Spruch:
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 556,92 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 20 % USt 92,82 EUR) zu ersetzen.
Text
Begründung
Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte veranstalten Aus- und Fortbildungslehrgänge für Gesundheits- und Ernährungstrainer. Aufgrund einer am 27. September 2006 zwischen den Streitteilen geschlossenen Kooperationsvereinbarung übernahm die Klägerin ab 1. Oktober 2006 die alleinige Durchführung derartiger Kursveranstaltungen im Gebiet Kärnten. Für die bereits geleistete Produktentwicklung und für die Vermittlung von Teilnehmern sollte die Beklagte nach der Kooperationsvereinbarung einen Produktkostenbeitrag sowie Provisionen erhalten.
Von dieser Vereinbarung waren insbesondere zwei noch von der Beklagten geplante und angekündigte Kurse (GVT6 und EVT7) erfasst, deren weitere Betreuung und alleinige Durchführung die Klägerin übernahm. Die Beklagte verpflichtete sich, die aufgrund bereits gelegter Rechnungen für die Kurse GVT6 und EVT7 „von der V***** vereinnahmten Beträge" bzw „die bereits getätigten Zahlungen durch die Teilnehmer" vor Kursbeginn an die Klägerin zu überweisen. Der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten hatte in einzelnen Fällen Rechnungen für die genannten Kurse nicht im Namen der Beklagten, sondern der V***** S*****-GmbH bzw unter Angabe seines persönlichen Kontos ausgestellt. Die davon betroffenen Teilnehmer zahlten aus diesem Grund ihre Kursbeiträge nicht auf das Konto der Beklagten, sondern auf die Konten der S*****-GmbH bzw des Geschäftsführers ein. In der Klage wird die Zahlung der von der Beklagten für GVT6 und EVT7 vereinnahmten Kursbeiträge (einschließlich jener, die auf den Fremdkonten eingelangt waren) unter Abzug der vereinbarten Provisionen und Produktkostenbeiträge begehrt.
Die Beklagte bestritt das Bestehen eines Saldos zu ihren Lasten. Abgesehen von - im Revisionsverfahren nicht mehr relevanten - Differenzen hinsichtlich der Provisionsberechnung vertritt sie den Standpunkt, die bereits vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung bezahlten sowie die nicht der Beklagten direkt zugeflossenen Kursbeiträge seien von der Herausgabeverpflichtung nicht erfasst. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es legte die Präambel der Kooperationsvereinbarung dahin aus, dass damit sämtliche vor ihrer Unterzeichnung begründeten Forderungen zwischen den Streitteilen und dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Beklagten bereinigt wurden, weshalb alle vor dem 27. September 2006 getätigten Zahlungen nicht zu berücksichtigen seien. Die Klägerin habe nur mehr Anspruch auf die erst später an die Beklagte bzw die V***** S*****-GmbH bezahlten Kursbeiträge von 9.418,70 EUR. Davon sei die übersteigende Provisions- und Produktkostenbeitragsforderung der Beklagten abzuziehen, weshalb kein Saldo zu Gunsten der Klägerin verbleibe.
Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil in teilweiser Stattgebung der Berufung der Klägerin dahin ab, dass es die Klagsforderung mit 1.704,73 EUR als zu Recht bestehend und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend feststellte und die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von 1.704,73 EUR samt Anhang verpflichtete. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts umfasse die in der Präambel der Kooperationsvereinbarung erklärte Bereinigung bisheriger Forderungen nicht auch die Ansprüche aus Kursbeiträgen für GVT6 und EVT7, weil es für diese andernfalls keiner Sonderregelung in Punkt 4. der Vereinbarung bedurft hätte. Ein Verzicht der Klägerin auf diese Einnahmen wäre wirtschaftlich betrachtet auch nicht nachvollziehbar, weil sie im Gegenzug die bezahlte Kursleistung zu erbringen hatte.
