OGH 6Ob30/01g

OGH6Ob30/01g15.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann N*****, Kranführer, ***** vertreten durch Dr. Nikolaus Schirnhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Thomas Menschhorn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 97.600 S und Feststellung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2000, GZ 34 R 249/00w-27, womit über die Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. November 1999, GZ 32 C 1709/98g-23, abgeändert und das Klagebegehren abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 8.112 S (darin 1.352 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das beklagte Bauunternehmen hatte im Jahr 1996 für eine neue Straßentrassierung eine Brücke herzustellen. Die Baustelle befand sich abseits des öffentlichen Verkehrs und war über einen im öffentlichen Gut einer Gemeinde stehenden Feldweg zu erreichen, der von Mitarbeitern der Beklagten mit einer 10 bis 15 cm hohen Schotterschicht versehen worden war. Der Feldweg wurde als Zufahrt zur Baustelle benützt. Die Beklagte stand mit dem Unternehmen, bei dem der Kläger als Kranfahrer beschäftigt war, in regelmäßiger Geschäftsbeziehung und hatte schon mehrfach Kräne zur Durchführung von Bauarbeiten angefordert gehabt. Im September 1996 erteilte die Beklagte dem Unternehmen den Auftrag zur Bereitstellung eines Krans für den Brückenbau. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Auftragnehmerin wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, für eine gute befahrbare Zufahrt zur Einsatzstelle zu sorgen. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hätten die Benützung sämtlicher Baustraßen sowie alle Transporte auf eigene Gefahr der Auftragnehmerin zu erfolgen gehabt. Bei dem beigestellten Kran handelt es sich um eine 12,86 m lange, 2,7 m breite und 4 m hohe Arbeitsmaschine mit einem Gesamtgewicht von 44 Tonnen. Ihre Einzelbereifung bewirkte einen hohen Flächendruck auf den Untergrund. Bevor der Kran zur Baustelle gefahren wurde, hatte ein technischer Angestellter der Auftragnehmerin den Schotterweg zur Baustelle abgefahren und besichtigt. Durch die bloße Besichtigung war allerdings die Festigkeit des Weges und die Art des Unterbaues nicht feststellbar. Nach der Besichtigung wurde dem Kläger der Auftrag erteilt, mit dem Kran zur Baustelle zu fahren. Die Hinfahrt am 12. 9. 1996 auf dem 3,5 m breiten Weg verlief ohne Zwischenfall. Der Kläger verrichtete die Bauarbeiten. Bei der Rückfahrt brach ein Teil des Schotterwegs weg, der Kran kippte und stürzte über eine Böschung. Der Kläger erlitt eine Verletzung an der Stirn. Bei der Ausheilung entstand eine Narbe.

Der Kläger begehrt Schmerzengeld, Verdienstentgang und die Kosten einer beabsichtigten kosmetischen Operation, zusammen 97.000 S sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die Spätfolgen des Unfalls. Die Beklagte habe mit dem Dienstgeber des Klägers vereinbart, dass mit dem angeforderten Kran auf der Brückenbaustelle Arbeiten durchgeführt werden. Es sei vereinbart worden, dass die Beklagte für eine gefahrlose Zufahrt sorge. Die Böschung des unbefestigten, von der Beklagten errichteten Schotterwegs sei beim Befahren des Wegs mit dem Kran abgebrochen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Unfall sei auf einen Fahrfehler des Klägers zurückzuführen sei. Die Beklagte sei nicht Wegehalterin. Durch die Aufbringung von Schottermaterial sei keine zusätzliche Gefahr geschaffen worden. Eine Vereinbarung, dass die Beklagte für eine gefahrlose Zufahrt zu sorgen habe, sei nicht getroffen worden. Den Dienstgeber des Klägers treffe das alleinige Verschulden, weil er den Weg besichtigt und dann den Fahrauftrag erteilt habe.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil (richtig: Teil-Zwischenurteil) die Haftung der Beklagten für die aus dem Unfall vom 12. 9. 1996 dem Kläger entstandenen Schäden dem Grunde nach als zu Recht bestehend fest. Über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es im Wesentlichen noch fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass bei der Auftragserteilung über die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesprochen worden sei. Dem Kläger sei schriftlich der Auftrag erteilt worden, über den Weg zur Baustelle zu fahren. Ein Fahrfehler des Klägers sei nicht die Ursache des Unfalls gewesen. Der Unfall wäre nur zu vermeiden gewesen, wenn der Kläger die Fahrbahn überhaupt nicht befahren hätte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und ihrer Auftragnehmerin inhaltlich ausschlössen und nicht vereinbart gewesen seien. Die Beklagte hafte auf Grund ihrer Eigenschaft als Halterin des Weges. Wegehalter sei derjenige, dem die Verfügungsmacht über den Weg zustehe und der die Kosten für die Errichtung und Erhaltung des Weges trage. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten den Weg als Zufahrt zur Baustelle verwendet und mit Schotter aufgeschüttet, um ihn zu befestigen. Die Beklagte habe dazu beigetragen, den Weg zu erhalten. Es treffe sie die Haftung gemäß § 1319a ABGB. Das Nichtkontrollieren des Weges hinsichtlich der Tauglichkeit des Befahrens mit einer 44 Tonnen schweren Arbeitsmaschine sei als grob fahrlässig zu beurteilen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren insgesamt ab. Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass sich der Kläger zumindest erkennbar auf die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB zwar berufen habe, die Haltereigenschaft aber gar nicht geprüft werden müsse, weil er nicht behauptet habe, dass die Beklagte den Mangel des Weges vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hätte. Eine Haftung käme nur bei grober Fahrlässigkeit in Frage. Eine solche sei aber hier zu verneinen. Es komme auf die Zumutbarkeit der unterlassenen Maßnahme an. Dabei sei auch der erforderliche Kostenaufwand zu berücksichtigen. Der Eintritt des Schadens müsse für den Wegehalter erkennbar sein. Es müssten konkrete Anhaltspunkte vorgelegen sein, dass die Festigkeit der Weganlage für schwere LKWs nicht ausreiche. In diese Richtung habe der Kläger keine ausreichenden Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Anders als bei LKWs, Sattelzügen oder LKW-Zügen sei bei dem Kranfahrzeug wegen der Einzelbereifung ein besonders hoher Flächendruck ausgeübt worden.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch über Antrag der Beklagten ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass das Zwischenurteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes unzulässig.

