OGH 10ObS33/09i

OGH10ObS33/09i21.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Waltraud F*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich- Hillegeist-Straße 1, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 2008, GZ 7 Rs 165/08y-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Juli 2008, GZ 25 Cgs 126/08p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der auf Gewährung einer Witwenpension in gesetzlicher Höhe gerichteten Klage. Es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Berücksichtigung eines Pflegegeldanspruches (als „Einkommen" gemäß § 264 Abs 5 Z 2 ASVG) bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlagen nach § 264 Abs 3 und 4 ASVG (für die Witwen[Witwer-]pension) fehle.

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig.

Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656; 10 ObS 12/09a).

Gemäß § 258 Abs 1 ASVG hat die Witwe (der Witwer) nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf Witwen(Witwer-)pension. Die Rechtslage betreffend die Berechnung der Höhe des Pensionsanspruchs hat sich mehrfach geändert (10 ObS 18/09h; 10 ObS 41/06m). Nach § 264 Abs 5 Z 2 ASVG (idF des SVÄG 2006, BGBl I 2006/130), auf den sich die Revisionswerberin - allein - beruft, gelten als Einkommen im Sinn der Abs 3 und 4:

„2. wiederkehrende Geldleistungen

a) aus der gesetzlichen Sozialversicherung (mit Ausnahme eines Kinderzuschusses und eines besonderen Steigerungsbetrages nach § 248) und aus der Arbeitslosenversicherung, sowie nach den Bestimmungen über die Arbeitsmarktförderung und die Sonderunterstützung oder

b) auf Grund gleichwertiger landesgesetzlicher oder bundesgesetzlicher Regelungen der Unfallfürsorge (mit Ausnahme des Kinderzuschusses)."

In dieser Bestimmung geht es - wie erst jüngst ausgesprochen wurde (10 ObS 18/09h) - zB um Pensionen bzw um Renten aus der Unfallversicherung, sowie um wiederkehrende Geldleistungen nach dem AlVG (zB Arbeitslosengeld), dem AMFG oder dem SUG sowie aufgrund gleichwertiger landes- oder bundesgesetzlicher Regelungen der Unfallfürsorge. Es liegt auf der Hand, dass all diese Leistungen - wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat - „Einkommensbestandteile bzw Einkommenssurrogate" sind, also jeweils mit dem Zweck erbracht werden, fehlendes bzw reduziertes Einkommen des Versicherten zu ersetzen.

Demgegenüber hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrags den Mehraufwand an Betreuung und Hilfe pauschaliert abzudecken, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie ihre Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben führen zu können (§ 1 BPGG; siehe auch Art 2 Abs 1 der Pflege-Vereinbarung Bund - Länder, BGBl 1993/866 zitiert in: 10 ObS 121/07b = SSV-NF 21/85). Es dient also nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung (eben) nicht der Verbesserung der Einkommenssituation des Pflegebedürftigen, sondern stellt eine zweckgebundene Leistung zur pauschalierten Abgeltung von Mehraufwendungen für eine behinderungsbedingte Pflege dar (RIS-Justiz RS0106555; Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld2 Rz 11 mwN; Tomandl in Tomandl, System des österr. SV-Rechts, 11. Erg-Lfg, 2.3.3.2.3.4, 341; Neumayr in Schwimann VII³ § 332 ASVG Rz 48).

Wie der Senat bereits ausführte (10 Ob 121/07b = SSV-NF 21/85), bezweckt das Pflegegeld also keine Erhöhung des Einkommens des Betroffenen, sondern soll ausschließlich dazu beitragen, Pflegeleistungen „einkaufen" zu können und es den Betroffenen ermöglichen, sich die erforderlichen Pflegemaßnahmen selbst zu organisieren, was - nach der Absicht des Gesetzgebers - in erster Linie bedeutet, dass die Wahlmöglichkeit zwischen häuslicher Betreuung und Pflege in stationären Einrichtungen erweitert werden soll.

Entgegen dem Standpunkt der Klägerin stellt das Pflegegeld somit - unzweifelhaft - kein Einkommen im Sinn einer Leistung „im Falle einer körperlichen Schädigung des Versicherten aus der Unfallversicherung" (S 3 der Revision) dar, das als wiederkehrende Geldleistung aus der gesetzlichen Sozialversicherung gemäß § 264 Abs 5 Z 2a ASVG bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nach § 264 Abs 2 und 3 ASVG berücksichtigt werden müsste. Der - dieser Auffassung widersprechende - Zweck des Pflegegeldes („in Form eines Beitrags pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten") ergibt sich schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Daher liegt insoweit keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor. Aber auch die Bezugnahme auf eine „europarechtliche Auslegung des Pflegegeldes" (als Geldleistung der Krankenversicherung) kann insoweit nicht erfolgreich sein; kommt doch der Frage, welchem Zweig der Sozialversicherung der im BPGG allein gewährte pauschale Aufwandersatz zuzuordnen ist, keine Bedeutung zu, weil in diesem Zusammenhang lediglich die - unstrittig fehlende - Einkommensersatzfunktion des Pflegegeldes maßgebend ist.

Die Revision der Klägerin ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen (vgl 10 ObS 12/09a).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.

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