Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen rechtskräftigen Freispruch (§ 336 StPO) des Angeklagten enthaltenden - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Erkan Y***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 und (richtig nur:) Abs 3 Z 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat Erkan Y***** am 23. Dezember 2008 in L*****
1./ „Alana R***** P***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihr mit einem ca 28 cm langen Springmesser mit einer ca 13 cm langen Klinge mit erheblicher Energie zwei tiefe Stichverletzungen versetzte, nämlich in den rechten oberen Brustkorbquadranten, der aus Sicht des Opfers von links oben nach rechts unten den Brustraum durchdrang, die Lungenmittel- und -unterlappen verletzte und zu einem Blut- und Luftaustritt in die rechte Brusthöhle führte, sowie in den linken Oberbauch knapp links der Mittellinie unterhalb des Rippenbogens, aus Sicht des Opfers von links nach rechts in die Leber, was zu tiefen, kräftigen Einblutungen und zu teilweisen Untergängen der Leber führte, wodurch insgesamt eine akut konkrete Lebensgefahr durch den erheblichen Blutverlust sowie durch das Kollabieren des rechten Lungenflügels durch Luftaustritt vorlag;
2./ den Eintritt in die Wohnung der Sara F***** mit Gewalt erzwungen, wobei er gegen die dort befindliche Alana R***** P***** Gewalt zu üben beabsichtigte und eine Waffe, nämlich ein Springmesser bei sich führte, indem er die Wohnungstür durch Anwendung erheblicher Körperkraft aufbrach, Alana R***** P***** in der Folge in der Wohnung zusammenschlug und ihr Fußtritte und zwei Messerstiche in den Oberkörper versetzte."
Die Geschworenen haben die Hauptfragen - mit Ausnahme der einstimmig verneinten Hauptfrage 2./ nach dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB - bejaht und die Eventualfragen (1./ bis 3./ zur Hauptfrage 1./) unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 6, 8, 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese schlägt fehl.
Die Verfahrensrüge (Z 4) beanstandet, Alana R***** P***** sei nicht zeitgerecht zur Hauptverhandlung geladen worden, verkennt dabei aber, dass gemäß § 221 Abs 2 StPO ausdrücklich nur die Verletzung der Bestimmung über die Vorbereitungsfrist für den Angeklagten und den Verteidiger unter Nichtigkeitssanktion steht, nicht aber ein Verstoß gegen die Zustellregel für Zeugen (RIS-Justiz RS0124393; Danek, WK-StPO § 221 Rz 12).
Die Behauptung des Rechtsmittelwerbers, es hätte sich „inzwischen herausgestellt", dass die Zeugin (deren Vertreter im Übrigen in der Hauptverhandlung deponiert hatte, dass sie von ihrem Recht auf Aussagebefreiung Gebrauch mache; s ON 66 S 26) zu einer Aussage bereit wäre, zeigt keinen Verfahrensfehler auf. Sie verstößt zudem gegen das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot.
Im Rahmen der gegen Schuldspruch 2./ erhobenen Fragenrüge (§ 345 Abs 1 Z 6 StPO) verweist der Nichtigkeitswerber auf sein vergebliches Begehren nach Stellung einer Eventualfrage in Richtung einer Sachbeschädigung „im Hinblick auf die Verantwortung ..., dass er bei der Gewaltübung gegen die Türe nicht beabsichtigte, danach Gewalt gegen Alana R***** P***** zu üben" und nicht „zu dem Zweck eine Waffe mitführte, um einen Widerstand ... zu überwinden und zu verhindern" (ON 66 S 49 f). Durch die vom Schwurgerichtshof bei seinem abweislichen Beschluss bezeichnete Möglichkeit für die Geschworenen, die „beabsichtigte Gewaltübung [bei Beantwortung der Hauptfrage 3./] zu streichen" (ON 66 S 50), wäre den Laienrichtern aber keine Option zur Beantwortung einer Frage in Richtung § 125 StGB offen gestanden.