Der Kläger verfolgt im Revisionsverfahren die vom Berufungsgericht verneinte Haftung des Wegehalters nicht mehr weiter und stützt seine Ansprüche auch nicht auf die behauptete, von den Vorinstanzen aber verneinte Vereinbarung, wonach die Beklagte die gefahrlose Zufahrt zur Baustelle zu besorgen gehabt hätte. Der Revisionswerber releviert vielmehr erstmalig eine Haftung der Beklagten wegen der Verletzung einer werkvertraglichen Nebenverpflichtung, nämlich der Fürsorgepflicht des Bestellers. Eine Fürsorgeverletzung hätte - entsprechendes Parteivorbringen vorausgesetzt - unter Umständen eine taugliche Anspruchsgrundlage darstellen können:

Die Regelung des § 1157 ABGB über die Fürsorgepflicht des Dienstgebers gegenüber seinem Dienstnehmer ist gemäß § 1169 ABGB - mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen - auf den Werkvertrag anzuwenden. Dem Dienstgeber entspricht beim Werkvertrag der Besteller (JBl 1978, 479; SZ 49/15; SZ 62/70; Rebhahn in Schwimann ABGB2 Rz 1 zu § 1169). Die Fürsorgepflicht betrifft primär den Schutz des Lebens und die Gesundheit des Unternehmers (2 Ob 2363/96f; Rebhahn aaO Rz 4; Krejci in Rummel ABGB3 Rz 6 zu § 1169) und auch seiner Dienstnehmer, deren er sich bei der Werkherstellung bedient (ArbSlg 8972; JBl 1991, 453; Rebhahn aaO). Die Fürsorgepflicht bezieht sich auf die Arbeitsstätte (§ 1157 ABGB: "Beigestellte Räume und Gerätschaften"), die auch eine Baustelle sein kann (ArbSlg 8972). Die Schutz- und Sorgfaltspflichten umfassen auch die Warnpflicht (Rebhahn aaO Rz 8) und Informationspflicht des Bestellers über gefährliche Umstände (1 Ob 39/89). Für den Unternehmer unschwer erkennbare Gefahren bilden allerdings die Grenze der Fürsorgepflicht des Bestellers. Der Unternehmer muss sich vor Beginn seiner Tätigkeit über die Sicherheitsvorkehrungen überzeugen und den Besteller zu Sicherungsmaßnahmen veranlassen (2 Ob 2363/96f mwN; SZ 49/15; JBl 1966, 206; Rebhahn aaO).

Nach diesen Grundsätzen wäre eine Haftung der Beklagten zwar allenfalls denkbar, der Kläger hat sich jedoch weder im Verfahren erster Instanz noch im Berufungsverfahren auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Bestellers berufen, sondern ausschließlich die schon erwähnte Wegehalterhaftung und eine ausdrücklich oder durch Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen herbeigeführte vertragliche Haftungsübernahme durch die Beklagte geltend gemacht. Beide Haftungsgrundlagen liegen im Revisionsverfahren unbekämpft nicht vor. Das Parteivorbringen des Klägers im Verfahren erster Instanz enthielt nicht einmal den notwendigen Inhalt, um die Anforderung des Krans mit einem Kranfahrer zweifelsfrei als Werkvertrag qualifizieren zu können. Genauso gut oder sogar wahrscheinlicher ist das Parteivorbringen in Richtung einer bloßen Gerätemiete verbunden mit einer Arbeitskräfteüberlassung zu deuten (vgl dazu Krejci in Rummel, ABGB3 Rz 96 zu § 1151, Rz 33 und 133 zu §§ 1165, 1166 mwN). Eine solche Deutung entspräche auch den Ergebnissen des Beweisverfahrens (etwa einer Zeugenaussage, wonach sich die Arbeitgeberin des Klägers mit dem "Verleih von Sonderfahrzeugen" befasst). Für das Erstgericht bestand keine Veranlassung, das Parteivorbringen des Klägers in Richtung eines nicht geltend gemachten Rechtsgrundes ergänzen zu lassen, hatte sich doch der Kläger nur auf Rechtsgründe gestützt, für die die Qualifikation des Auftrags zur "Bereitstellung eines Krans" ohne Bedeutung war. Wenn der Kläger erstmalig im Revisionsverfahren von einem Werkvertrag und einer Verletzung der Nebenverpflichtung des Bestellers ausgeht, verstößt dies gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Der Kläger hätte einen Sachverhalt über das Vorliegen eines Werkvertrages und die für eine Informationspflicht des Bestellers maßgeblichen Umstände vorzutragen und auch zu beweisen gehabt. Die Bejahung des Neuerungsverbotes ist keine für den Kläger überraschende Rechtsansicht, die zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Verfahrensergänzung führen müsste, sondern die Folge des selbst als überraschend zu qualifizierenden neuen Revisionsvorbringens über eine bisher nicht geltend gemachte Haftungsgrundlage. Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen des Neuerungsverbotes in diesem Belang nicht weiter zu überprüfen ist, liegen keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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