OGH 5Ob76/09a

OGH5Ob76/09a12.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Eigentümergemeinschaft *****, und sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft ***** 1. Mag. Peter S*****, teilweise vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit einer Verwalterkündigung (§ 52 Abs 1 Z 8 WEG), infolge des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Oktober 2008, GZ 39 R 274/08w-16, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 18. Februar 2008, GZ 25 Msch 10/07i-2, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist die Verwalterin der Liegenschaft ***** in *****, die im Mit- und Wohnungseigentum der unter 1. bis 38. bezeichneten Verfahrensbeteiligten steht.

Am 20. 9. 2007 langte bei der Antragstellerin ein mit 19. 9. 2007 datiertes Kündigungsschreiben ein.

Mit der Behauptung, die ordentliche Verwalterkündigung beruhe nicht auf einem wirksamen Mehrheitsbeschluss der Mit- und Wohnungseigentümer, begehrt die Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit der zum 31. 12. 2007 ausgesprochenen Verwalterkündigung.

Der verfahrenseinleitende Antrag wurde am 22. 10. 2007 eingebracht.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Eine ordentliche Verwalterkündigung bilde eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung und bedürfe zufolge § 24 WEG eines entsprechenden Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft. Dem Verwalter müsse die Kündigung nur formlos zur Kenntnis gebracht werden und sei mit Zugang an ihn wirksam.

Gemäß § 24 WEG komme dem Verwalter selbst bei Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft keine Parteistellung und kein Recht zur Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft gemäß § 24 Abs 6 WEG zu. Er könne jedoch nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung begehren, in welchem Fall als Vorfrage zu prüfen sei, ob ein rechtswirksamer Beschluss über die Verwalterkündigung zustandegekommen sei. Weder in § 21 WEG noch in § 52 Abs 1 Z 8 WEG sei eine Frist normiert, innerhalb derer ein Verwalter die Feststellung der Unwirksamkeit geltend machen müsse. Diesbezüglich bestehe nach Ansicht des Erstgerichts eine planwidrige Lücke, die durch Analogie zu schließen sei. Ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Verwalterkündigung könne keinesfalls unbegrenzt möglich sein, da ansonsten niemals geklärt wäre, ob nun eine wirksame Kündigung des Verwalters erfolgt sei oder nicht. Nicht einmal der Verwalter selbst wüsste, ob ihn noch die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Verwaltungsvertrag treffen.

Weil für die Wohnungseigentümer zur Anfechtung eines Mehrheitsbeschlusses über Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung - wie hier der ordentlichen Verwalterkündigung - gesetzlich eine Frist von einem Monat vorgesehen sei, erscheine es angemessen, eine solche Frist auch für die Anfechtung der Verwalterkündigung durch den Verwalter selbst zu bemessen. Weil er an der Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht beteiligt sei, könne es für den Beginn der Frist nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Beschlussfassung ankommen, sondern auf die Zustellung der Aufkündigung an ihn. Im vorliegenden Verfahren stehe fest, dass der Antragstellerin die Kündigung am 20. 9. 2007 zugegangen sei, der Antrag nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG jedoch erst am 22. 10. 2007 eingebracht worden sei. Weil es sich bei der Anfechtungsfrist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handle, sei das Begehren abzuweisen.

Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

In Anbetracht dessen, dass die Feststellung der (Un-)Wirksamkeit einer Verwalterkündigung nicht nur vom Verwalter selbst, sondern auch von der Eigentümergemeinschaft begehrt werden könne, könnten die Wohnungseigentümer selbst bei Bedarf eine rasche Klärung der Situation herbeiführen. Es hänge also keineswegs nur vom Verwalter ab, ob und wann die Feststellung der Rechts(un-)wirksamkeit einer Verwalterkündigung durch Einleitung eines Verfahrens nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG begehrt werde. Damit bestehe aber kein Bedarf nach einer Befristung der Antragstellung für den Verwalter. Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen einer Gesetzeslücke, die durch Analogie zu schließen sei. Der verfahrenseinleitende Antrag sei nicht verfristet. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über den Antrag zu entscheiden haben.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil die Frage einer Befristung eines Antrags nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG nicht geklärt sei.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses, in eventu wird die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags begehrt.

Die Antragstellerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

§ 24 WEG regelt in Abs 1 bis Abs 4 die Willensbildung der Eigentümergemeinschaft, in Abs 5 die Form der Mitteilung des Ergebnisses von Beschlüssen und in Abs 6 die mit einem Monat befristete Anfechtungsmöglichkeit durch jeden einzelnen Wohnungseigentümer. Auf die Anfechtungsmöglichkeit im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung, die § 29 WEG regelt, muss, weil die ordentliche Verwalterkündigung nach ständiger Rechtsprechung eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung ist (vgl 5 Ob 116/06d = immolex 2007/25, 54; 5 Ob 2382/96x = MietSlg 49/53; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188; 5 Ob 277/05d = wobl 2006/129; 5 Ob 18/07v ua), nicht eingegangen werden. Auch dass dem Verwalter im Willensbildungsprozess der Wohnungseigentümer keine Parteistellung zukommt und daher auch keine Legitimation, die Aufhebung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft durchzusetzen (§ 52 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 6 WEG), entspricht ständiger Rechtsprechung (5 Ob 116/06d = immolex 2007/25; 5 Ob 172/05p = wobl 2006/43; 5 Ob 146/01h = MietSlg 53/26; RIS-Justiz RS0110769).

