Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die beklagte Partei hatte einen Generalunternehmer mit der Errichtung eines Kraftwerks beauftragt. Dieser hatte mit Baugrundverbesserungsarbeiten auf dem Betriebsgelände eine Baugesellschaft mbH beauftragt, die wiederum den Auftrag an die K***** GmbH (in der Folge K. GmbH) weitergab. Die Nebenintervenientin (NI) hatte für die beklagte Partei das für die Anlage vorgesehene Gelände nach Kriegsrelikten untersucht. Am 7. Oktober 2004 führten zwei Mitarbeiter der K. GmbH dort mit einer Rüttelraupe Bodenverdichtungsmaßnahmen durch. Die Explosion einer im Erdreich vorhandenen Fliegerbombe verletzte diese beiden schwer und verursachte erheblichen Sachschaden an den am Ort befindlichen Gerätschaften. Das klagende Versicherungsunternehmen zahlte aufgrund des mit der K. GmbH bestehenden Versicherungsverhältnisses 267.193
EUR.
Im Jahr 2001 hatte die beklagte Partei die NI im Zusammenhang mit geplanten Erneuerungsmaßnahmen bei einem Fernheizkraftwerk mit der Auswertung historischer Lichtbilder zur Festlegung einer allfälligen Kampfmittelkontamination (Fliegerbomben, Blindgänger) im Bereich jener Grundflächen, auf denen die Erneuerungsmaßnahmen vorgenommen werden sollten. Daraus ergaben sich 129 Bombentrichter und sechzehn Bombenvermutungspunkte. Die NI stufte das Untersuchungsgebiet als vermutlich mäßig bis stark belastet ein und erteilte keine generelle Freigabe. Mitte bis Ende 2003 schrieb die beklagte Partei eine Biomasseanlage im Rahmen dieses Kraftwerks aus. Das zu errichtende Gebäude berührte die Positionen der Bombenvermutungspunkte 1, 12 sowie 9 und 10. Nach Sondierung bis zu einer Tiefe von 8 m bescheinigte die NI eine Kampfmittelfreiheit hinsichtlich dieser vier Punkte. Den Vertretern der K. GmbH wurde die Freigabe des Geländes für Grabungsarbeiten mitgeteilt. Für die Errichtung einer etwa 18 m² großen Bodenplatte mussten Bodenverdichtungsmaßnahmen durchgeführt werden. Diese erfolgten in Form einer Rüttelstopfverdichtung an fix vorgegebenen Verdichtungspunkten mit einer Rütteltragraupe, mit der Schotter eingebracht wurde, der anschließend verdichtet wurde. Den Mitarbeitern der K. GmbH war nicht bekannt, dass nur die Bombenvermutungspunkte 1, 12 sowie 9 und 10 untersucht und darüber hinaus keine Untersuchungen vorgenommen worden waren. Bei den Verdichtungsmaßnahmen im Bereich des (Vermessungs-)Verdichtungspunkts 15 explodierte die in einer Tiefe von etwa 6 m positionierte Fliegerbombe. Dort war die von der NI vorgeschlagene Bohrlochsondierung nicht durchführbar gewesen. Das Detonationszentrum lag 3,2 m außerhalb der von der NI untersuchten Verdachtsfläche 12. Nach der Luftbildauswertung war dieses Gebiet stark bis sehr stark bombardiert worden. Der Anteil nicht detonierter Bomben liegt grundsätzlich bei etwa 10 %, kann aber 20 % erreichen. Die Anzahl der Blindgänger ergibt für den gegenständlichen Fall 14, im ungünstigsten
32. Die Luftbildauswertung der NI war im Hinblick auf die Rüttelstopfverdichtung nicht ausreichend. Eine gefahrlose Durchführung dieser Bodenverdichtungsmaßnahmen ist nur bei flächendeckender Tiefensondierung gewährleistet.
Nach der Ausschreibung der beklagten Partei war die vom Bieter vorgesehene Art der Bodenverbesserung (zB Rüttelverdichtung, Bodenaustausch ...) so detailliert anzugeben, dass eine eindeutige technische Beurteilung durch die Auftraggeber möglich wurde. Wählte der Bieter den Bodentausch, so trug er auch das Risiko vorhandener Kontaminationen sowie der erforderlichen Nachweise. Das Baugrundrisiko in Bezug auf Kontamination bis UK (= Unterkante) Fundament trug die Muttergesellschaft der beklagten Partei. Mit Kontamination war das Versetztsein des Erdreichs mit Öl, chemischen Stoffen oder Schutt gemeint.
Das Erstgericht beurteilte den Werkvertrag der beklagten Partei mit dem Generalunternehmer als solchen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, in concreto auch zugunsten der Leute der K. GmbH. Aufgrund dieses Vertrags, nach dem eine „Bombenverseuchung" nicht unter Kontamination falle, verbleibe der beklagten Partei das Baugrundrisiko. Diese wäre verpflichtet gewesen, vorab zu klären, welche Formen der Bodenuntersuchung für die möglichen nachfolgenden Bodenverbesserungsarbeiten erforderlich waren. Die Intensität der Untersuchung (Tiefensondierung nur an vier Punkten) sei bezogen auf die gewählte Rüttelstopfverdichtung nicht ausreichend gewesen; diese Form der Verbesserungsarbeiten habe die beklagte Partei nicht ausgeschlossen. Sie habe daher gegen ihre vertragliche Nebenpflicht verstoßen.
