OGH 6Ob51/09g

OGH6Ob51/09g16.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der familienrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Raimund K*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier und Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die Antragsgegnerin Verlassenschaft nach Johann D*****, geboren am *****, verstorben am *****, vertreten durch Mag. Leopold D*****, dieser vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung der Vaterschaft, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 19. November 2008, GZ 23 R 315/08h-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 6. Oktober 2008, GZ 5 FAM 4/08p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aus Anlass des Revisionsrekurses als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die bisherigen Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Mit seinem verfahrenseinleitenden Antrag vom 25. Juli 2008 begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass der am ***** geborene und am ***** verstorbene Johann D***** sein Vater sei. Der Antragsteller habe im Verlassenschaftsverfahren nach Johann D***** einen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht, dieser werde jedoch von dem bereits eingeantworteten Erben bestritten.

Zu der am 11. September 2008 vom Vorsteher des Bezirksgerichts Neulengbach, Mag. Hermann G*****, durchgeführten mündlichen Verhandlung waren nur der Antragsteller und der als Vertreter der Verlassenschaft bezeichnete Mag. Leopold D***** mit ihren anwaltlichen Vertretern geladen. Der Antragsteller legte ein erbbiologisches Privatgutachten vor, in welchem die Vaterschaft des Johann D***** zum Antragsteller mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99 % als „praktisch erwiesen" bezeichnet wird (Beilage ./A). Nachdem der Antragsgegnervertreter erklärt hatte, die Richtigkeit dieses Gutachtens anzuerkennen, wurde die Verhandlung ohne weitere Beweisaufnahmen geschlossen.

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2008 stellte das Erstgericht fest, dass der verstorbene Johann D***** Vater des Antragstellers sei, und verpflichtete die Antragsgegnerin zum Ersatz der Verfahrenskosten. Das im Akt befindliche Original dieses Beschlusses war aber nicht vom verhandlungsführenden Richter Mag. G*****, sondern vom Richter des Erstgerichts Dr. Franz S***** unterschrieben; dieser ist auch in den Beschlussausfertigungen als Entscheidungsorgan genannt.

Das lediglich vom Antragsgegner angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es den Spruch gemäß § 163b ABGB um die Feststellung ergänzte, Raimund K*****, geboren am *****, stamme nicht von Anton K*****, geboren am *****, ab. Das Rekursgericht vertrat in seiner Entscheidung die Auffassung, im Verfahren außer Streitsachen begründe es selbst bei obligatorischer mündlicher Verhandlung keine Nichtigkeit, sondern nur einen relativen Verfahrensmangel, wenn nicht der verhandelnde Richter die Entscheidung gefällt habe. Im vorliegenden Fall habe das Rekursgericht gemäß § 58 Abs 1 AußStrG in der Sache selbst zu entscheiden, weil der gerügte Verfahrensmangel keinen Einfluss auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nehmen könne. Diese beruhe allein auf dem vom Antragsgegner als richtig anerkannten erbbiologischen Gutachten. Im Rekurs werde gar nicht mehr behauptet, dass der Antragsteller nicht der biologische Sohn des Johann D***** sei. Allerdings sei die mit der Feststellung der Vaterschaft gemäß § 163b ABGB automatisch verbundene Wirkung, dass das Kind nicht vom bisherigen Vater abstammt, im Spruch auszudrücken gewesen. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Entscheidung durch einen anderen als den Verhandlungsrichter eine Nichtigkeit begründe oder nur unter § 58 Abs 1 Z 3 AußStrG zu subsumieren sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig und berechtigt. Der erkennende Senat teilt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts, dass im Außerstreitverfahren lediglich ein die Sachentscheidung in zweiter Instanz nicht hindernder Verfahrensmangel im Sinne des § 58 Abs 1 Z 3 AußStrG vorliegt, wenn die verfahrensbeendende Entscheidung von einem anderen Richter gefällt wurde als von jenem, der die (obligatorische) mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

Ein bloßer Verstoß gegen die Geschäftsverteilung ist auch nach der herrschenden Lehre keinem Besetzungsmangel im Sinne des § 58 Abs 4 Z 3 AußStrG (vgl § 59 KartG; § 20 WBG) gleichzuhalten, sondern kraft Größenschlusses wie eine örtliche Unzuständigkeit zu behandeln, die im Regelfall keinen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 57 Z 4 AußStrG bildet und daher sanktionslos bleibt (Klicka in Rechberger, AußStrG § 57 Rz 2). Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, dass er an die Entscheidung eines überhaupt unzuständigen Gerichts weniger strenge Folgen knüpfen wollte als an die Entscheidung durch einen nur nach der Geschäftsverteilung unzuständigen Richter des „richtigen" Gerichts (Klicka aaO § 58 Rz 2; Fucik/Kloiber, AußStrG § 58 Rz 4). Der aufgezeigte Verfahrensmangel stellte daher kein Hindernis für eine Sachentscheidung durch das Rekursgericht im Sinne der §§ 57, 58 Abs 1 AußStrG dar.

Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses war jedoch von Amts wegen ein anderer Nichtigkeitsgrund, nämlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs des bisherigen Vaters des Antragstellers, aufzugreifen. Parteien des Abstammungsverfahrens sind gemäß § 82 Abs 2 AußStrG jedenfalls das Kind und die Person, deren Elternschaft durch das Verfahren begründet, beseitigt oder wieder begründet werden kann, weiters der andere Elternteil, sofern er einsichts- und urteilsfähig sowie am Leben ist. Nach dem Tod der betroffenen Person können die Feststellung der Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung von den bzw gegen die Rechtsnachfolger, also den Nachlass bzw die eingeantworteten Erben, begehrt werden (§ 138a Abs 2 ABGB). Hat ein Antragsteller bereits einen gesetzlichen Vater und begehrt er die Feststellung der Abstammung von einem anderen Mann, dann ist eine stattgebende Entscheidung zwangsläufig mit der Wirkung verbunden, dass die bisherige Vaterschaft wegfällt (RIS-Justiz RS0123619). Im Verfahren nach § 163b ABGB ist daher neben dem Kind, dem Mann, dessen Vaterschaft festgestellt werden soll, und der Mutter zwingend auch der Mann Partei, dessen Vaterschaft durch die positive Erledigung des Antrags verdrängt würde (6 Ob 150/07p; 9 Ob 76/07b; RIS-Justiz RS0122245; Schwimann in Schwimann, ABGB³ § 163b Rz 9 bis 11; Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 163b ABGB Rz 4). Die Mutter des Antragstellers ist dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Antragsgegners zufolge bereits verstorben. Eine Beiziehung der Rechtsnachfolger eines verstorbenen „anderen Elternteils" im Sinne des § 82 Abs 2 AußStrG ist nicht erforderlich; dieser ist nur Partei, solange er am Leben ist. Wer bisher als Vater des Antragstellers feststand, ist aus dem Antragsvorbringen nicht erkennbar. Nach dem Ergebnis des Rekursverfahrens scheint es sich dabei um Anton K***** senior zu handeln, der in erster Instanz als Zeuge namhaft gemacht war, aber dem Verfahren niemals als Partei beigezogen wurde und an den die angefochtenen Beschlüsse erster und zweiter Instanz nie zugestellt wurden.

Wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, aber auch wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, wird der auch im außerstreitigen Verfahren geltende Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne des Art 6 Abs 1 MRK verletzt (RIS-Justiz RS0074920; RS0119970; RS0122920).

Mangels Beteiligung des bisherigen Vaters haftet den Entscheidungen und dem Verfahren der Vorinstanzen Nichtigkeit gemäß § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 2 AußStrG an, die im Revisionsrekursverfahren analog § 55 Abs 3 AußStrG von Amts wegen wahrzunehmen ist, es sei denn, es ließe sich der angefochtene Beschluss bestätigen, ohne dass dadurch in die Rechte des Antragstellers oder der bisher unvertretenen Partei eingegriffen würde (vgl allgemein 5 Ob 174/05g, 10 Ob 236/05w). Dies ist aber im vorliegenden Verfahren offenkundig nicht der Fall. Der bisherige Vater würde durch eine Bestätigung des zweitinstanzlichen Beschlusses nach fast 50 Jahren seinen Sohn „verlieren". Angesichts des fortgeschrittenen Alters des Betroffenen fällt auch ein Wegfall der familienrechtlichen Beistandspflichten des bisherigen Kindes ins Gewicht. Die Feststellungen des Erstgerichts beruhen bisher lediglich auf dem Inhalt einer Privaturkunde und einem Tatsachenzugeständnis des Antragsgegners; an diese Verfahrensergebnisse ist die übergangene Partei aber nicht gebunden. Zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs muss dem bisherigen Vater zumindest die Gelegenheit gegeben werden, selbst zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen und allfälliges Vorbringen oder Beweisanbote zu erstatten.

Im fortgesetzten Verfahren wird auch die Bezeichnung der Antragsgegnerin zu erörtern und allenfalls zu berichtigen sein, beruft sich der Antragsteller doch darauf, dass die Verlassenschaft nach seinem präsumtiven Vater bereits eingeantwortet sei. Sollte dies zutreffen, wäre das Verfahren unmittelbar mit dem (den) eingeantworteten Erben fortzuführen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 1 AußStrG; beide Parteien haben den entscheidenden Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht, sodass eine Kostenaufhebung der Billigkeit entspricht (vgl auch § 51 Abs 2 ZPO).

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