Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 17. 8. 2006 bis 31. 10. 2007 bei der Nebenintervenientin als Angestellte tätig. Zuvor war sie bereits von August 2000 bis August 2005 auf Werkvertragsbasis und als Urlaubsvertretung bei dieser Gesellschaft beschäftigt gewesen. Danach hatte die Klägerin das Angebot erhalten, zur S***** Medienverlags GmbH zu wechseln, wo sie von Oktober bis Dezember 2005 geringfügig und von Jänner bis Juni 2006 fix beschäftigt war. Dieses Dienstverhältnis kündigte die Klägerin und wechselte dann wieder zur Nebenintervenientin zurück, wo sie bis zu ihrer Kündigung angestellt war. Die Tätigkeit der Klägerin umfasste gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen die Fakturierung von Inseraten, die Durchführung von Druckbestellungen und Sekretariatsarbeiten sowie die Bearbeitung von Reklamationen. Die Nebenintervenientin kündigte das Dienstverhältnis mit Schreiben vom 14. 9. 2007 zum 31. 10. 2007 auf. Mit Schreiben vom 28. 9. 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Betrieb der Nebenintervenientin von ihr nicht mehr weiter geführt werde und kein wie immer gearteter Betriebsübergang vorliege. Für den Fall, dass dennoch ein Betriebsübergang stattgefunden habe, werde vorsorglich die Kündigung des Dienstverhältnisses zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen.
Seit Mitte der 80iger Jahre war die von der Nebenintervenientin herausgegebene Gratiszeitung „der neue G*****" auf dem Markt. Parallel dazu brachte die am 18. 8. 2005 gegründete S***** Medienverlags GmbH die Gratiszeitung „G***** im Bild" heraus und trat damit in Konkurrenz zur Nebenintervenientin und deren Gratisblatt. Sowohl die Nebenintervenientin als auch die S***** Medienverlags GmbH gerieten dadurch in finanzielle Schwierigkeiten, da noch andere Produkte anderer Verlage auf den G***** Gratiszeitungsmarkt kamen. Die S***** Medienverlags GmbH wurde letztlich liquidiert, die letzte Nummer von „G***** im Bild" erschien im August 2007.
100 % Gesellschafter dieser S***** Medien Verlags GmbH war die S***** Wochenzeitung GmbH & Co KG, 100 % Gesellschafterin der Nebenintervenientin die M***** GmbH NFG Co KG, welche gleichzeitig über eine Tochtergesellschaft an der S***** Anzeigen GmbH beteiligt war. Die Nebenintervenientin hatte neben der Gratiszeitung „der neue G*****" auch „der neue S*****" und die Hochglanzzeitung „E*****" produziert und herausgegeben, wobei der Verkauf und die Bewirtschaftung der Anzeigen für alle Zeitungen der S***** Anzeigen GmbH übertragen worden waren. Die Nebenintervenientin stellte ihren Betrieb im Herbst 2007 ein. Die S***** Wochenzeitungs GmbH & Co KG und die M***** mbH NFG Co KG gründeten gemeinsam die nunmehrige Beklagte, wobei die „S*****" zu 76 %, die „M*****" zu 24 % Gesellschafterinnen sind.
Sowohl die Nebenintervenientin als auch die S***** Medien Verlags GmbH wurden liquidiert. Auch die Beklagte gibt nunmehr eine Gratiszeitung heraus, die den Titel „der G*****" trägt.
Im Vergleich zu der von der S***** Medien Verlags GmbH herausgegebenen Grazer Zeitung „G***** im Bild" war der Titel des Konkurrenzprodukts „der neue G*****" die stärkere Marke, weshalb die Beklagte auf diese Marke setzte und der Nebenintervenientin vor deren Liquidierung abkaufte. Gleichzeitig wurde die Nebenintervenientin vertraglich verpflichtet, den „neuen G*****" nicht weiter zu verlegen.
Zum Zeitpunkt der Einstellung waren bei der Nebenintervenientin ca 18 Mitarbeiter beschäftigt, lediglich zwei davon, nämlich zwei Redakteure, wurden von der Beklagten weiter beschäftigt, wobei einer dieser Redakteure mittlerweile ausgeschieden ist. Die Beklagte stellte zwei neue Chefredakteure ein, welche von zwei anderen Zeitungen kamen. Von den 15 Mitarbeitern der S***** Medienverlags GmbH übernahm die Beklagte neun Mitarbeiter, darunter auch freie, auf Werkvertragsbasis arbeitende Mitarbeiter. Von der S***** Anzeigen GmbH, die mit dem Verkauf und der Bewirtschaftung der Anzeigen des „neuen G*****" beauftragt gewesen war, wechselten vier Mitarbeiter zur Beklagten. Die S***** Anzeigen GmbH war nicht nur Vertriebsschiene „des neuen G*****", sondern auch für Zeitschriften anderer Verlage gewesen. Die S***** Anzeigen GmbH beschäftigt derzeit noch fünf Mitarbeiter.
