuellen Arbeitsvertrags der jeweiligen Angestellten (Montagepartien) geworden sind, sodass die Beklagten verpflichtet sind, diese Gelder weiterhin als individuelle Entgeltbestandteile zu gewähren."

Durch die jahrzehntelange Betriebsübung seien die unter dem Etikett des „vollen Taggeldsatzes" und des „Nächtigungsgeldes" gezahlten Beträge als Entgeltbestandteile Inhalt des individuellen Arbeitsvertrags geworden und auch als solche versteuert worden. Das im Kollektivvertrag festgesetzte Taggeld sowie die Nächtigungsgelder seien gleich hoch und als reine Aufwandsentschädigung ausgestaltet.

Ab 1. 4. 2006 sei die Bezahlung mit dem Hinweis auf eine „versetzungsbedingte Änderung" eingestellt worden. Dies sei unzulässig, weil der Entgeltanspruch bereits Teil des individualrechtlichen Arbeitsvertrags geworden sei und die betroffenen Arbeitnehmer dieser Arbeitsvertragsverschlechterung nie zugestimmt haben; außerdem sei die für eine Rechtswirksamkeit einer Versetzung notwendige Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 101 ArbVG nicht eingeholt worden.

Die Zweitbeklagte hafte aufgrund ihres gemeinsamen Zusammenwirkens mit der Erstbeklagten für die Herbeiführung des rechtswidrigen Erfolgs. Abgesehen davon, treffe beide Beklagte eine Fürsorgepflicht und habe jede von ihnen auf die andere einzuwirken, dass der eingetretene rechtswidrige Erfolg der Kürzung der Ansprüche der Angestellten als Mitglieder der Montageeinheiten unterbleibe. Zudem hafte die Zweitbeklagte als funktionaler Dienstgeber sowie als Bürge gemäß § 14 AÜG.

Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Die Zweitbeklagte sei nicht Dienstgeberin der allenfalls betroffenen Dienstnehmer, sodass eine Inanspruchnahme nach den Bestimmungen des AVRAG ausscheide. Sie sei auch weder faktisch noch rechtlich in der Lage, der Erstbeklagten irgendwelche Anweisungen zu erteilen. Die Zweitbeklagte befinde sich innerhalb des Konzerns der Erstbeklagten, sodass eine „konzerninterne Überlassung" vorliege, auf die das AÜG nicht anzuwenden sei. Der Regelungsinhalt der Betriebsvereinbarung sei eine Aufwandsentschädigung; Rechtsgrundlage hiefür seien § 97 Abs 1 Z 12 ArbVG und der Kollektivvertrag, weshalb es sich um eine echte und nicht um eine freie Betriebsvereinbarung handle. Falle die Betriebsvereinbarung weg oder treffe diese für den konkreten Bereich keine Regelung, fehle daher die rechtliche Basis für allfällige Ansprüche. Eine Nachfolgeregelung sei in Verhandlung, wobei ausdrücklich vereinbart worden sei, dass auf Basis der Nachfolgeregelung alle Ansprüche der Betroffenen aufgerollt und vollständige Nachzahlungen erfolgen werden, wenn sich solche ergeben.

Die Nachfolgeregelung sei deshalb notwendig, weil die Montagepartien Thaur wegen Organisationsanpassungen ab 1. 4. 2006 aufgelöst worden sei und die ehemals dieser Montagepartien zugehörigen Mitarbeiter anderen Montageteams zugeordnet worden seien. Damit sei auch Punkt C der Betriebsvereinbarung vom 12. 7. 1999 nicht mehr wirksam. Außerdem sei die „Handhabung der Regelung ab 1. 4. 2006" für die betroffenen Arbeitnehmer günstiger.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren hinsichtlich der Erstbeklagten zur Gänze statt und wies es hinsichtlich der Zweitbeklagten ab. Rechtlich ging es davon aus, dass der Ersatz für Zeiten, die der Arbeitnehmer für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstelle aufwenden müsse, als Entgelt und nicht als Aufwandsentschädigung zu werten sei. Dies treffe auch auf Nächtigungsgelder zu, die unabhängig von der tatsächlichen Nächtigung ausbezahlt werden. Da Betriebsvereinbarungen nicht in Angelegenheiten des Entgelts, sondern nur zur Regelung von Aufwandsentschädigungen abgeschlossen werden könnten, seien die in der Klage angesprochenen Reisekostenregelungen als freie Betriebsvereinbarungen anzusehen. Auch diese könnten nicht einseitig von den Beklagten abgeändert werden, sondern seien mittels Feststellungsklage durchsetzbar. Der Feststellungsanspruch des Klägers richte sich aber nur gegen die Erstbeklagte, weil die Zweitbeklagte für die ihr zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer nur eine „Art Pacht" bezahle, die Finanzhoheit aber bei der Erstbeklagten verbleibe.

