OGH 3Ob8/09m

OGH3Ob8/09m25.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Helmut B*****, und 2. Christine B*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Peter M. Wolf, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Havlicek, Rechtsanwalt in Hollabrunn, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 4. November 2008, GZ 21 R 400/08h-33, womit über die Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 1. Juli 2008, GZ 4 C 150/08s-22, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der außerordentlichen Revision der klagenden Parteien werden das Urteil des Berufungsgerichts und das diesem vorangegangene Verfahren zweiter Instanz als nichtig aufgehoben und die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil der ersten Instanz zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 5.605,46 EUR (darin 934,24 EUR USt) sowie 3.362,88 EUR (darin 560,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies die Klage nach § 35 EO (Einwendungen gegen den Anspruch) mit Urteil ab. Dieses wurde dem Vertreter der Kläger am 15. Juli 2008 auf elektronischem Weg zugestellt, wie in der Berufung auch zugestanden wird. Am 19. September 2008 brachte er mittels Telefax (verbessert mit am 24. September eingelangtem Schriftsatz) eine Berufung dagegen ein.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der außerordentlichen Revision der Kläger ist eine in zweiter Instanz unterlaufene Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Sowohl das Erstgericht (§ 468 Abs 1 zweiter Satz ZPO) als auch das Berufungsgericht (§§ 471 Z 2 zweiter Fall, 473 Abs 1, 474 Abs 2 ZPO) haben bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Berufung den Umstand übersehen, dass es sich bei den in den §§ 35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten um Ferialsachen kraft Gesetzes (§ 224 Abs 1 Z 5 ZPO) handelt. Mit Ablauf des letzten Tages der gesetzlichen Notfrist (12. August 2008) erwuchs daher das Ersturteil mangels (rechtzeitiger) Anfechtung in Rechtskraft. Die Zustellung des Urteils an den Rechtsvertreter der Kläger auf elektronischem Weg war nach § 89a Abs 2 GOG iVm § 1 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006; BGBl II 2005/481, § 1 in der damals geltenden Fassung BGBl II 2007/333) zulässig, weil dieser iSd § 1 Abs 3 leg cit vom elektronischen Rechtsverkehr Gebrauch macht (wie sich aus dem auf seinen Schriftsätzen angegebenen Code iSd § 7 ERV 2006 und einer Einsicht in das Anschriftenverzeichnis der VJ - Verfahrensautomation Justiz ergibt). Darauf, dass er im vorliegenden Verfahren keine Eingaben auf diesem Weg tätigte, kommt es nicht an (6 Ob 199/06t). Die Kläger haben nicht geltend gemacht, dass die Daten der Erledigung (Ersturteil) nicht iSd § 89d Abs 2 GOG am im Akt festgehaltenen Tag in den elektronischen Verfügungsbereich ihres Vertreters gelangt wären. Das Urteil gilt daher nach der zitierten Norm als an diesem Tag, dem 15. Juli 2008, zugestellt. Die Vorinstanzen haben den Einfluss der Gerichtsferien auf den Lauf der Berufungsfrist unrichtig beurteilt, sodass das Berufungsgericht statt eines Zurückweisungsbeschlusses 2008 - nach mündlicher Berufungsverhandlung - eine Sacherledigung des somit verspäteten Rechtsmittels der Kläger vom 19. September 2008 vornahm. Sein Urteil ist daher vom Obersten Gerichtshof als nichtig aufzuheben (Gitschthaler in Rechberger³ § 225 ZPO Rz 2 mwN). Die durch die Sachentscheidung des Berufungsgerichts unterlaufene Nichtigkeit (Verstoß gegen die Rechtskraft des Ersturteils durch sachliche Entscheidung über die verspätete Berufung) ist gemäß § 411 Abs 2 ZPO vom Revisionsgericht amtswegig aus Anlass des nach der Verfahrensordnung zulässig erhobenen Rechtsmittels, wahrzunehmen (stRsp, RIS-Justiz RS0062118), weil dem Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes stets erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (RIS-Justiz RS0041896).

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf § 51 Abs 1 ZPO. Die klagenden Parteien haben sowohl in ihrer Berufungsbeantwortung als auch in der Revisionsbeantwortung auf die Verspätung des Rechtsmittels hingewiesen.

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