OGH 9ObA140/08s

OGH9ObA140/08s24.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Michael W*****, vertreten durch Dr. Gottfried Bischof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei i***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Brigitte Stampfer, Rechtsanwältin in Wien, wegen 61.496,59 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 47.836,56 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 2008, GZ 8 Ra 149/07a-75, womit das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 13. Juni 2007, GZ 21 Cga 201/03m-70, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zum Erfordernis der Unverzüglichkeit der Entlassung zutreffend wiedergegeben und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall vermag - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht zu rechtfertigen (9 ObA 59/07b; 9 ObA 161/08d; RIS-Justiz RS0031571 ua). Von einer krassen Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann hier nicht die Rede sein. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger - neben anderen Vorwürfen der Beklagten, auf die es aber letztlich nicht ankommt - über einen Zeitraum von mehreren Monaten in einer ganzen Reihe von Fällen fingierte Dienstreisen abgerechnet. Die fallbezogene Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Entlassung beim Vorliegen mehrerer entlassungsrelevanter Sachverhalte begründet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Aus der bloßen Zahl der Tage, die in Vorentscheidungen zwischen dem Bekanntwerden des Entlassungsgrunds und dem Ausspruch der Entlassung lagen und in einzelnen Fällen noch ausreichten, um die Rechtzeitigkeit der Entlassung zu bejahen, in anderen Fällen aber bereits ein zu langes Zuwarten des Arbeitgebers mit dem Ausspruch der Entlassung bedeuteten, ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts zu gewinnen (vgl 8 ObA 96/03f ua). Zutreffend wies das Berufungsgericht auf die ständige Rechtsprechung hin, dass die Anforderungen an die Unverzüglichkeit der Entlassung nicht überspannt werden dürfen (RIS-Justiz RS0031587 ua), sondern - ebenfalls nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls - auf die Erfordernisse des Wirtschaftslebens und die Betriebsverhältnisse Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0031789 ua). Dass sich die Aufmerksamkeit der Geschäftsführerin der Beklagten, der an einem Tag sowohl der Verdacht unberechtigter Reiserechnungen des Klägers als auch der Verlust des Auftrags eines vom Kläger bearbeiteten wichtigen Kunden bekannt wurden, zunächst auf diesen auch für allfällige Folgeaufträge bedeutenden Geschäftsfall und eine überdies am nächsten Tag stattfindende wichtige Präsentation, zu der auch die beiden Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin der Beklagten aus Deutschland anreisten, konzentrierte, steht mit der gebotenen Bedachtnahme auf die Erfordernisse des Wirtschaftslebens und die Betriebsverhältnisse im Einklang. Entgegen der offenbaren Auffassung des Revisionswerbers kann nicht schon aus jeder Verzögerung auf einen Verzicht des Arbeitgebers auf die Ausübung des Entlassungsrechts geschlossen werden (vgl 9 ObA 80/08t ua). Der Kläger hat in erster Instanz in Bezug auf die fingierten Reiserechnungen auch gar nicht behauptet, angenommen zu haben, die Beklagte wolle insoweit auf ihr Entlassungsrecht verzichten (vgl RIS-Justiz RS0029249 ua). Stattdessen verfolgte der Kläger in erster Instanz den - letztlich allerdings haltlosen - Prozessstandpunkt, wonach das Legen unberechtigter Reiserechnungen mit der Beklagten sogar vereinbart worden sei, um sich „in gewissem Ausmaß" Steuern und Sozialversicherungsbeträge zu ersparen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass hier nicht von einem schuldhaften Zögern des Arbeitgebers mit dem Ausspruch der Entlassung des Klägers wegen der Reiserechnungen gesprochen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0031799 ua), ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls nicht unvertretbar. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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