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten nicht, hingegen jener des Klägers Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es dem Feststellungsbegehren auch hinsichtlich der Zweitbeklagten stattgab.

Es bejahte das besondere Feststellungsinteresse des Klägers nach § 54 Abs 1 ASGG und zog die rechtliche Schlussfolgerung, dass nach den gesetzlichen Grundlagen (insbesondere § 1153 zweiter Satz ABGB) und der dazu ergangenen Judikatur die Tages- und Nächtigungsgebühren der vom Kläger hier vertretenen Monteure Entgelt für Arbeitszeit darstellten und der Anspruch darauf durch betriebliche Übung schlüssig zum Bestandteil der jeweiligen Arbeitsverträge geworden sei. Die Klagestattgebung bezüglich der Zweitbeklagten begründete es damit, dass § 14 AÜG zur Anwendung gelange und überdies die Zweitbeklagte, die im Zusammenwirken mit der Erstbeklagten die Reisekostenregelung vom 1. 4. 2006 geschaffen habe, als „Mitschuldnerin hafte". Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage der Haftung der Zweitbeklagten eine erhebliche Rechtsfrage darstelle, zu der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Beklagten wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im gänzlich klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Erstbeklagten ist teilweise, jene der Zweitbeklagten zur Gänze berechtigt.

Weder die geltend gemachte Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung, noch eine Aktenwidrigkeit oder Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen vor (§ 510 Abs 3 ZPO), allerdings erweist sich die Rechtsrüge im Ergebnis als beachtlich.

I. Zur Revision der Zweitbeklagten:

Aus Anlass der zulässigen Rechtsrüge der Zweitbeklagten ist das gegen sie gerichtete Klagebegehren aus folgenden Überlegungen abzuweisen:

Gemäß § 54 Abs 1 ASGG können in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie der jeweilige Arbeitgeber auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebs oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden.

Der Wirkungsbereich des Betriebsrats ist beschränkt auf den Betrieb, für den er gewählt wurde. In Angelegenheiten einer Arbeitskräfteüberlassung fallen Feststellungsklagen, welche die aufrecht bleibenden arbeitsvertraglichen Beziehungen der überlassenen Arbeitnehmer zum Überlasser betreffen, in den Wirkungsbereich des Betriebsrats des Überlasserbetriebs; Feststellungsklagen, welche die unmittelbaren Rechtsbeziehungen überlassener Arbeitnehmer zum Beschäftiger betreffen, sind vom Betriebsrat des Beschäftigerbetriebs einzubringen (Kuderna, ASGG² § 54 Anm 4). Eipeltauer („Personalleasing": Feststellungsklage des Betriebsrates des Beschäftigerbetriebes gegen den Überlasser gemäß § 54 Abs 1 ASGG?, wbl 1989, 325) hat zwar die Meinung vertreten, dass dann, wenn im Überlasserbetrieb kein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat des Beschäftigerbetriebs zur Klage gegen den Überlasser legitimiert sei (zust Kuderna aaO). Abgesehen davon, dass hier die umgekehrte Konstellation zu beurteilen ist, ist der Senat der Ansicht, dass das die Betriebsebene betreffende besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Intention des Gesetzgebers auf der Ebene des betroffenen Betriebs, also zwischen dem „jeweiligen Arbeitgeber" und dem ihm gegenüberstehenden Organ der Arbeitnehmerschaft stattzufinden hat, das für diesen Betrieb gewählt wurde. Damit kommt aber eine Klageführung des Betriebsrats des Überlasserbetriebs gegen den Beschäftiger nicht in Betracht, sodass - ohne dass auf die Argumente der Zweitbeklagten einzugehen wäre - schon aus diesem Grund in Stattgebung der Revision das gegen die Zweitbeklagte gerichtete Klagebegehren abzuweisen ist.