Die Nebenintervenientin hatte ihren Sitz in der M***** 21 in G*****. Sowohl Computer als auch Einrichtungsgegenstände dieser Gesellschaft wurden im Rahmen der Liquidation verkauft, und zwar an private Personen und zum Teil an ein anderes Unternehmen. Auch die Betriebsmittel der S***** Medienverlags GmbH wurden an Dritte verkauft.
Die Beklagte hat einen neuen, das heißt sowohl von der Nebenintervenientin als auch der S***** Medienverlags GmbH unabhängigen Bürostandort mit neuen Büromöbeln und neuen Computern in der B*****gasse in G*****. Von keiner dieser Gesellschaften wurden Betriebsmittel übernommen.
Im G***** Raum gilt das Unternehmen K***** als wichtigster Inserent, den daher jedes Printmedium als Kunde haben will. So wie dieses Unternehmen Kunde der Nebenintervenientin war, ist es auch Kunde der Beklagten. Die Kundendaten sowie das dazugehörige Verlagssystem, bestehend aus einem Anzeigen- und einem Redaktionssystem, kaufte die Beklagte von dritter Seite, nämlich „der W*****" zu. Die Beklagte beschäftigt aber auch drei ehemalige Anzeigenverkäufer der S***** Medien Verlags GmbH.
Für die Nebenintervenientin führte, wie schon erwähnt, die S***** Anzeigen GmbH den Anzeigenverkauf durch und war auch deren Vertriebsschiene. Die Gratiszeitung der S***** Medienverlags GmbH war von einer dritten Gesellschaft vertrieben worden.
Die Beklagte ließ und lässt ihre Produkte über verschiedene Verteiler wie zB die Post, „R*****" und „H*****" zustellen. Die Adressen der Inserenten wurden von dritter Seite zugekauft. Wie schon „der neue G*****" wird auch „der G*****" gratis an die Haushalte in G***** und Umgebung zugestellt.
Die Beklagte war bestrebt, dem „G*****" ein anderes Layout zu geben, als man vom „der neue G*****" gewohnt war. Zwar wurde im Wesentlichen das Logo beibehalten, doch wurde ein Wechsel der Farben vorgenommen und das Titelblatt mit einem Foto versehen, welches mit der jeweiligen Schlagzeile im Zusammenhang steht und nicht nur willkürlich als „Aufputz" zugekauft ist.
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage vom 5. 10. 2007 die Feststellung, dass zwischen ihr und der Beklagten ein aufrechtes Dienstverhältnis bestehe, und zwar ungeachtet der Kündigung vom 28. 9. 2007. Sie argumentierte damit, dass ein Betriebsübergang von der Nebenintervenientin auf die Beklagte stattgefunden habe und die Kündigung daher gemäß § 3 AVRAG nichtig sei.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin bestritten einen Betriebsübergang. Insbesondere sei eine für einen Betriebsübergang erforderliche Mindestorganisation nicht von der Beklagten übernommen worden. Selbst für den Fall, dass von einem Betriebsübergang ausgegangen werden sollte, sei die Kündigung der Klägerin berechtigt gewesen, weil die Beklagte Umstrukturierungen habe vornehmen müssen und nicht bereit gewesen sei, das gesamte Personal der drei Verlags- bzw Vertriebsgesellschaften zu übernehmen. Die logische Folge wäre vielmehr die Insolvenz und damit die Vernichtung von Arbeitsplätzen gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat zwar die Rechtsauffassung, dass insbesondere die Fortführung einer Zeitung mit einem ähnlichen Titel als auch die Übernahme der Internet-Domain dem Publikum Kontinuität signalisierten und daher aufgrund der Fortführung der im Wesentlichen gleichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Übernahme der Marke und der gleichartigen Gestaltung des Produkts eine Betriebsübernahme vorliege. Zwar seien vorsorgliche Rationalisierungskündigungen unzulässig, doch stünden Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Betrieb der Beschäftigung nach sich brächten, dem Kündigungsverbot nicht entgegen. Betriebsbedingte Kündigungen, die zwar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stünden, aber dessen ungeachtet betriebsnotwendig seien, seien daher zulässig. Im vorliegenden Fall sei die Kündigung mit einer Umstrukturierung mehrerer rechtlich selbständiger Betriebe verbunden gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichts und bejahte einen Betriebsübergang im Wesentlichen mit dem Argument, dass das herausgegebene Zeitungsprodukt im Wesentlichen ident geblieben sei. Es liege jedoch eine vom Betriebsübergang unabhängige und daher zulässige Kündigung der Klägerin vor, weil die beiden miteinander konkurrierenden Verlage liquidiert hätten werden müssen und daher bei der Beklagten wirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen auch zur Kündigung der Klägerin geführt haben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Geht man wie die Vorinstanzen - worauf allerdings noch einzugehen sein wird - davon aus, dass ein Betriebsübergang stattgefunden hat, dann muss auch die Kündigung als entweder vorsorgliche Rationalisierungskündigung oder - soweit von der Beklagten ausgesprochen - als betriebsübergangsbedingte und damit gemäß § 3 AVRAG verpönte Kündigung angesehen werden (RIS-Justiz RS0108457). Nach den Feststellungen wollte die Beklagte zwar weiter eine Gratiszeitung herausgeben, nicht jedoch die große Anzahl der bisher dem konkurrierenden Unternehmen angehörigen Arbeitnehmer übernehmen. Damit lag aber auch in der Kündigung der Klägerin ein Rationalisierungsfaktor.
