OGH 5Ob174/05g

OGH5Ob174/05g20.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Andreas R*****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Moishie Ayre F*****, und 2. Lea R*****, beide *****, Zweitantragsgegnerin vertreten durch Dr. Ronald Rast, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen § 37 Abs 1 Z 5 iVm § 8 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. März 2005, GZ 41 R 205/04g-46, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 27. Mai 2004, GZ 13 MSch 10018/02b-33, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragsgegner sind Mitmieter der Wohnung Nr. 5 in dem dem Antragsteller gehörenden Haus ***** in *****. Die Antragsgegner sind mehrfach dem Ersuchen des Vermieters bzw dessen Hausverwaltung um Gewährung von Zutritt in die gemietete Wohnung nicht nachgekommen.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Liegenschaftseigentümer, den Antragsgegnern gemäß § 8 Abs 2 MRG aufzutragen, das Betreten des Mietgegenstandes durch die von ihm beauftragte Hausverwaltung und einen Baufachmann zu dulden. Als anspruchsbegründend wurde vorgebracht, dass ein wichtiger Grund für eine Besichtigung der Wohnung bestehe, weil die Mieter bereits über einen längeren Zeitraum umfangreiche Bauarbeiten durchführten und eigenmächtig Gas-, Wasser- und Abflussleitungen verlegten. Sie hätten auch bereits versucht, solche Leitungen eigenmächtig durch andere Mietobjekte des Hauses bzw allgemeine Teile des Hauses zu verlegen. Es bestehe die akute und begründete Gefahr, dass durch solche Bauarbeiten andere Mietobjekte bzw das gesamte Haus beschädigt würden. Dazu bestehe noch der Verdacht, dass die Arbeiten nicht durch fachkundige Professionisten ausgeführt würden. Die Antragsgegner verweigerten trotz Bekanntgabe eines Termins den Zutritt zu ihrer Wohnung.

Gleichzeitig wurde vom Antragsteller die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt, die gegen die Zweitantragsgegnerin vom Erstgericht auch erlassen, jedoch vom Rekursgericht mit Entscheidung vom 12. August 2003, GZ 41 R 123/03x-28, wegen Nichtigkeit aufgehoben wurde. Der Erstantragsgegner war nämlich am Verfahren nicht beteiligt worden.

Die Antragsgegner bestritten die behaupteten Umbauarbeiten, legten ein Gutachten über den Bauzustand ihrer Wohnung vor und beantragten die Einvernahme diverser Zeugen, allerdings ohne Angaben von konkreten Beweisthemen.

Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegner mit Sachbeschluss, das Betreten ihrer Wohnung durch die vom Antragsteller beauftragte Hausverwaltung und einen Baufachmann binnen 14 Tagen zu dulden. Es erachtete es als ausreichend, dass die Antragsgegner dem Antragsteller den Zutritt zur Wohnung mehrfach verweigert haben. Zu den in § 8 Abs 2 MRG genannten wichtigen Gründen gehöre auch, dass der Vermieter das Recht habe, eine gewisse Kontrolle auszuüben, soweit sie nicht zur Schikane ausarte. Der Mieter habe also nach vorheriger entsprechender Anmeldung oder Terminabsprache das Betreten des Mietgegenstandes zu dulden.

Zur einzigen mündlichen Streitverhandlung vom 27. 4. 2004 wurde an die Zweitantragsgegnerin nur eine Ladung zur Parteienvernehmung, nicht aber eine Ladung zur Tagsatzung abgefertigt. Der damalige Rechtsvertreter des Erstantragsgegners Dr. Hofer-Zeni wurde ordnungsgemäß geladen. Eine Beweisaufnahme fand in dieser Tagsatzung nicht statt. Unmittelbar danach erging der erstgerichtliche Sachbeschluss.

Einem gegen diesen Sachbeschluss gerichteten Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Rekursgericht verneinte den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, der darin gelegen sein sollte, dass die Zweitantragsgegnerin zur Tagsatzung vom 27. 4. 2004 nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Weil im Verfahren nach § 37 MRG das Prinzip der eingeschränkten Mündlichkeit herrsche, müsse einer Entscheidung eine mündliche Verhandlung nur dann vorangehen, wenn Ermittlungen oder Beweisaufnahmen erforderlich seien. Die Gewährung rechtlichen Gehörs sei nicht auf Verhandlungen beschränkt, sondern könne auch dadurch erfolgen, dass den Parteien Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung gegeben werde. Wesentlich zur Vermeidung einer Nichtigkeit sei, dass alle Parteien noch zu einem Zeitpunkt dem Verfahren beigezogen würden, in dem sie Gelegenheit zum Sachvorbringen hätten. Daraus lasse sich das Prinzip ableiten, dass der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO im außerstreitigen Verfahren nach dem MRG nur dann vorliege, wenn eine Partei von der Teilnahme an einer unmittelbaren Beweisaufnahme ausgeschlossen oder ihr keine Gelegenheit gegeben werde, sich zu einem Sachvorbringen des Gegners zu äußern. Ein Verstoß von dieser Qualität liege nicht vor, weil den Antragsgegnern zweimal Gelegenheit geboten worden sei, sich zum Sachantrag zu äußern. Die Zweitantragsgegnerin habe auch in ihrem Schreiben vom 6. 6. 2002 von ihrem Äußerungsrecht Gebrauch gemacht und sei dem Antrag entgegengetreten.

