OGH 1Ob71/09m

OGH1Ob71/09m5.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Dr. Ernst P*****, vertreten durch Pallauf, Pullmann, Meißnitzer & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 27.321,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 23. Februar 2009, GZ 54 R 9/09a-29, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin mietete vom Beklagten beginnend mit 1. 10. 1995 Geschäftsräumlichkeiten. Vereinbart wurde eine 6-monatige Kündigungsfrist, Kündigungstermine waren 31. 3., 30. 6., 30. 9. und 31. 12.. Für die Dauer von 10 Jahren ab 10. 10. 1995 (Übergabe) wurde von beiden Parteien auf die Kündigung verzichtet. Per Fax vom 2. 12. 2003 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er seinen Eigentumsanteil an dem Büro- und Geschäftshaus in die Dr. P***** Privatstiftung eingebracht hätte.

Die Klägerin kündigte das Bestandobjekt am 9. 3. 2005 zum 31. 12. 2005 gerichtlich auf. Kündigungsgegner war der Beklagte und nicht die Privatstiftung, was dem Beklagten zunächst nicht auffiel. In seinen Einwendungen machte er Fristwidrigkeit der Kündigung geltend, was auch Thema der Verhandlung vom 20. 5. 2005 war. Einige Tage vor der Verhandlung vom 13. 10. 2005 wurde auf Beklagtenseite die falsche Bezeichnung der gekündigten Partei festgestellt. In der Verhandlung vom 13. 10. 2005 wendete der Beklagte erstmals mangelnde Passivlegitimation ein; dies erfolgte nicht in der Absicht, der Privatstiftung einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen. Die Klägerin zog darauf die Kündigung zurück und brachte gegen die Privatstiftung eine neue Kündigung zum 30. 6. 2006 ein.

Die Vorinstanzen haben das auf Bezahlung frustrierter Aufwendungen (Mietzinszahlungen für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 6. 2006 und Rechtsanwaltskosten im Ausmaß von einem Drittel - bei Zugeständnis eines Eigenverschuldens) gerichtete Schadenersatzbegehren der Klägerin abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1.) Der Oberste Gerichtshof hat bereits in zahlreichen Entscheidungen zu der Frage Stellung genommen, ob eine schuldhafte Prozessführung Schadenersatzansprüche des Prozessgegners nach sich zieht. Bejaht wurde die Schadenersatzpflicht desjenigen, der sich trotz erkennbarer Aussichtslosigkeit in den Prozess eingelassen hat (RIS-Justiz RS0022840). Durch die höchstgerichtliche Judikatur ist damit hinreichend geklärt, dass nicht nur bewusst unrichtige Prozessbehauptungen (bewusster Rechtsmissbrauch) - was hier nach dem festgestellten, den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhalt ausscheidet - schadenersatzpflichtig machen, sondern auch ein fahrlässiges Verhalten im Prozess. Letzteres gilt aber mit der Einschränkung, dass verfahrensrechtliche Handlungen - im Gegensatz zu sonstigen Schädigungen - erst dann Schadenersatzpflichten auslösen, wenn der eingenommene Prozessstandpunkt bei gehöriger Sorgfalt nicht bloß für zweifelhaft, sondern für aussichtslos gehalten werden musste (5 Ob 261/02x; 8 Ob 3/07k), was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (7 Ob 218/07w). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es einer Partei zusteht, ihre Interessen zu vertreten, soweit dies nicht gegen besseres Wissen erfolgt (8 ObA 43/08v). Diese Kriterien gelten auch, wenn der Prozessgegner zugleich (früherer) Vertragspartner ist (2 Ob 536/79 = MietSlg 31.241; 1 Ob 600/86 = SZ 59/159; 8 ObA 43/08v).

2.) Diese in der höchstgerichtlichen Judikatur bereits entwickelten Grundsätze zur Haftung für Prozesshandlungen ließen sich auch für die Beurteilung der Frage heranziehen, ob ein Verstoß gegen die in § 178 ZPO festgelegte Verpflichtung einer Prozesspartei, ihr Vorbringen vollständig (Abs 1) und zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Abs 2) zu erstatten, Schadenersatzpflichten auslöst. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, im konkreten Fall (Kenntnis der Klägerin vom „richtigen" Vermieter, „Namensgleichheit" des Beklagten mit der Privatstiftung) eine Mithaftung des Beklagten abzulehnen, stellt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Letztlich geht es um das einzelfallbezogene (RIS-Justiz RS0087606) Ausmaß des Mitverschuldens des Beklagten. Ein (überwiegendes) Verschulden an der Einleitung des Verfahrens gegen den falschen Kündigungsgegner hat die Klägerin, der der richtige Vertragspartner seit Dezember 2003 bekannt war, selbst zugestanden. Im Vergleich zu dem der Klägerin anzulastenden Fehler tritt die verspätete Geltendmachung der mangelnden Passivlegitimation völlig in den Hintergrund, weshalb die Ablehnung der Schadenersatzansprüche vertretbar ist.

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