Spruch:
1.) Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2.) Der Antrag der klagenden und gefährdeten Partei, die Rechtssache nach Art 234 EG dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende und gefährdete Partei (Klägerin), ein im Allgäu in Deutschland ansässiges Transportunternehmen, das auch Abfalltransporte zwischen Deutschland und Italien durchführt, begehrte in ihrer auf Amts- bzw Staatshaftung gestützten Klage Schadenersatz und Feststellung der Haftung für künftige Schäden als Folge der als gemeinschaftsrechtswidrig gewerteten Verordnung des Landeshauptmanns von Tirol vom 17. 12. 2007, LGBl 2007/92 (sektorales Fahrverbot auf der Inntalautobahn). Gleichzeitig mit der gegen das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts erhobenen Berufung beantragte die Klägerin am 8. 1. 2009 (ON 7) die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die der Beklagten bzw dem Landeshauptmann von Tirol als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung auftragen sollte, das sektorale Fahrverbot gemäß der Verordnung des Landeshauptmanns von Tirol vom 16. 12. 2008, LGBl 2008/84, gegenüber der Klägerin auszusetzen.
Das Erstgericht wies diesen Sicherungsantrag ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, weil die beantragte Provisorialmaßnahme keinesfalls zur Sicherung des erhobenen Hauptanspruchs dienen könne.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Klägerin ist der Ansicht, bei Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht seien Ansprüche auf Erlassung einstweiliger Verfügungen nach autonom auszulegendem Gemeinschaftsrecht - und nicht ausschließlich nach nationalem Recht - zu beurteilen. Aus diesem Grund beantragt sie, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu stellen. Zur Frage nach der Anwendung innerstaatlichen Rechts hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits in seiner Entscheidung vom 13. 3. 2007, Unibet gegen Justitiekanslern, C-432/05 , eindeutig Stellung genommen: Danach bestimmt sich nach der nationalen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen vorläufige Maßnahmen zum Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährt werden können, soferne das nationale Recht die Erlassung vorläufiger Maßnahmen zulässt, um die vor dem innerstaatlichen Gericht geltend gemachten Ansprüche zu sichern, und die im nationalen Recht festgelegten Kriterien nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die für entsprechende innerstaatliche Klagen und die Ausübung der in der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Zur Sicherung der vom Kläger behaupteten (zukünftigen) Schadenersatzansprüche sieht die österreichische Rechtsordnung grundsätzlich die Möglichkeit vor, derartige Ansprüche durch Erlassung einstweiliger Verfügungen zu sichern, und zwar auch hinsichtlich des aus zukünftigen Leistungsansprüchen (Umsatzrückgänge bzw Beeinträchtigung der Marktposition) abgeleiteten Feststellungsbegehrens (RIS-Justiz RS0011598). Auch die Klägerin stützt den Sicherungsantrag ausdrücklich auf die Bestimmungen der österreichischen Exekutionsordnung. Entsprechend den in der zitierten Entscheidung des EuGH genannten Kriterien haben die Vorinstanzen den Sicherungsantrag nach österreichischem Recht beurteilt. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur hat sich der mit einer während eines Rechtsstreits zu erlassenden einstweiligen Verfügung zu sichernde Anspruch im Rahmen des mit der Klage erhobenen Anspruchs zu halten (RIS-Justiz RS0004815; RS0004886). Das Sicherungsbegehren darf daher weder das Hauptbegehren quantitativ überschreiten, noch qualitativ einen anderen Anspruch darstellen als das Klagebegehren (RIS-Justiz RS0121475). Die Klägerin selbst steht in ihrem Revisionsrekurs auf dem Standpunkt, entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sei die Voraussetzung der Identität zwischen Hauptanspruch und zu sicherndem Anspruch verwirklicht, und nimmt einen innerhalb des anhängigen Verfahrens erhobenen Sicherungsantrag an. Anspruchsbegründender Sachverhalt ist aber nach dem Klagsvorbringen ein am 17. 12. 2007 verordnetes sektorales Fahrverbot, das aufgrund der Verordnung vom 16. 12. 2008 für die von der Klägerin genannte, von ihr ausschließlich befahrene (vgl den vorbereitenden Schriftsatz vom 29. 10. 2008, ON 4 [S 4 unten] = AS
31) Transitroute (Inntalautobahn: Teilstück Zirl-Innsbruck, danach Brenner Autobahn) zum Zeitpunkt der Antragstellung (8. 1. 2009) nicht mehr galt. In ihrem Sicherungsantrag behauptete die Klägerin einen (zukünftigen) Schaden durch das mit der Verordnung vom 16. 12. 2008 angeordnete Fahrverbot auf einer anderen Teilstrecke zwischen Kufstein und Ampass und damit sowohl ein anderes haftungsbegründendes Verhalten als auch eine andere Transitroute. Die Auffassung des Rekursgerichts zur fehlenden Identität zwischen Hauptanspruch und zu sicherndem Anspruch stellt bei dieser Situation keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.
Da die Klägerin nicht berechtigt ist, die Einholung einer Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof zu beantragen, ist ihr Antrag zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0053805 [T12]). Der entsprechenden „Anregung" war aus den oben angeführten Gründen nicht zu entsprechen.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 510 Abs 3, 528a ZPO).
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