OGH 12Os183/95

OGH12Os183/9518.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kaindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich L***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 21.September 1995, GZ 12 Vr 3198/94-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Tiegs, des Angeklagten Friedrich L***** und des Verteidigers Dr.Braumüller zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Friedrich L***** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er in F***** als Beamter des örtlichen Gendarmeriepostens mit dem Vorsatz, dadurch den Staat in seinem konkreten Recht auf - so der Urteilsspruch - "ordnungsgemäße Durchführung von Strafverfahren" bzw (laut Urteilsgründen) im Recht auf Erfüllung der die Wahrung der Unbefangenheit beamteter Entscheidungsträger und ihre behördeninterne Überprüfung gewährleistender Rechtsvorschriften sowie Manfred B***** in seinem Recht auf Unterbleiben weiterer Verfolgungsschritte noch dazu seitens eines unzuständigen und befangenen Organes nach rechtskräftiger Verfahrenseinstellung durch die zuständige Verfolgungsbehörde und auf Geheimhaltung ihn betreffender personenbezogener Daten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er am 22.Oktober 1994 in Kenntnis der Einstellung des Strafverfahrens ***** ohne Auftrag des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft als unzuständiger und befangener Beamter mit dem Fernschreiber des Bezirksgendarmeriekommandos F***** eine Manfred B***** betreffende PF-, PI-, KA- und SA-Anfrage (Personenfahndung, Personeninformation, kriminalpolizeilicher Aktenindex und Strafregisterauskunft) an das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem (EKIS) stellte, wobei er als anfragende Behörde den Gendarmerieposten Himberg in Niederösterreich angab, und ferner wissentlich zu mißbrauchen versucht, indem er am 23.Oktober 1994 als unzuständiger und befangener Beamter die Bundespolizeidirektion Graz um die Einvernahme des Manfred B***** als Auskunftsperson ersuchte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider kommt der das (Versuchs-)Faktum "Erhebungsersuchen" betreffenden, angeblich aktenwidrigen tatrichterlichen Feststellung, daß dem entsprechenden Ersuchen (AS 11) kein Hinweis auf das Hervorkommen für das Verfahren ***** erheblicher neuer Tatsachen zu entnehmen war, keine für die konkrete Fallbeurteilung entscheidende Bedeutung zu. Wäre doch die in Rede stehende Tathandlung auch etwa im Fall neu hervorgekommener Schmerzengeldzahlungen strafrechtlich nicht anders zu beurteilen gewesen, weil davon die Annahme einer wissentlichen Verletzung der Vorschriften zur Befangenheit eines Beamten bzw zur Genehmigung bestimmter Akte durch den Vorgesetzten sowie der Bestimmungen über das selbständige Einschreiten von Sicherheitsbehörden und über deren Zuständigkeit (§ 47 BDG; § 24 der Kanzleiordnung für die Bundesgendarmerie; § 24 StPO; § 27 VStG iVm Art V EGVG) unberührt bliebe.

Davon ausgehend geht aber auch der Einwand, ohne die als aktenwidrig gerügte Feststellung wäre der Bejahung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen (insbesondere dem Wissen um den Befugnismißbrauch) jede Grundlage entzogen, ins Leere, weil auch in diesem Zusammenhang der für die Tatbestandsverwirklichung nach §§ 15, 302 Abs 1 StGB wesentliche Tatsachenkern verfehlt wird.

Nicht anders verhält es sich mit dem Vorbringen zur Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5 a) gegen den Schuldspruch wegen vollendeten Mißbrauchs der Amtsgewalt (Faktum "EKIS-Anfrage"), mit dem insgesamt die tatrichterliche Annahme der Urheberschaft des Angeklagten zu dem hier inkriminierten Anfragevorgang problematisiert wird. Daß die zur entsprechenden Zuordnung verwertete Eintragung im Protokollbuch (GZ 2813/94; AS 225) auf ein Ereignis vom Vortag abstellt, erweist sich durchaus als mit der dem Angeklagten beigemessenen Verschleierungstendenz vereinbar, während - der Beschwerdeauffassung zuwider - der Beweiswert der Auskunft des Bundesministeriums für Inneres vom 3.August 1995 (AS 211) über die Auswertung der EKIS-Protokolle infolge überprüfbarer Korrektur davon unberührt bleibt, daß in der vorausgegangenen Auskunft vom 24.Juli 1995 (AS 207) ein Hinweis auf den offensichtlich unrichtigen Anfragebezug unterblieben war. Die tatrichterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gründet sich auch nicht allein auf die Tatsache seiner am 22. Oktober 1994 aufrechten Diensteinteilung beim Bezirksgendarmeriekommando Fürstenfeld, vielmehr (auch) auf den weiteren Umstand, daß ein persönliches Interesse am Verfahren gegen den ehemaligen Kommandanten dieses Gendarmeriepostens und eine spezifische Anfrageausrichtung ausschließlich im Sinn des bekämpften Schuldspruchs beim Angeklagten indiziert war. Hinzu kam das dem Angeklagten sinnfällig eröffnete Gelegenheitsverhältnis (AS 191 ff, 215, 233, 239, 279).