Über Antrag der Beklagten nach § 508 Abs 1 ZPO erklärte das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung mit der Begründung für zulässig, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Auslegung der maßgeblichen Vertragsbestimmungen die Grenzen zulässiger Interpretation überschritten habe.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz nicht zulässig. Ganz allgemein bildet es keine ausreichende Begründung für einen Ausspruch nach § 508 Abs 3 ZPO über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, einen nur als möglich angesehenen Rechtsirrtum anzuführen; die bloße Vertretbarkeit auch einer anderen Lösung wirft noch keine solche Frage auf, müsste doch sonst der Oberste Gerichtshof entgegen der Intention des Gesetzes in jedem derartigen Fall eine Sachentscheidung fällen (4 Ob 271/97z; 3 Ob 224/08z ua; RIS-Justiz RS0116755; vgl auch RS0111729; Zechner in Fasching/Konecny² § 508 ZPO Rz 9 mwN).
Auch die Revision zeigt keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO normierten Bedeutung auf. Sie führt für ihren Standpunkt, sie sei nicht zur Zahlung der aus den festgestellten Gründen auf Fremdkonten geflossenen Kursbeiträge verpflichtet, das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in der Kooperationsvereinbarung an. Diese erstrecke sich daher nicht auf die Erfüllung von Verpflichtungen Dritter. Das Berufungsgericht sei zudem zu Unrecht von einer eingeschränkten Geltung der Präambel über die gänzliche Bereinigung aller vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung bestehenden finanziellen Forderungen der Vertragsteile ausgegangen. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründet die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, die Revisionszulässigkeit grundsätzlich nicht (RIS-Justiz RS0042776). Die Revision vermag auch keine unvertretbare Überschreitung des dem Berufungsgericht offen stehenden Auslegungsspielraums aufzuzeigen. Nach § 914 ABGB ist bei Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Der offensichtliche und mit dem Wortlaut insbesondere seines zweiten Absatzes übereinstimmende Sinn des Punktes 4.2. der Kooperationsvereinbarung war es, alle von den künftigen Kursteilnehmern bereits bezahlten Kursbeiträge an die Klägerin als nunmehrige Veranstalterin weiterzuleiten. Eine Einschränkung des Inhalts, dass die Beklagte tatsächlich nicht alle bezahlten Kursbeiträge selbst kassiert habe und sich die Beklagte diesbezüglich an Dritte wenden müsse, enthält die Vereinbarung nicht. Die Beklagte hat im Verfahren auch gar nicht behauptet, dass andere Institutionen oder Personen, namentlich die V***** S*****-GmbH oder ihr Geschäftsführer persönlich, zum Inkasso von Kursbeiträgen, oder umgekehrt zum Behalten von ihnen irrtümlich überwiesenen Kursgebühren berechtigt waren.
Fest steht, dass der vormalige Geschäftsführer der Beklagten und Unterzeichner der Kooperationsvereinbarung persönlich bzw als Geschäftsführer von Drittunternehmen über mehrere Konten verfügen konnte und Zahlungsflüsse darauf - mangels erkennbarer Rechtsgrundlage - willkürlich geleitet hat. Dass die Handlungen ihres Geschäftsführers allein der Sphäre der Beklagten zuzurechnen sind, bedarf keiner weiteren Erörterung. Nach dem Standpunkt eines redlichen Erklärungsempfängers war aber die Verpflichtung nach Punkt
4.2. der Kooperationsvereinbarung, alle bereits von Kursteilnehmern bezahlten Beiträge an die Klägerin zu überweisen, in keiner Weise erkennbar auf korrekt verrechnete und verbuchte Beträge eingeschränkt, sodass der Rechtsansicht des Berufungsgerichts keine vom Obersten Gerichtshof ausnahmsweise aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung zugrunde liegt.
Das Gleiche gilt auch für das Argument der Revisionswerberin, die gegenständlichen Forderungen seien von der Bereinigungserklärung der Präambel umfasst. Die Beklagte übersieht, dass die Verpflichtungen nach Punkt 4.2. der Kooperationsvereinbarung überhaupt erst durch deren Abschluss entstanden sind und daher schon begrifflich nicht unter die laut Präambel „vor Unterzeichnung" ausgeräumten und bereinigten Forderungen fallen können.
Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, die Beklagte ist daher gemäß §§ 41, 50 Abs 1 ZPO verpflichtet, ihr die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
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