Dieser Problemkreis bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung, weil der von den Vorinstanzen angenommene Betriebsübergang im Sinn des § 3 AVRAG zu verneinen ist:
Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist aufgrund der den betreffenden Vorgang kennzeichnenden tatsächlichen Umstände zu beurteilen, wie etwa der Übernahme der materiellen und immateriellen Aktiva und des Großteils der Belegschaft, des Übergangs der Kundschaft, des Grades der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und der Dauer einer eventuellen Einstellung dieser Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Übergang. Kein Betriebsübergang liegt vor, wenn lediglich Arbeitnehmer von einem Betrieb zum anderen wechseln, ohne dass gleichzeitig die organisatorische und wirtschaftliche Einheit in die sie arbeitsmäßig eingebunden waren, mit übergeht (RIS-Justiz RS0082749). Für die Beurteilung eines Betriebsübergangs ist auf den jeweiligen Betrieb abzustellen, so dass etwa bei bestimmten Arten von Betrieben, wie etwa im Reinigungsgewerbe, die Belegschaft und deren Organisation wesentlicher sein kann, als die materiellen Betriebs- oder Reinigungsmittel (RIS-Justiz RS0082749 [T25]). Bei der Beurteilung, ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist im Sinne eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen vorliegenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmen, wobei die Übernahme der materiellen und immateriellen Betriebsmittel, des Großteils der Belegschaft, die Ähnlichkeit der vor und nach der Übernahme verrichteten Tätigkeit, Übergang der Kundschaft, Fortführung der wirtschaftlichen Einheit, Übertragung einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung usw wesentlich sind (RIS-Justiz RS0082749 [T3] = SZ 71/100). Legt man nun diese Kriterien auf den vorliegenden Fall um, ergibt sich folgendes Bild: Das Personal wurde nur teilweise und nur unter partieller Beibehaltung der früheren Funktionen übernommen. Gerade in dem für eine Zeitung prägenden Redaktionsteam wurden gravierende Änderungen vorgenommen, insbesondere zwei neue, von dritter Seite stammende Chefredakteure eingesetzt. Wesentlich für eine Gratiszeitung ist aber wohl die Anzeigenakquisition. Hier wurde nach den Feststellungen ein völlig neuer Weg beschritten und es wurden die früheren Anzeigenquellen nicht bzw nur in sehr geringem Maße übernommen. Wenngleich - wie bei einer Gratiszeitung üblich - weiterhin an die Haushalte einer bestimmten Region zugestellt wurde, so wurde auch die Vertriebsschiene, die ebenfalls von wesentlicher Bedeutung ist, geändert. Dazu kommt, dass keinerlei Betriebsmittel übernommen wurden. In der (modifizierten) Übernahme der Zeitungsmarke liegt zwar die Absicht, das bisher bestehende Interesse der Leser aufrecht zu erhalten, doch besagt dies noch nichts dazu, wie diese Zeitung redaktionell gestaltet, hergestellt und vertrieben wird.
Die vorerwähnte Gesamtbetrachtung ergibt daher das Bild, dass die Herausgabe einer neu gestalteten Gratiszeitung durch die Beklagte, sei es auch unter ähnlicher Marke, mangels Übergangs wesentlicher Elemente, wie redaktioneller Zeitungsgestaltung und Anzeigenakquisition sowie des Zeitungsvertriebs noch keinen Betriebsübergang im Sinn des § 3 AVRAG bewirkt.
Damit fehlt es dem Feststellungsbegehren der Klägerin an seiner rechtlichen Grundlage.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagten entgegen ihrem Kostenverzeichnis kein Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG zusteht. Der Umstand allein, dass auf Seiten der Beklagten eine Nebenintervenientin beigetreten ist, führt noch nicht zum Anfall des Streitgenossenzuschlags. Dies wäre nur dann gegeben, wenn der Beklagten entweder mehrere Personen gegenüberstehen oder mehrere Parteien vom selben Rechtsanwalt vertreten werden (RIS-Justiz RS0045327; RS0072290; RS0036033 ua). Dies ist aber hier nicht der Fall.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)