Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin fuhr am 23. 6. 2007 in B***** mit ihrem Fahrrad auf der Gemeindestraße, die im Unfallbereich eine 90°-Kurve nach rechts beschreibt. Die Klägerin wollte aus ihrer Fahrtrichtung gesehen geradeaus in die dort abbiegende Straße bzw Häuserzufahrt einfahren und verlagerte deshalb ihre Fahrspur vom rechten Fahrbahnrand zur Mitte der Gemeindestraße hin. Aus einer Grundstückszufahrt, die von der Klägerin aus gesehen von links in die Gemeindestraße einmündet, näherte sich die Beklagte mit ihrem PKW. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sie ihr Fahrzeug noch innerhalb der mit einer Stopptafel versehenen Zufahrt oder erst auf der Gemeindestraße, diesfalls mit einer Geschwindigkeit von maximal 8,8 km/h, spätestens 1 m nach dem Einfahren in die Gemeindestraße, zum Stillstand brachte. Die Klägerin erschrak darüber, verriss die Lenkung nach rechts und kam zu Sturz, wodurch sie sich eine Fraktur des linken Handgelenks zuzog. Gegen die mangels Nachweises der Klägerin über die adäquate Schadensverursachung abweisliche Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin.
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab:
Rechtliche Beurteilung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dem für die Anwendbarkeit des EKHG in dessen § 1 aufgestellten Erfordernis „beim Betrieb" eines Kraftfahrzeugs genügt, wenn der Unfall in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder in einem adäquat ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (RIS-Justiz RS0022569; RS0022592; RS0022640; RS0022569). Die Worte „beim Betrieb" sind nicht dahin zu verstehen, dass nur Schäden zu ersetzen sind, die durch Berührung mit einem Kraftfahrzeug entstanden sind oder nur Schäden, die zu einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem sich das Kraftfahrzeug noch im Betrieb befand. Maßgebend ist vielmehr, dass der Schaden auf eine adäquate Ursache zurückzuführen ist, die das Kraftfahrzeug zu einem Zeitpunkt gesetzt hat, als es sich in Betrieb befand und die mit dem Betrieb des Fahrzeugs in Zusammenhang steht (RIS-Justiz RS0022728; vgl RIS-Justiz RS0023080).
Auch die bloße Gefährdungshaftung nach dem EKHG setzt daher Verursachung voraus (RIS-Justiz RS0043443). Die Vorschriften des EKHG ändern nichts daran, dass der Geschädigte die Verursachung seines Schadens durch das Kraftfahrzeug zu beweisen hat. Bleibt zweifelhaft, ob ein Schaden „beim Betrieb" eines Kraftfahrzeugs eingetreten ist oder eine andere Ursache hat, kann der Geschädigte eine Haftpflicht nicht in Anspruch nehmen (RIS-Justiz RS0022871; RIS-Justiz RS0109832; 2 Ob 215/06s; Schauer in Schwimann, ABGB3 VII § 1 EKHG Rz 53). Erst wenn dem Geschädigten der ihm obliegende Beweis gelungen ist und feststeht, dass das EKHG als Haftungsgrundlage herangezogen werden kann, ist danach zu fragen, ob der Haftpflichtige jene Tatsachen, die zu einem Entfall oder einer Einschränkung seiner Haftpflicht führen, bewiesen hat (2 Ob 215/06s; RIS-Justiz RS0109832).
In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in der bereits vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung 2 Ob 336/99x den Sturz eines Fußgängers, der über das Herannahen eines PKWs auf eine Entfernung von nicht unter 10 m erschrak, ohne dass eine besonders hohe Geschwindigkeit hätte festgestellt werden können, als nicht adäquat verursacht erkannt und daher die Anwendbarkeit des EKHG verneint. Ebenso wurde in 2 Ob 215/06s ein adäquat ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung des Klägers, der seinem Kind, das plötzlich auf die Fahrbahn gelaufen war, nacheilte, und einem sich nähernden PKW verneint.
Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0110361). Ebenso wenig die Frage, ob ein Schaden im Sinne des § 1 EKHG „beim Betrieb" eines Kraftfahrzeugs verursacht wurde (RIS-Justiz RS0111365), und die Beurteilung der adäquaten Kausalität in Betrachtung der Gesamtumstände im konkreten Einzelfall (RIS-Justiz RS0081105).
Wenn das Berufungsgericht hier einen adäquaten Zusammenhang verneinte, weil die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass die Beklagte überhaupt in die Gemeindestraße einfuhr, und beim konkreten Sachverhalt davon ausging, dass dann ein Erschrecken und Verreißen des Fahrrads durch die Klägerin vom herannahenden Fahrzeug der Beklagten nicht adäquat verursacht sei, ist darin weder ein Abweichen von der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch eine aufzugreifende Fehlentscheidung im Einzelfall zu erblicken. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, dient ihre Revisionsbeantwortung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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