OGH 8Ob167/08d

OGH8Ob167/08d23.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Unterbringungssache des Kranken Sasa T*****, derzeit I. psychiatrische Abteilung *****, über den Revisionsrekurs des Kranken, vertreten durch den Patientenanwalt Mag. Michael H*****, Patientenanwaltschaft Geschäftsstelle S*****, dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. Oktober 2008, GZ 21 R 500/08p-19, womit dessen Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. September 2008, GZ 36 Ub 682/08k-9, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine inhaltliche Behandlung des Rekurses aufgetragen.

Text

Begründung

Der Kranke war von 8. 9. bis 7. 10. 2008 in der geschlossenen Station S 3 der I. psychiatrischen Abteilung der *****Klinik S***** untergebracht. Die Unterbringung erfolgte wegen Fremdgefährdung iSd § 3 Z 1 UbG. Anlässlich der Erstanhörung des Kranken am 11. 9. 2008 erklärte das Erstgericht die Unterbringung für vorläufig zulässig. Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verkündete das Erstgericht in der mündlichen Verhandlung am 22. 9. 2008 den Beschluss, dass die Unterbringung des Kranken für die Dauer von insgesamt sechs Wochen zulässig sei. Das Erstgericht sprach aus, dass die Unterbringung daher spätestens am 20. 10. 2008 ende. Gleichzeitig wies es Anträge des Patientenanwalts auf Erstreckung der Tagsatzung ab.

Noch vor Zustellung dieses Beschlusses an den Kranken - die am 29. 9. 2008 erfolgte - leitete der Patientenanwalt einen vom Kranken persönlich unterfertigten Rekurs gegen diesen Beschluss, datiert mit 22. 9. 2008, an das Erstgericht weiter. Diesem Rekurs gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 26. 9. 2008 (ON 16) nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Am 30. 9. 2008 erhob der Patientenanwalt im Namen des Kranken ebenfalls Rekurs gegen den Unterbringungsbeschluss des Erstgerichts. Diesen Rekurs wies das Rekursgericht mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung zurück, wobei es aussprach, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht dazu Stellung genommen habe, ob der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels auch dann anzuwenden sei, wenn sowohl der Kranke selbst als auch der Patientenanwalt von ihrem Rechtsmittelrecht Gebrauch machten.

Rechtlich meinte das Rekursgericht, dass der Patientenanwalt nach ständiger Rechtsprechung ein aus Zweckmäßigkeitsgründen vorgesehener Vertreter des Kranken kraft Gesetzes mit einem durch das Unterbringungsgesetz umschriebenen Wirkungskreis sei. Sein Rechtsmittel könne immer nur Rechtsmittel des von ihm Vertretenen sein, auch wenn es sein Recht sei, Rechtsmittel unabhängig vom Willen des Kranken zu erheben. Berücksichtige man, dass auch im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels gelte, so sei die hier vorliegende Fallkonstellation einer zweimaligen Erhebung von Rechtsmitteln (einmal durch den Patienten selbst und dann durch dessen Patientenanwalt) durch ein und dieselbe Partei gleichzuhalten. Das Rechtsmittelrecht des Patientenanwalts als Vertreter des Kranken sei durch die Rekurserhebung des Kranken verbraucht worden, da der Patientenanwalt ja nur im Namen des Kranken rechtsmittellegitimiert sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Kranken, vertreten durch den Patientenanwalt, mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Unterbringung für unzulässig erklärt werde; hilfsweise wird der Antrag gestellt, dem Rekursgericht die Fortsetzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Der Abteilungsleiter beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist im Sinne seines Eventualantrags auf Aufhebung der Rekursentscheidung auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass der Revisionsrekurs erkennbar nicht vom Patientenanwalt persönlich, sondern in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Kranken erhoben wurde:

Im Rekurs (ON 13) bezeichnete sich der Patientenanwalt ausdrücklich als Vertreter des Kranken. Im Rubrum des Revisionsrekurses fehlt zwar ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis; aus den Revisionsrekursausführungen, die mehrfach auf die Vertreterstellung des Patientenanwalts Bezug nehmen, ist jedoch ableitbar, dass der Patientenanwalt gerade nicht persönlich, sondern im Namen des Kranken handelt. Der Einleitung eines Verbesserungsverfahrens bedarf es daher nicht.