Durch den Akt der Willensbildung innerhalb der Eigentümergemeinschaft sind die Interessen des Verwalters nicht unmittelbar betroffen (vgl RIS-Justiz RS0108767).

Der Verwalter muss aber eine nicht auf einem wirksamen Mehrheitsbeschluss beruhende Kündigung seines Verwaltungsverhältnisses (als rechtsgeschäftliche Erklärung der Eigentümergemeinschaft) nicht gegen sich gelten lassen. Eine von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer ausgesprochene Kündigung ist nur wirksam, wenn ihr eine den Anforderungen des § 24 WEG genügende Willensbildung und Beschlussfassung vorangegangen ist. Auch wenn er die Rechtsunwirksamkeit eines solchen Beschlusses nicht unmittelbar geltend machen kann, kann er solche Mängel in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG als Vorfrage für die Unwirksamkeit der gegen ihn ausgesprochenen Kündigung relevieren (vgl RIS-Justiz RS0110769; RS0108767 ua).

Dass der die Verwalterkündigung aussprechende Mehrheitsbeschluss rechtswirksam zustandekommt, setzt voraus, dass auch dem letzten Miteigentümer Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS-Justiz RS0108769) und eine Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung eingetreten ist, nachdem sie allen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist (vgl 5 Ob 64/00y = wobl 2001/10; RIS-Justiz RS0106052). Als Vorfrage im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG können derartige Mängel der Willensbildung beachtlich sein (vgl 5 Ob 172/05p = wobl 2006/43 [Call]).

Ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer ist aber jedenfalls dann rechtswirksam, wenn seine Rechtmäßigkeit im Anfechtungsverfahren evaluiert ist oder aber seine fristgerechte Anfechtung (durch die Mit- und Wohnungseigentümer) überhaupt unterbleibt (5 Ob 69/04i; 5 Ob 265/04p; 5 Ob 277/05d; 5 Ob 105/07p ua). Der Mehrheitsbeschluss ist also bei einem Unterbleiben fristgerechter Anfechtung oder ihrem rechtskräftigen Scheitern endgültig bestandkräftig (5 Ob 69/04i; 5 Ob 277/05h; 5 Ob 105/07p; H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht Rz 98 f zu § 24 WEG). Dadurch sind auch allfällige Mängel der Beschlussfassung saniert (RIS-Justiz RS0109645 [T3]; 5 Ob 265/04p; 5 Ob 277/05d; 5 Ob 105/07p; E. M. Hausmann aaO Rz 9 zu § 21 WEG).

Wirft daher der Verwalter im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG Fragen der Willensbildung als Vorfrage der Unwirksamkeit der gegen ihn gerichteten Kündigung auf, ist zu prüfen, ob nicht die behaupteten Mängel des Mehrheitsbeschlusses durch Unterlassung einer Anfechtung seitens der Wohnungseigentümer bereits saniert sind (5 Ob 261/98p). Lag hingegen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an den Verwalter kein wirksamer Mehrheitsbeschluss, also keine wirksame rechtsgeschäftliche Erklärung der Gemeinschaft vor und wurde sie auch nicht fristgerecht im Sinn des § 24 Abs 6 WEG saniert, wäre der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtete Antrag des Verwalters berechtigt.

Die von den Revisionsrekurswerbern angesprochene Gefahr einer „Konterkarierung" des § 24 Abs 6 WEG bei fehlender Fristgebundenheit eines Feststellungsantrags nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG besteht daher nicht.

Das ins Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG verwiesene Begehren ist einer Feststellungsklage vergleichbar, mit der die Unwirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Erklärung, konkret der Kündigung des Verwaltervertrags, festgestellt werden soll. Auch für eine solche Klage besteht - rechtliches Interesse vorausgesetzt - keine Befristung.

Eine Gesetzeslücke, die durch Analogie zu schließen wäre, besteht nicht. Ganz zutreffend hat schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass das Verfahren schließlich auch von der Eigentümergemeinschaft eingeleitet werden könnte, um gegenüber dem Verwalter feststellen zu lassen, dass die Kündigung wirksam erfolgte.

Damit erwies sich der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund als nicht tragfähig.

Zu Recht hat daher das Rekursgericht den erstinstanzlichen Sachbeschluss aufgehoben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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