II. Zur Revision der Erstbeklagten:

II.1. Die Aktivlegitimation des klagenden Betriebsrats ist im Verfahren unstrittig geblieben. Auch die Tatsache, dass im Überlasserbetrieb die betrieblichen und dementsprechend auch die belegschaftsrechtlichen Strukturen unverändert geblieben sind, wurde von den Beklagten nicht in Frage gestellt.

II.2. Zum Einwand der Erstbeklagten, dem Kläger fehle es am Feststellungsinteresse:

Die Erstbeklagte verweist in diesem Zusammenhang auf ihr Vorbringen, dass es sich bei der „Handhabung der Regelung ab 1. 4. 2006" aufgrund geänderter Verhältnisse um eine vorübergehende Handhabung bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung handle und die Erstbeklagte ohnedies eine Aufrollung aller Ansprüche auf der Basis der neuen Regelung zugesichert habe. Warum dieses Vorbringen das Feststellungsinteresse des Klägers in Frage stellen soll, ist nicht ersichtlich. Entscheidend ist, dass der Kläger geltend macht, dass die von ihm behaupteten Ansprüche der von der Klage betroffenen Arbeitnehmer nicht erfüllt werden. Damit liegt sein Feststellungsinteresse auf der Hand. Dass die Erstbeklagte eine neue Regelung des Fragenkomplexes anstrebt - wobei naturgemäß nicht feststeht, ob bzw mit welchem Inhalt eine neue Regelung vereinbart werden kann - ist für das Feststellungsinteresse des Klägers völlig irrelevant.

II.3. Im Übrigen ist es erforderlich, die hier maßgebenden Rechtsquellen im Einzelnen zu analysieren:

II.3.1. Im Kollektivvertrag, auf den der Kläger (neben den Betriebsvereinbarungen aus 1984 und aus 1999) Bezug nimmt, finden sich die maßgebenden Bestimmungen in § 23 („Reisekostenregelung"). Diese Bestimmung hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:

„(1) Begriff der Dienstreise bzw Betriebsfahrt

Eine verrechnungsfähige Dienstreise bzw Betriebsfahrt liegt vor, wenn ein Angestellter auf Anordnung seiner vorgesetzten Stelle seinen Dienstort auf länger als vier Stunden verlässt. Als Dienstort gilt das Gemeindegebiet des Ortes, in dem die ständige Arbeitsstätte liegt. Bei Änderungen des Gemeindegebietes nach dem 1. Jänner 1970 sind mit dem Betriebsrat über den Begriff Dienstort innerbetriebliche Regelungen zu treffen. Eine Betriebsfahrt liegt vor, wenn ein Angestellter ständig wiederkehrende Fahrten oder Wege in Erfüllung seiner Dienstleistung innerhalb der in seinem Unternehmen bestehenden, abgegrenzten oder zwischen Leitung des Unternehmens und Betriebsrat einvernehmlich abzugrenzenden Betriebs- oder Baubereiche durchzuführen hat.

(2) Bemessung der Reisedauer

Die Reise beginnt, wenn sie von der Arbeitsstätte aus angetreten wird, mit dem Verlassen der Arbeitsstätte, in allen anderen Fällen mit dem notwendigen Verlassen der Wohnung. Das gleiche gilt sinngemäß für die Beendigung der Reise.

...

(4) Reiseaufwandsentschädigung

Für die Bestreitung des mit einer Dienstreise bzw Betriebsfahrt verbundenen persönlichen Mehraufwandes erhält der Angestellte für jeden vollen Kalendertag (00:00 Uhr bis 24:00 Uhr) die volle Reiseaufwandsentschädigung. Sie besteht aus dem Taggeld und dem Übernachtungsgeld.