Allerdings komme der Rechtsrüge Berechtigung zu. § 8 Abs 2 MRG lasse sich entnehmen, dass ein wichtiger Grund vorliegen müsse, um ein Kontrollrecht des Vermieters auszulösen. Das Erstgericht habe jedoch - ausgehend von der vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht, dass das Bedürfnis nach einer „gewissen Kontrolle" des Vermieters bereits für sich allein ein wichtiger Grund zum Betreten des Mietgegenstandes sei - kein Beweisverfahren zu den Behauptungen des Antragstellers durchgeführt, dass in der Wohnung Bauarbeiten (unsachgemäß) durchgeführt worden seien.

Zu diesem Thema seien überhaupt keine Feststellungen getroffen worden. Auch die Behauptungen der Antragsgegner hätten nicht Eingang in Feststellungen gefunden. Es werde daher im ergänzenden Verfahren zu prüfen sein, ob noch immer ein begründeter Verdacht bestehe, dass die Antragsgegner Bauarbeiten in der Wohnung durchführten oder durchgeführt hätten. Nur bejahendenfalls könne dem Antragsteller das Recht nicht abgesprochen werden, selbst, durch seine Hausverwalterin und Fachleute Klarheit über den Zustand der Wohnung zu erlangen.

Im Weiteren trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf, im fortzusetzenden Verfahren die Beweise aufzunehmen, die zur Frage eines begründenden Verdachts für die Annahme der Durchführung von Bauarbeiten beantragt würden. In diesem Zusammenhang trug es dem Erstgericht auch auf, mit der Zweitantragsgegnerin Erörterungen über die von ihr beantragten Zeugenbeweise durchzuführen. Weil die Antragsgegner keine Gelegenheit gehabt hätten, an der im Zug des Provisorialverfahrens durchgeführten Vernehmung der Hausverwalterin P***** teilzunehmen und das Protokoll über deren Vernehmung auch nur der Zweitantragsgegnerin zugekommen sei, werde mit den Antragsgegnern auch zu erörtern sein, ob eine neuerliche Befragung dieser Zeugin im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt werde.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil - soweit überblickbar - keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur zur Frage bestehe, inwieweit § 477 Abs 1 Z 4 ZPO im außerstreitigen Verfahren nach dem MRG Anwendung zu finden habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als nichtig, Nichtigerklärung des Verfahrens soweit es vom Nichtigkeitsgrund betroffen sei sowie auf Erlassung eines Auftrags auf neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung.

Der Antragsteller habe sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Voranzustellen ist, dass der Revisionsrekurs nicht deshalb unzulässig ist, weil allein aus den Gründen der Entscheidung eine Beschwer abgeleitet wurde. Liegt ein Aufhebungsbeschluss vor, kann auch allein dessen Begründung angefochten werden, ohne dass der Auftrag an das Erstgericht, das Verfahren zu ergänzen, bekämpft werden muss (vgl Kodek in Rechberger² Rz 5 zu § 519 ZPO mit Hinweis auf SZ 55/133 mwN; RIS-Justiz RS0007094).

Zum geltend gemachten Nichtigkeitsgrund:

Zufolge Art 10 § 2 WohnAußStrBeglG sind die neuen Bestimmungen des AußStrG über das Rechtsmittelverfahren (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG) dann anzuwenden, wenn das Datum der angefochtenen Entscheidung - wie hier - nach dem 31. 12. 2004 liegt.

Anders als beim Rekurs sind in § 66 AußStrG neu die Revisionsrekursgründe nunmehr taxativ aufgezählt. Unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG wurden nicht alle bisher als Nichtigkeit geltend zu machenden Verfahrensfehler als Revisionsrekursgründe beibehalten (RV 224 BlgNR 22. GP 54 f). Der bisherige Fall des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO - die Verletzung des rechtlichen Gehörs, die von der Revisionsrekurswerberin geltend gemacht wird - findet sich in § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG. Dieser Anfechtungsgrund ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut - wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO - wirkt, also jedenfalls zu einer Aufhebung zu führen hat, sondern nur dann, wenn nicht ohnedies zugunsten des in seinen prozessualen Rechten Verletzten eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung erfolgen kann. Ein solcher Anfechtungsgrund hat demnach nur dann zur Aufhebung zu führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte.

Weil aber hier nach der materiellrechtlichen Beurteilung des Rekursgerichtes ohnedies eine Erneuerung des erstinstanzlichen Verfahren und damit eine neuerliche mündliche Verhandlung stattzufinden hat, kommt der von der Revisionsrekurswerberin behaupteten Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens durch Verletzung ihres rechtlichen Gehörs keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu.

Im Hinblick auf diesen Zurückweisungsgrund konnte dahingestellt bleiben, ob nach dem neuen Rechtsmittelrecht des AußStrG vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeitsgründe in dritter Instanz grundsätzlich geltend gemacht werden können.

Das hatte zur Zurückweisung des Revisionsrekurses der Zweitantragsgegnerin zu führen.

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