OGH 15Os130/09w

OGH15Os130/09w14.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gheorghe U***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Cristina-Liliana B***** sowie über die Berufungen der Angeklagten Gheorghe U***** und Shkumbin O***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 4. Juni 2009, GZ 29 Hv 70/09a-175, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zur Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Umfang der Anfechtung zu B./1./ zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu B./2./ sowie im die Angeklagte Cristina-Liliana B***** betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer weiteren Nichtigkeitsbeschwerde und mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihr fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Gheorghe U***** und Shkumbin O***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Angeklagten Gheorghe U***** und Shkumbin O***** enthält, wurde Cristina-Liliana B***** zu B./1./ des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB und zu B./2./ des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt. Danach hat sie in Salzburg

B./1./ in den Tagen vor dem 11. Juli 2008 Gheorghe U***** dazu bestimmt, dass er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Shkumbin O***** am 11. Juli 2008 durch die Vorgabe, sie seien Kriminalbeamte, sich Eintritt in die Wohnung der Ranislava I***** erschlichen, dieser den Mund zugehalten, sie mit Körpergewalt gezwungen hat, sich auf ihr Bett zu setzen, ihr ein Schlafmittel eingeflößt und ihre Wohnung anschließend nach Geld und Wertgegenständen durchsucht und ihr sohin mit Gewalt gegen eine Person insgesamt 58.000 Euro Bargeld, Euromünzen im Wert von zumindest 2.000 Euro sowie sieben Ringe, zwei Armreifen und zwei Halsketten im Wert von 2.000 Euro mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie ihn zur Tatbegehung aufforderte,

B./2./ am 6. September 2008 Waren im Gesamtwert von 90,35 Euro Verfügungsberechtigten der B*****-Filiale E***** mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B*****. Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert zu B./1./ die Abweisung des zum Beweis dafür gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen Pavel R*****, dass dessen Mutter in Rumänien einen Kredit aufgenommen habe (ON 174, S 52), scheitert aber bereits daran, dass im Antrag keine Umstände dargelegt wurden, aus denen abzuleiten wäre, inwieweit dieser Umstand für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sei (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Weil nichtigkeitsbegründend iSd Z 4 nur der Umgang mit in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen ist, ein bloß schriftlich gestellter Antrag hingegen - daher auch dessen „Aufrechterhalten" anstelle neuerlicher Antragstellung in der Hauptverhandlung - in diesem Sinn unbeachtlich ist (vgl Danek, WK-StPO § 238 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310), hatte das im Schriftsatz des Verteidigers (ON 176) - auf den sich die Beschwerde ebenfalls bezieht - darüber hinausgehend genannte Beweisthema (wonach die Kreditsumme von 4.000 Euro der Drittangeklagten zugute gekommen sei, die damit diverse Zahlungen getätigt habe) bei der Prüfung außer Betracht zu bleiben.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieben die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu B./1./ nicht unbegründet (s US 8, 15). Der Beschwerdebehauptung, die vom Schöffengericht gezogenen Schlüsse seien nicht zwingend, steht entgegen, dass das Gericht berechtigt ist (§ 258 Abs 2 StPO), aus einzelnen Verfahrensergebnissen nicht nur „zwingende" Schlüsse, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen, die, wenn sie logisch, somit vertretbar sind, als Ergebnis freier richterlicher Beweiswürdigung mit Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbar sind (RIS-Justiz RS0098362, RS0098471). Die - als fehlend monierten - „Förderungshandlungen" der Drittangeklagten sind in US 8 beschrieben. Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer vernommenen Person aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588). Mit der Behauptung, die Feststellungen über die Tathandlungen der Drittangeklagten ließen sich nicht aus der Verantwortung des Erstangeklagten ableiten, wird keine Aktenwidrigkeit iSd Z 5 letzter Fall dargetan. Aktenwidrig ist ein Urteil nämlich nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467), nicht aber, wenn aus einer Aussage andere Schlüsse gezogen worden sind, als es die Beschwerde begehrt. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang nur Teile der Verantwortung des Erstangeklagten in der Hauptverhandlung zitiert, lässt sie im Übrigen die auf dessen - die Drittangeklagte belastende - polizeiliche Angaben (ON 129, S 7) gestützten Urteilsausführungen (US 7) unberücksichtigt. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu B./1./ ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil sie unter Vernachlässigung der die Beschwerdeführerin betreffenden Urteilsfeststellungen (US 8 oben) behauptet, die getroffenen Konstatierungen würden „nicht hinreichen, eine Beitragshandlung oder gar eine Bestimmungshandlung der Drittangeklagten zu subsumieren". Infolge rechtlicher Gleichwertigkeit sämtlicher Täterschaftsformen des § 12 StGB ist es im Übrigen ohne Relevanz, ob die Beschwerdeführerin den Tatentschluss der unmittelbaren Täter geweckt (§ 12 zweiter Fall StGB) oder aber diese (nur) intellektuell unterstützt hat (§ 12 dritter Fall StGB), sodass das Fehlen von Feststellungen zu erstgenanntem Punkt hier ohne Bedeutung ist. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, ihre Rolle sei über die einer „bloßen Mitwisserin" nicht hinaus gegangen, orientiert sie sich erneut nicht an den gegenteiligen Urteilsfeststellungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu vom Verteidiger erstatteten Äußerung - im Umfang der Anfechtung zu B./1./ zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das Urteil zu B./2./ mit dem von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet ist. Denn dem Urteil sind überhaupt keine Feststellungen zu dieser Tat zu entnehmen, sodass die vorgenommene rechtliche Beurteilung jeder tatsächlichen Grundlage entbehrt.

Das Urteil war daher im Schuldspruch zu B./2./ wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB wie auch im die Drittangeklagte betreffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen.

Mit ihrer Diversionsrüge (Z 10a) zu B./2./ und mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten U***** und O***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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