Das Taggeld dient zur Deckung der Mehrausgaben für Verpflegung sowie aller mit der Reise verbundenen persönlichen Aufwendungen einschließlich der Trinkgelder für persönliche Bedienung.

Das Übernachtungsgeld dient zur Deckung der Unterkunftszahlung bzw bei angeordneten Fahrten während der Nacht für den anfallenden Mehraufwand. Unvermeidliche Mehrauslagen für Übernachtung werden gegen Vorlage der Quartiersrechnung gesondert vergütet.

...

(5) Reiseaufwandsentschädigungssätze

a) Das Taggeld beträgt mindestens 48,74 EUR

das Übernachtungsgeld mindestens 25,92 EUR

zusammen 74,66 EUR

b) Für Betriebsfahrten bleiben die jeweils hiefür geltenden Regelungen aufrecht; dort, wo solche nicht bestehen, können sie neu geschaffen werden. Die Vergütung für Betriebsfahrten darf jedoch bei einer Abwesenheit

von mehr als zwölf Stunden mindestens 36,45 EUR

und für auswärtige Nächtigung mindestens 17,11 EUR

pro Nacht nicht unterschreiten.

...

d) Bei Dienstreisen oder Betriebsfahrten, die keinen vollen Kalendertag beanspruchen, sowie für den Tag des Antrittes und der Beendigung einer mehrtägigen Dienstreise oder Betriebsfahrt beträgt das Taggeld Bruchteile des vorgesehenen Satzes entsprechend der Reisedauer an dem betreffenden Tag, und zwar gebührt bei einer Abwesenheit

von 0 bis 4 Stunden 0

über 4 Stunden halber Taggeldsatz

über 8 Stunden dreiviertel Taggeldsatz

über 12 Stunden der volle Taggeldsatz.

..."

Aus dieser Bestimmung ergibt sich somit, dass der Kollektivvertrag für eine verrechnungsfähige Dienstreise voraussetzt, dass der Dienstort länger als vier Stunden verlassen wird. Schon der Kollektivvertrag legt aber fest, dass die Reise - wird sie von der Arbeitsstätte aus angetreten - mit dem Verlassen der Arbeitsstätte, in allen anderen Fällen mit dem notwendigen Verlassen der Wohnung beginnt. Dies gilt sinngemäß auch für die Beendigung der Reise. Ebenfalls ergibt sich bereits aus dem Kollektivvertrag, dass bei einer dienstlich bedingten Abwesenheit von mehr als zwölf Stunden der volle Taggeldsatz gebührt.

II.3.2. Die bereits oben wiedergegebene Betriebsvereinbarung „Reisekostenregelung" aus dem Jahr 1984 (in der Folge: BV 1984) ist nach den insoweit von den Parteien nicht in Frage gestellten Ausführungen des Erstgerichts nach wie vor in Kraft. Ihr Punkt 1. übernimmt den im Kollektivvertrag geregelten Begriff der Dienstreise und auch die kollektivvertragliche Anordnung, dass die Dienstreise - je nachdem, von wo sie angetreten wird - mit dem Verlassen der Arbeitsstätte, gegebenenfalls aber auch mit dem Verlassen der Wohnung beginnt. Als Dienstort der Montagepartien wird „wie bisher" Innsbruck vereinbart. Die BV 1984 sieht nun ausdrücklich vor, dass bei nicht zumutbarer Heimkehr (damals über 25 km) von Montag bis Freitag fünfmal der Reisekostensatz über zwölf Stunden und viermal der Nächtigungssatz zu bezahlen ist, ohne auf das Erfordernis einer tatsächlichen Nächtigung abzustellen.