Das Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, erachtete insbesondere das eingeholte Sachverständigengutachten als schlüssig und beurteilte die übernommenen Feststellungen des Erstgerichts im wesentlichen dahin, das vollflächige Sondierungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären. Von dem in der Ausschreibung verwendeten Begriff Kontamination seien Bombenblindgänger nicht umfasst gewesen.
Strittig ist in dritter Instanz noch das Ausmaß der Pflicht zur Bodenuntersuchung der beklagten Partei als Werkbestellerin. Dazu hatte diese im zweiten Rechtsgang vorgebracht, die von ihr durchgeführte Untersuchung entspreche dem deutschen und umso mehr (!) dem österreichischen Stand der Technik.
Rechtliche Beurteilung
Das für die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision erforderliche Vorliegen erheblicher Rechtsfragen vermag aber die beklagte Partei nicht aufzuzeigen.
Diese traf als Nebenverpflichtung aus dem Werkvertrag mit dem Generalunternehmer eine Fürsorgepflicht nach § 1169 iVm § 1157 ABGB, die primär den Schutz des Lebens und die Gesundheit des Unternehmers und seiner Leute, deren er sich bei der Werkherstellung bedient, betrifft (2 Ob 162/08z ua; RIS-Justiz RS0021827 [T16]). Sie umfasst aber auch Sachschäden (RIS-Justiz RS0021602; RS0021591; Rebhahn in Schwimann³ § 1169 Rz 5). Die Fürsorgepflicht bezieht sich insbesondere auf die Sicherheit der Arbeitsstätte, die auch eine Baustelle sein kann (3 Ob 44/07b = DRdA 2008/50, 521 [Albert] = ecolex 2007/356, 852; 6 Ob 30/01g; RIS-Justiz RS0021480 [T4]). Zu diesen Schutz- und Sorgfaltspflichten gehört die Warnpflicht und Informationspflicht des Bestellers über gefährliche Umstände (6 Ob 242/03m mwN = RIS-Justiz RS0021602 [T7]), soferne mögliche Gefahrenquellen nicht überhaupt beseitigt werden können (M. Bydlinski in KBB² § 1169 Rz 1). Der Umfang dieser nebenvertraglichen Warn- und Sicherungspflichten richtet sich danach, wie weit sich der Unternehmer in einen der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich begibt, in dem er gefährdet ist. Eine Fürsorgepflicht des Bestellers fällt dann vollständig weg, wenn das Werk allein in der Sphäre des Unternehmers herzustellen ist und von Seiten des Bestellers keine Gefahr ausgeht (M. Bydlinski aaO).
Auch die beklagte Partei macht (mit Recht) nicht geltend, Verwaltungsvorschriften (einzelner) deutscher Bundesländer hätten in Österreich Gesetzeskraft (arg „heranzuziehen"). Beim Stand der Technik (iSd des Vorbringens der beklagten Partei in erster Instanz) handelt es sich um Fachwissen, über das der „Durchschnittsfachmann" auf dem betreffenden Gebiet verfügt, also in erster Linie um eine Tatfrage (4 Ob 34/92 = ÖBl 1992, 100). Dazu gibt es die konkrete Feststellung, dass die von der beklagten Partei durchgeführte Untersuchung im Hinblick auf die Rüttelstopfverdichtung nicht ausreichend war und eine gefahrlose Durchführung dieser Bodenverdichtungsmaßnahmen nur bei flächendeckender Tiefensondierung gewährleistet ist. Die Frage, ob - nicht einmal miteinander übereinstimmende - deutsche Nomen für Österreich „heranzuziehen" sein könnten, stellt sich damit auf der vom Obersten Gerichtshof zu prüfenden Ebene der rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) nicht mehr. Soweit behauptet wird, es seien die vier von der NI „festgelegten" Verdachtspunkte ohnehin untersucht worden, geht die beklagte Partei insoweit nicht von den Feststellungen aus, als (durchaus im Einklang mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen AS 50 und dem der NI AS 30) nur feststeht, dass die beklagte Partei die NI mit der Sondierung der Verdachtspunkte 1, 9, 10 und 12 beauftragt hatte. In der außerordentlichen Revision geht sie auch auf die Ansicht des Berufungsgerichts nicht ein, wonach die vorgenommene Sondierung zumindest einer der deutschen Vorschriften ohnehin nicht entsprochen habe. Die generelle Frage nach der Bedeutung solcher ausländischer Normen (für den Umfang erforderlicher Sicherungsmaßnahmen) stellt sich somit konkret gar nicht. Soweit die beklagte Partei eine unvertretbare Vertragsauslegung im Einzelfall zum Begriff der „Kontamination" geltend macht, ist ihr zu erwidern, dass davon angesichts der den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, bindenden Feststellung keine Rede sein, wonach darunter - zwischen den Vertragspartnern - (nur) das Vorhandensein von Öl, chemischen Stoffen oder Schutt gemeint war. Der Versuch diese Feststellung auf die bloß subjektive eigene Sicht zu beschränken, scheiterte in zweiter Instanz endgültig. Es entspräche im Übrigen auch dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht, unter Kontaminierung - was gemeinhin als Verunreinigung oder Verseuchung verstanden wird - das Vorhandensein nicht detonierter Fliegerbomben [aus dem Zweiten Weltkrieg] zu verstehen. Belege für das Gegenteil vermag die beklagte Partei nicht anzubieten. Angesichts des Wissens der beklagten Partei um die geplante Bodenverdichtung vor dem Unfall und um die mangelnde Sondenuntersuchung an der Unfallstelle begegnet die Annahme eines Verstoßes gegen die werkvertraglichen Schutzpflichten im Einzelfall keinen Bedenken. Auch sonst werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgeworfen.
Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)