OGH 12Os2/09z

OGH12Os2/09z26.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Böhm als Schriftführerin in der Strafsache gegen Afrim D***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Thomas E***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Oktober 2008, GZ 73 Hv 64/08b-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Thomas E***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch (bereits rechtskräftige) Schuldsprüche gegen die Mitangeklagten Afrim D***** und Norbert E***** enthält (I./B./ und II./), wurde Thomas E***** (zu I./A./) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 30. September 2007 in Wien als Beamter (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB) mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, nämlich die von der EKIS-Abfrage betroffenen Personen an ihrem Grundrecht auf Datenschutz und den Staat in seinen Kontroll- und Überwachungsrechten, seine Befugnis, im Namen des Bundes und des Landes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er über Aufforderung des Afrim D***** und ohne dienstliche Notwendigkeit zu den Kennzeichennummern W-***** und W-***** eine „EKIS/SIS"-Abfrage durchführte und D***** das Ergebnis mitteilte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas E***** schlägt fehl.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist vorweg zu erwidern, dass Gegenstand dieses materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes stets der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt ist. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 (oder Z 10) gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Eben diesem Anfechtungsgrundsatz wird die Rüge nicht gerecht, indem sie die tatrichterlichen Feststellungen zum wissentlichen Befugnismissbrauch des Beschwerdeführers und seines im Zeitpunkt der Abfrage vorhandenen (bedingten) Schädigungsvorsatzes (nämlich in Ansehung der Verletzung des den Zulassungsbesitzern zustehenden Grundrechts auf Datenschutz; jeweils US 9) in der Rechtsmittelschrift zwar wiedergibt, ihren rechtlichen Überlegungen aber nicht zu Grunde legt.

Auch der Einwand, der Angeklagte hätte niemals vorgehabt, personenbezogene Daten weiterzugeben, ein solcher Vorsatz habe nicht bestanden, lässt die insoweit relevanten Urteilsannahmen außer Acht, wonach er die Abfrage im polizeiinternen „EKIS-System" durchführte, „um" (daher sogar mit der Absicht; vgl Reindl in WK2 § 5 Rz 27) „die Identität des Fahrzeughalters zu erheben und anschließend an D***** weiterzugeben" (US 9). Weshalb es an der Tatbildlichkeit seines Verhaltens etwas ändern sollte, dass der Beschwerdeführer seinem Auftraggeber in der Folge bloß die Automarken bekannt gab, die den betreffenden Kennzeichen zuzuordnen waren (abermals US 9), legt der Beschwerdeführer nicht begründet dar (die von ihm zitierte Entscheidung 14 Os 128/00 betrifft einen anderen Sachverhalt, vgl demgegenüber 13 Os 46/99).

Überdies stellt bereits das Ermitteln personenbezogener Daten (und nicht erst deren Weitergabe) ein Amtsgeschäft im Rahmen der Hoheitsverwaltung dar (12 Os 183/95 = SSt 62/86). Die nur für dienstliche Belange bestehende rechtliche Möglichkeit, das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu durchbrechen, wird vom Beamten dann missbräuchlich in Anspruch genommen, wenn die Datenabfrage ohne eine solche dienstliche Rechtfertigung erfolgt (RIS-Justiz RS0114637) und führt bei Schädigungsvorsatz (hier US 9) zur Haftung nach § 302 Abs 1 StGB.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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