Vorauszuschicken ist ferner, dass trotz des Umstands, dass der vom Erstgericht für zulässig erklärte Unterbringungszeitraum bereits endete, dem Kranken nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0071267) weiterhin ein rechtliches Interesse an der Feststellung zuzubilligen ist, ob die Unterbringung zu Recht erfolgte. Gemäß § 14 Abs 1 UbG wird der Patientenanwalt mit der Aufnahme eines ohne Verlangen untergebrachten Kranken kraft Gesetzes dessen Vertreter für das in diesem Bundesgesetz vorgesehene gerichtliche Verfahren und zur Wahrnehmung der insbesondere in den §§ 33 bis 39 UbG verankerten Rechte. Gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 UbG können der Kranke und sein Vertreter gegen den Beschluss, mit dem die Unterbringung für zulässig erklärt wird, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Der Gesetzgeber hat also, vergleichbar den Regelungen im Sachwalterrecht (vgl dazu RIS-Justiz RS0006229; 2 Ob 173/08t mwN), ausdrücklich angeordnet, dass der Kranke grundsätzlich selbstständig verfahrensfähig bleibt. Die Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Kranken wird durch die Vertretungsbefugnis des Patientenanwalts nicht berührt (Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz [1993] Anm 6 zu § 14; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts² [2005] Rz 475 f). Auch der Bericht des Justizausschusses (AB 1202 BlgNR 17. GP 7) hält fest, dass der Kranke in seiner Geschäftsfähigkeit und ein sonstiger Vertreter des Kranken in seiner Vertretungsbefugnis durch den Patientenanwalt nicht beeinträchtigt werden. Umgekehrt sollen allfällige Verfahrenshandlungen des Kranken und seines Vertreters (etwa ein Rechtsmittelverzicht) die Stellung des Patientenanwalts, dem die Wahrung der Rechte des Kranken obliegt, als Beteiligten (vgl § 9 AußStrG) grundsätzlich nicht beeinflussen.

Richtig ist nun, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Rechtsmittel „des Patientenanwalts" immer nur Rechtsmittel des von ihm Vertretenen sein können, auch wenn sein Recht, den Rekurs zu erheben, vom Willen des Kranken unabhängig ist (RIS-Justiz RS0075886; 6 Ob 169/08h, 3 Ob 263/07h). Das ändert allerdings nichts daran, dass aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes der Kranke stets auch neben dem Patientenanwalt in den seine Unterbringung betreffenden Angelegenheiten selbstständig handeln kann. Räumt aber der Gesetzgeber dem Kranken einerseits und seinem Vertreter andererseits selbstständige, voneinander unabhängige Verfahrensrechte ein, würde es dem mit dieser Anordnung offenbar verfolgten Gesetzeszweck, nämlich dem Kranken umfassenden Rechtsschutz einzuräumen, in Widerspruch stehen, wollte man den vom Rekursgericht herangezogenen Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels - der grundsätzlich auch im Außerstreitverfahren gilt (RIS-Justiz RS0007007) - bei Rekurserhebung des Kranken selbst einerseits und des Kranken, vertreten durch den Patientenanwalt, andererseits strikt zur Anwendung bringen: Es hinge dann unter Umständen von Zufälligkeiten ab, welcher der Rekurse zuerst erhoben wurde und damit dabei inhaltlich als erster zu behandeln ist. Der Zweck, den Kranken einerseits selbstständig handeln zu lassen, dem Patientenanwalt andererseits aber im Namen des Kranken auch Rechte sogar gegen den Willen des Kranken einzuräumen, wäre konterkariert, würde man gerade im Fall der Rekurserhebung die selbstständige Verfahrensstellung beider Genannten unterschiedlich behandeln. So halten etwa die Materialien zur vergleichbaren Bestimmung des § 127 AußStrG, der die Rekurslegitimation im Sachwalterbestellungsverfahren regelt, wörtlich fest (RV BlgNR 224 22. GP 83): „Stimmen Rekurse, die die betroffene Person, ihr gesetzlicher Vertreter und der Verfahrenssachwalter gestellt haben, nicht überein, so sind bei der Entscheidung alle Rechtsmittel inhaltlich zu berücksichtigen."

Die bereits erfolgte inhaltliche Behandlung des Rekurses des Kranken enthob das Rekursgericht somit nicht von der Verpflichtung, den später eingebrachten, aber rechtzeitigen Rekurs des Kranken, vertreten durch den Patientenanwalt, ebenfalls inhaltlich zu erledigen. Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels ist hier nicht anzuwenden.

Ob - wie in der Revisionsrekursbeantwortung behauptet - der (erste) Rekurs des Kranken in Wahrheit vom Patientenanwalt verfasst wurde, ist unerheblich, weil der Rekurs nicht vom Patientenanwalt, sondern vom Kranken unterfertigt wurde (ON 6) und damit unabhängig davon, wer die Rekursausführungen auf welchem Schreibgerät tatsächlich geschrieben hat, von einem Rekurs des Kranken selbst auszugehen ist. Das Rekursgericht wird daher (auch) den Rekurs des Kranken, vertreten durch seinen Patientenanwalt, einer inhaltlichen Behandlung zu unterziehen haben.

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