II.3.3. Die Betriebsvereinbarung Reisekostenregelung aus dem Jahr 1999 (in der Folge: BV 1999) wurde zwischen der Erstbeklagten und dem Zentralbetriebsrat abgeschlossen. Da alle Beteiligten von ihrem wirksamen Zustandekommen ausgehen, ist zu unterstellen, dass die Zuständigkeit des Zentralbetriebsrats zum Abschluss dieser Vereinbarung aufgrund einer entsprechenden Kompetenzübertragung iSd § 114 ArbVG gegeben war.

Den Feststellungen ist auch zu entnehmen, dass die nur befristet abgeschlossene Betriebsvereinbarung 15-mal, zuletzt über den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung hinaus, verlängert wurde.

Die Vergütung für Betriebsfahrten sind für Mitarbeiter, deren ständiger Dienstort die Regionalstelle ist, und (ua) für die Mitarbeiter der vom Verfahren betroffenen Montagepartien unterschiedlich, nämlich in den Punkten A 4.1. (für die Regionalstellen) und in Punkt C (für die Montagepartien Thaur) geregelt. Für die Mitarbeiter der Montagepartien wird in Punkt C der BV vereinbart, dass bei einer Entfernung bis zu 3 km (Wohnung-Arbeitsstätte) keine Reisekosten verrechnet werden können. Liegt hingegen die anzufahrende Arbeitsstelle bzw das Magazin über 3 km und bis zu 30 km von der Wohnung entfernt, so gelten die „Betriebsfahrtensätze" (keine Nächtigung). Bei einer Entfernung von über 30 km gelten die Reisekostensätze (Taggeld und Nächtigung). Überdies ist festgelegt, dass einziger Mittelpunkt für die Berechnung der 3 km- bzw der 30 km-Grenze die Wohnung des Mitarbeiters ist.

Schließlich ist in Punkt C der BV 1999 auch festgehalten, dass „alle sonstigen Vereinbarungen ... ihre Gültigkeit" behalten.

Eine ausdrückliche Regelung, wonach trotz Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt die „Reisekostensätze" nur bei nachgewiesener tatsächlicher Nächtigung am Arbeitsort zustehen sollen, lässt sich auch dieser Vereinbarung nicht entnehmen.

II.4. Die BV 1984 und 1999 wurden noch vor der Ausgliederung der Zweitbeklagten im Betrieb der Erstbeklagten abgeschlossen. Grundsätzlich finden beim Überlasser abgeschlossene Betriebsvereinbarungen - jedenfalls dann, wenn im Beschäftigerbetrieb keine konkurrierende Betriebsvereinbarung besteht - auf die Ansprüche der überlassenen Arbeitnehmer gegen den Überlasser Anwendung.

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die vorerwähnten Betriebsvereinbarungen so gehandhabt wurden, dass dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zwei Tage hintereinander an einem über 30 km vom Wohnort entfernten Einsatzort arbeiteten und sie vor 12:00 Uhr an der Arbeitsstelle eingetroffen sind und frühestens am darauffolgenden Tag nach 12:00 Uhr diese verlassen haben (unabhängig von einer tatsächlichen Nächtigung) volles Taggeld und Nächtigungsgeld erhalten haben. Ein Anspruch auf volles Tag- und Nächtigungsgeld unter den im Spruch formulierten Voraussetzungen lässt sich daher bereits aus den angeführten Betriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Kollektivvertrag begründen.