Daß der Angeklagte die angestrebten Personaldaten des Manfred B***** tatplangemäß vorweg erfolgversprechend in Erfahrung bringen konnte, ergibt sich im Sinn der Urteilserwägungen aus den Angaben des Zeugen Z***** (AS 275 ff) und dem tatsächlich partiell positiv ausgefallenen Anfrageergebnis (AS 213).

Mit der Reklamation vom angefochtenen Urteil abweichender, für den Angeklagten günstigerer Schlußfolgerungen aus den in der Hauptverhandlung erzielten und erörterten Verfahrensergebnissen beschränkt sich die Beschwerde auf eine hier unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Als durchwegs nicht zielführend erweist sich aber auch das Vorbringen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a). Der Beschwerdeauffassung zuwider stellen nämlich sowohl die EKIS-Anfrage als auch das Erhebungsersuchen an die Bundespolizeidirektion Graz typische Amtsgeschäfte (Erhebungshandlungen) im Rahmen der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden dar, deren Zugehörigkeit zur Hoheitsverwaltung keiner näheren Erörterung bedarf. Von lediglich behördeninternen Akten ohne Deliktseignung nach § 302 Abs 1 StGB - wie sie die Beschwerde verwirklicht sehen will - kann demnach keine Rede sein.

Mag es im übrigen auch zutreffen, daß das Recht des Staates auf "ordnungsgemäße Durchführung von Strafverfahren" - mangels hinreichender Konkretisierung - für sich allein kein durch § 302 StGB geschütztes Recht darstellt, so läßt es das angefochtene Urteil hinsichtlich dieses Tatbestandskriteriums keineswegs bei der - isoliert betrachtet - vagen Spruchfassung bewenden. Werden doch die vom Tätervorsatz erfaßten Rechtsschädigungen in den Urteilsgründen unmißverständlich (US 10 bis 15) auf eine Weise konkretisiert, die - der Beschwerdeauffassung zuwider - keinesfalls deshalb gegenstandslos wird, weil entsprechende Klarstellungen im Anklage- und Urteilstenor nicht mit derselben Ausführlichkeit zum Ausdruck gelangen. Die Rechtsrüge wäre daher zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes zur Orientierung an den entsprechenden subjektiven Tatsachenfeststellungen verhalten gewesen. Danach erstreckte sich aber der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten im einzelnen darauf, Manfred B***** in seinem Recht auf Unterbleiben von Verfolgungsschritten seitens eines unzuständigen und befangenen Organes nach rechtskräftiger Einstellung des von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden geführten Verfahrens und - in Ansehung der EKIS-Anfrage - im Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (§ 1 Abs 1 DSG) zu schädigen, sowie ferner der Verfahrenslegalität dienliche Rechtsinstrumente (Befangenheitsanzeige, Approbation, Abtretung), die insbesondere die Wahrung der Unbefangenheit, die Gewährleistung behördeninterner Überprüfung (SSt 57/75) und die Beschränkung der amtlichen Tätigkeit auf den gesetzmäßigen Wirkungsbereich bezwecken, auszuschalten. Auf der Grundlage eines dermaßen akzentuierten Tätervorsatzes erweisen sich aber sämtliche tatbestandsspezifischen Komponenten strafbaren Mißbrauchs der Amtsgewalt als erfüllt.

Hinzuzufügen ist, daß der (hinsichtlich des Erhebungsersuchens vom 23. Oktober 1994 zu Unrecht verneinte) tatsächliche Eintritt der vom Täter gewollten Rechtsbeeinträchtigung zur Deliktsverwirklichung nicht erforderlich ist, weshalb sich die Beurteilung dieser Tathandlung als bloßer Versuch als - zum Vorteil des Angeklagten - rechtlich verfehlt erweist.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 302 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dabei wertete es die wiederholte, intensive und nachhaltige Verletzung mehrerer Rechtsgüter als erschwerend, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und das vom Angeklagten in geringem Umfang abgelegte Teilgeständnis.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte (nach Maßgabe der §§ 37, 41 StGB) primär den Ausspruch einer Geldstrafe von weniger als 180 Tagessätzen, allenfalls einer Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten (jeweils in Verbindung mit umfassender bedingter Strafnachsicht) im wesentlichen mit der Begründung an, das Erstgericht habe den Unrechtsgehalt der in Rede stehenden Tathandlungen über-, das mildernde Gewicht des Teilgeständnisses jedoch unterbewertet und im übrigen das Ausbleiben nennenswerter Tatfolgen bzw das den Tathandlungen nachfolgende Wohlverhalten des Angeklagten durch geraume Zeit unberücksichtigt gelassen.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die durch die Wiederholung und die Modalitäten der urteilsgegenständlichen Mißbrauchsakte verdeutlichte Intensität des deliktischen Täterwillens stehen der über die ohnedies gewährte bedingte Strafnachsicht hinaus angestrebten Strafkorrektur sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Erwägungen entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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