Der Angeklagte übersieht dabei, dass die Vergehen des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung zueinander im Verhältnis der echten Idealkonkurrenz stehen, weil das Tatbild des § 109 Abs 1 oder Abs 3 StGB den Eintritt eines Sachschadens nicht voraussetzt (RIS-Justiz RS0090673). Die vom Beschwerdeführer eingestandene vorsätzliche Beschädigung der Türe wäre vom Schwurgerichtshof daher (ungeachtet des Unterbleibens einer expliziten Anklage in diese Richtung; RIS-Justiz RS0118085) gemäß § 312 Abs 2 StPO zum Gegenstand einer eigenen Hauptfrage zu machen gewesen (RIS-Justiz RS0100794; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 48; Fabrizy, StPO10 § 312 Rz 3), sodass im Hinblick auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen eines weiteren Vergehens die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang nicht zu seinem Vorteil ausgeführt ist.
Prozessordnungsgemäße Darstellung einer Instruktionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 1 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS-Justiz RS0119549). Der Angeklagte kritisiert unter diesem Nichtigkeitsgrund die Belehrung der Geschworenen zu der - infolge Bejahung der Hauptfrage 1./ nicht beantworteten - Eventualfrage 1./ nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB, an deren Ende (hier zusammengefasst) ausgeführt wird, dass ein Täter, der neben der Verletzungsabsicht auch bedingten Tötungsvorsatz gefasst hat, das Verbrechen des versuchten Mordes zu verantworten habe (ON 66 S 88). Indem der Nichtigkeitswerber vermeint, diese Rechtsbelehrung „vermische" die beiden Verbrechen, übergeht er die Belehrung zu den Vorsatzformen (ON 66 S 77 ff) und die Tatbestandsmerkmale beider strafbarer Handlungen (ON 66 S 81 bis 88), sodass die Überlegung, die Geschworenen könnten den Eindruck gewonnen haben, das Verbrechen nach § 87 Abs 1 und 2 StGB könne „für sich allein nicht gegeben sein", spekulativ ist, zumal im Übrigen die ins Treffen geführte Passage der Rechtsbelehrung der Abgrenzung beider Verbrechen voneinander dient und zutreffend ist.
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung solch erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).
Unter Erörterung der eigenen Verantwortung und einzelner, isoliert betrachteter Passagen in den Aussagen der Zeugen in Form abweichender Beweiswertbetrachtungen versucht der Angeklagte, die Annahme des Mordversuchs in Frage zu stellen und damit die Richtigkeit der Erwägungen der Geschworenen in Zweifel zu ziehen, unternimmt damit aber nur einen zur Darlegung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ungeeigneten Angriff auf die Lösung von Tatfragen nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch zugrunde liegenden Feststellungen vermag er damit beim Obersten Gerichtshof nicht zu wecken (RIS-Justiz RS0117446).
Im Rahmen der Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) zeigt der Angeklagte zwar zutreffend auf, dass der das Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB (wobei es sich um zwei eigenständige und einander ausschließende Deliktstypen handelt, die nicht im Verhältnis von Grunddelikt und Qualifikation zueinander stehen [vgl Bertel in WK2 § 109 Rz 34; Fabrizy, StGB9 § 109 Rz 5]) - bezeichnende Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO fehlerhaft ist, doch geht er dabei nicht vom Inhalt des allein maßgeblichen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 613) Wahrspruchs aus, wonach der Angeklagte den Eintritt in eine Wohnung mit Gewalt erzwungen hat, wobei er gegen die dort befindliche Alana R***** P***** Gewalt zu üben beabsichtigte. Dadurch hat er [„nur"] das Vergehen des Hausfriedensbruchs begangen (vgl auch den Erschwerungsgrund [US 7] des Zusammentreffens eines Verbrechens mit [nur] einem Vergehen).
Fallbezogen wurde somit nicht ein und derselbe Sachverhalt sowohl Abs 1 als auch Abs 3 des § 109 StGB unterstellt, sondern deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte ein Vergehen nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB verübt hat, sodass - ohne Nichtigkeit zu begründen (RIS-Justiz RS0109115) - ein sanktionsloser und bloß klarzustellender (Zitier-)Fehler (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 32; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 623 f) vorliegt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO) - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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