Der Einwand, dass die Betriebsparteien mit den hier interessierenden Regelungen ihre Befugnisse überschritten haben, weil es sich bei den klagsgegenständlichen Ansprüchen nicht um Aufwandersatz - insoweit sind die Kollektivvertragsparteien nach § 97 Abs 1 Z 12 ArbVG regelungsbefugt - sondern um Entgelt handle, ist nicht berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass für die Beurteilung, ob eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers als „Entgelt" oder als „Aufwandsentschädigung" anzusehen ist, weder die Bezeichnung, noch grundsätzlich die steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ausschlaggebend ist (8 ObA 87/05k; 9 ObA 101/03y mwN; 9 ObA 220/02x). Entscheidend ist stets, ob die Leistung des Arbeitgebers der Abgeltung der Bereitstellung der Arbeitskraft dient (Entgelt), oder zur Abdeckung eines mit der Arbeitsleistung zusammenhängenden finanziellen Aufwands des Arbeitnehmers (Aufwandsentschädigung; 8 ObA 87/05k; RIS-Justiz RS0058528; RS0058475 ua). Der Oberste Gerichtshof hat aber auch wiederholt ausgesprochen, dass es bei pauschaler Abgeltung für die Beurteilung des Charakters als Aufwandsersatz nur darauf ankommt, ob zumindest im Durchschnitt die konkreten Ausgaben im Wesentlichen der Summe der Pauschale entsprechen bzw die Pauschale nicht unrealistisch hoch angesetzt ist (8 ObA 87/05k mwN; 9 ObA 101/03y; 9 ObA 220/02x; 9 ObA 57/00y; 9 ObA 54/90 ua). Nach § 23 Abs 4 des hier anzuwendenden Kollektivvertrags dient das Taggeld zur Deckung der Mehrausgaben für die Verpflegung sowie aller mit der Reise verbundenen persönlichen Aufwendungen einschließlich der Trinkgelder für persönliche Bedienung. Das Übernachtungsgeld dient zur Deckung der Unterkunftszahlung bzw bei angeordneten Fahrten während der Nacht für den anfallenden Mehraufwand. Berücksichtigt man, dass bei einer Entfernung zwischen Wohnung und Einsatzort von mehr als 30 km die Heimreise (unstrittig) als unzumutbar angesehen wird, kann auch der zusätzliche Mehraufwand für die dennoch durchgeführten täglichen Heimfahrten als echter Aufwand angesehen werden, der an die Stelle des Aufwands für die auswärtige Übernachtung tritt.

Sowohl die BV 1984 als auch die BV 1999 regeln die darin normierten Ansprüche auf der Grundlage des Dienstreisebegriffs des Kollektivvertrags. Dies ergibt sich im Fall der BV 1984 besonders deutlich, zumal darin in Punkt 1. der Dienstreisebegriff des Kollektivvertrags wiedergegeben ist. Aber auch die BV 1999 steht auf der Grundlage des Dienstreisebegriffs des Kollektivvertrags. Im Übrigen haben die Kollektivvertragsparteien in § 4a (Entgelt) Abs 1 des Kollektivvertrags ausdrücklich festgelegt: „Nicht zum Entgelt gehören Aufwandsentschädigungen ...; derartige Aufwandsentschädigungen ... sind insbesondere: Taggelder und Übernachtungsgelder ..." Nach der objektiv zu ermittelnden Zielrichtung der Kollektivvertragsbestimmungen (8 ObA 87/05k; vgl auch RIS-Justiz RS0008807; RS0010088 uva) dienen sowohl das Taggeld als auch das Nächtigungsgeld der Abgeltung der dem Arbeitnehmer durch die Verwendung außerhalb der ständigen Betriebsstätte entstehenden zusätzlichen Aufwendungen. Zwar hat der Arbeitgeber das Vorliegen einer Aufwandsentschädigung zu behaupten und zu beweisen (8 ObA 87/05k; 9 ObA 101/03y), wenn der Charakter der pauschalen Aufwandsentschädigung aber feststeht, liegt es am Arbeitnehmer nachzuweisen, dass die Pauschale unrealistisch hoch angesetzt wurde. Eine derartige Behauptung stellt der Kläger aber nicht auf. Er stellt vielmehr nicht in Abrede, dass das im Kollektivvertrag geregelte Taggeld und das Nächtigungsgeld als reine Aufwandsentschädigung ausgestaltet sind. Das heißt, dass der Aufwandsersatzcharakter bei tatsächlicher Nächtigung unstrittig ist, ohne dass der Kläger in irgendeiner Weise darlegt, dass die Summe der Pauschalen im Durchschnitt deutlich höher als die konkreten Aufwendungen bzw die Pauschalzahlungen unrealistisch hoch angesetzt seien. Lediglich aus dem „Entfall" eines Nächtigungsaufwands wegen täglicher Heimfahrt (trotz Unzumutbarkeit im Sinn der Betriebsvereinbarung) schließt der Kläger offenbar, dass in derartigen Fällen überhaupt kein Aufwand entstehe und daher das gesamte Taggeld und Nächtigungsgeld als „Entgelt" anzusehen seien. Dieser Argumentation kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Kollektivvertrag auch anteiliges Taggeld als echten Aufwandersatz regelt. Im Übrigen übergeht der Kläger, dass dem Arbeitnehmer dem mangels Zumutbarkeit der täglichen Heimreise das (höhere) Tag- und das Nächtigungsgeld zur Deckung des mit der auswärtigen Nächtigung verbundenen Mehraufwands zusteht, durch die - statt dessen - vorgenommene tägliche Heimfahrt auch tatsächliche Fahrtspesen erwachsen. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers die hier strittigen Tag- und Nächtigungsgelder als „Entgelt" zu bezahlen, besteht daher nicht. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht durch die festgestellte Handhabung der Verrechnung, ist doch die steuerrechtliche Behandlung der Arbeitnehmer nicht geeignet die Rechtsnatur der Leistung zu verändern.

