OGH 11Os188/09w

OGH11Os188/09w2.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Dezember 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Vladimir P***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 332 HR 5/09m des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 12. Oktober 2009, AZ 19 Bs 402/09w, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Vladimir P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Anträgen der Staatsanwaltschaft vom 30. August 2009 (S 3n verso in ON 1) folgend, wurde über den aufgrund eines internationalen Haftbefehls vom 20. Juni 2006 (ON 45) am 29. Jänner 2009 in Moskau festgenommenen (ON 65) und - nach Auslieferung zur Strafverfolgung (ON 85) - am 28. August 2009 in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingelieferten (ON 90) Beschuldigten Vladimir P***** mit Beschluss des Einzelrichters vom 30. August 2009 (ON 92) wegen des Verdachts der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gemäß § 173 Abs 6 StPO die Untersuchungshaft verhängt.

Nach Durchführung einer Haftverhandlung am 14. September 2009 wurde die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO unter Bejahung der Haftgründe nach § 173 Abs 2 Z 1, 2, 3 lit a, b und c StPO mit Wirksamkeit bis 14. Oktober 2009 fortgesetzt.

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 12. Oktober 2009, AZ 19 Bs 402/09w (ON 113 in AZ 332 HR 5/09m des Landesgerichts für Strafsachen Wien) nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft bis 12. Dezember 2009 fort.

Das Oberlandesgericht Wien nahm an, dass Vladimir P***** dringend verdächtig ist, am 13. September 2005 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei anderen Mittätern (vermutlich Bojan I***** und Goran G*****) die Juwelierin Elisabeth S***** in ihrer Wohnung und ihrem Geschäft in ***** Wien durch Anwendung von Gewalt, nämlich durch Anbringen von Klebebändern im Bereich der Handgelenke, des Gesichts und des Halses sowie Verwendung eines um den Hals geschlungenen, mit Klebebändern umwickelten Handtuchs beraubt und vorsätzlich getötet zu haben, wobei das Opfer einen Erstickungstod erlitt und die Täter insgesamt 233 Schmuckstücke mit Bereicherungsvorsatz an sich brachten.

Das Oberlandesgericht Wien hat neben dem qualifizierten Verdacht der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (BS 5) auch den Haftgrund des § 173 Abs 6 StPO bejaht, schloss (unter ausdrücklicher Hervorhebung des Vorliegens auch der Haftgründe des § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, lit b und lit c StPO) jenen der Verdunkelungsgefahr (§ 173 Abs 2 Z 2 StPO) aus und erachtete die Dauer der Untersuchungshaft bis zu seiner Entscheidung (auch wenn nur der von einem bis zu zehn Jahren reichende Strafrahmen des § 142 Abs 1 StGB maßgebend wäre [BS 13]) als jedenfalls verhältnismäßig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss fristgerecht (wenn auch unter Verletzung der Bestimmung des § 3 Abs 1 letzter Satz GRBG; zu dessen [bloß] regulativer Bedeutung RIS-Justiz RS0124847) erhobenen Grundrechtsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen die Annahme der Dringlichkeit des Tatverdachts wendet, kommt keine Berechtigung zu. Der Oberste Gerichtshof ist nicht dazu aufgerufen, als weitere Haftbeschwerdeinstanz eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der angefochtenen Entscheidung zu setzen, sondern dazu, erhebliche Bedenken an den Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht und diesen betreffende Begründungsmängel sowie Rechtsfehler wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0114488, RS0121605).

Da nicht die Haft, sondern die Entscheidung über die Haft den Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde bildet, ist in diesem Verfahren nach ständiger Rechtsprechung die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nach Maßgabe der Mängel- und Tatsachenrüge im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO in Frage zu stellen (RIS-Justiz RS0114488, RS0112012, RS0110146). Indem die Grundrechtsbeschwerde unter isolierter Betrachtung einzelner Verfahrensergebnisse den die bisher vorliegenden Beweise umfassend behandelnden Erwägungen des Oberlandesgerichts zum dringenden Tatverdacht bloß eine andere Bewertung des in Rede stehenden Sachverhalts gegenüberstellt, zeigt sie weder einen Begründungsmangel (Z 5) auf, noch vermag sie beim Obersten Gerichtshof auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die Sachverhaltsannahme des Oberlandesgerichts (Z 5a) zu erwecken. Dass die Mehrzahl der Informanten, die Hinweise auf eine Täterschaft des Vladimir P***** gaben, namentlich nicht bekannt ist, hat das Oberlandesgericht ebenso berücksichtigt wie deren auch Nenad J***** belastende Angaben, die sich aber nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht zu einer die weitere Verfolgung dieses Beschuldigten erfordernden Verdachtslage verdichtet haben. Der aus dem Umstand, dass Informanten auch von früher gegen das selbe Tatopfer unternommenen Straftaten des Beschuldigten Valdimir P***** berichteten, gezogene Schluss auf ein Naheverhältnis dieser Auskunftspersonen zum Täterkreis erfolgte dem Vorbringen der Beschwerde zuwider empirisch einwandfrei. Mit dem Hinweis darauf, dass die nachgewiesenen telefonischen Kontakte zwischen dem Beschuldigten und seinen mutmaßlichen Komplizen (auch) auf deren Herkunft aus der selben Ortschaft zurückzuführen wären, wird die Beschwerde den vorgenannten Anfechtungskriterien nicht gerecht. Der Beschwerdebehauptung zuwider ist die Begründung des Oberlandesgerichts nicht in sich widersprüchlich. Ausgehend von der Aussage der Zeugin Lubica V*****, wonach ihr gesagt worden wäre, „dass Vlado irgendwo im Geschäft war, während die beiden anderen zur selben Zeit bereits in der Wohnung der Juwelierin waren", erachtete das Oberlandesgericht Wien zumindest die Verdachtslage in Richtung des § 142 Abs 1 StGB für gegeben, ohne die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin, die lediglich über ihre Wahrnehmungen betreffend ein Gespräch zwischen den Beschuldigten Vladimir P***** und seinen Komplizen berichtete, auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Insgesamt greift die Grundrechtsbeschwerde im Ergebnis nur die (vorläufige) Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts an, ohne einen Begründungsmangel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken aus den Akten abzuleiten und missachtet solcherart die oben dargelegten Anfechtungskategorien. Die vom Beschwerdegericht auf S 6 bis S 13 des Beschlusses zur Begründung des dringenden Tatverdachts ins Treffen geführten bestimmten Tatsachen lassen den daraus gezogenen Schluss auf die qualifiziert hohe Wahrscheinlichkeit einer Tatbegehung (RIS-Justiz RS0107304) als keineswegs unvertretbar erscheinen. Vladimir P***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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