Es erübrigt sich daher auf die Frage einzugehen, ob die rechtliche Qualifikation als Entgelt (unter Berücksichtigung der steuerfreien Teile) überhaupt feststellungsfähig ist (vgl 9 Ob 250/02h mwN).

Bei den hier strittigen „Reisekostenregelungen" handelt es sich daher um echte Betriebsvereinbarungen iSd § 97 Z 12 ArbVG, die die Grundlage für die begehrten Ansprüche allerdings als Aufwandersatz und nicht als Entgelt bilden.

II.5. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens in Punkt 1. des Spruchs, soweit die Abwesenheitszeit (alternativ) vom Dienstort zu berechnen sei, ergibt sich aus der klaren Formulierung des Abschnitts C der Betriebsvereinbarung Reisekostenregelung 1999, wonach einziger Mittelpunkt für die Berechnung der (hier relevanten) 30 km-Grenze die Wohnung des Mitarbeiters ist. Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass auch dieser Umstand nicht gegen eine Beurteilung der strittigen Ansprüche als echter Aufwandersatz spricht, weil der Aufwand für den Arbeitnehmer grundsätzlich unabhängig davon entsteht, ob die Fahrt zu einer mehr als 30 km entfernt gelegenen Arbeitsstätte von der Wohnung oder von einem (fiktiven) Dienstort angetreten wird. Die Bestimmung des Abschnitts C der BV 1999 war infolge der jeweiligen Verlängerung der Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung für die betroffenen Arbeitnehmer auch (jedenfalls) zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz in Kraft.

II.6. Die Formulierung des Klagebegehrens „... Arbeitnehmer der Beklagten" erweist sich als überschießend. Inhaltlich stellt der Kläger nämlich nur in Ansehung von Arbeitnehmern der Erstbeklagten, mögen diese auch zur Arbeitsleistung an die Zweitbeklagte überlassen worden sein, das Feststellungsbegehren. Hinsichtlich allfälliger (Stamm-)Arbeitnehmer der Zweitbeklagten würde es dem klagenden Betriebsrat ebenfalls an der aktiven Klagslegitimation mangeln.

II.7. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der geltend gemachte Anspruch der hier betroffenen Arbeitnehmer - allerdings mit den oben angeführten Einschränkungen als Aufwandersatz - gegenüber der Erstbeklagten berechtigt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich der Erstbeklagten auf § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO. Diese ist mit einem jeweils als gleichwertig anzusehenden Teil des Feststellungsbegehrens durchgedrungen bzw unterlegen. Die Aufhebung der Kosten ist daher sachgerecht. Demgegenüber hat die Zweitbeklagte zur Gänze obsiegt, sodass ihre Berufungsbeantwortung (ein Fall des § 58 ASGG liegt nicht vor) zur Gänze und die von beiden Beklagten erhobene Revision nach Kopfteilen zu honorieren war. Hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz hatte eine Kostenentscheidung zu entfallen, weil Kostenverzeichnisse nicht gelegt wurden.

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