OGH 11Os189/08s

OGH11Os189/08s17.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ramazan B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. Oktober 2008, GZ 25 Hv 147/08a-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Weber zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (nicht hingegen im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Ramazan B***** wird für das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die weitere Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Ramazan B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er Gewahrsamsträgern der Firma M-***** Spirituosen im Gesamtwert von 764,20 Euro mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar

1. am 6. August 2008 in Hall in Tirol drei Flaschen Chivas Regal und eine Flasche Jack Daniels im Gesamtwert von 87,96 Euro, wobei die Tat beim Versuch blieb;

2. a) am 6. August 2008 in Volders zwei Flaschen Remy Martin im Gesamtwert von 59,80 Euro;

b) Anfang August 2008 in diversen, nicht mehr feststellbaren M-*****-Filialen insgesamt 29 Flaschen Spirituosen im Gesamtwert von 616,44 Euro, nämlich zehn Flaschen Jack Daniels (Wert 219,90 Euro), fünf Flaschen Absolut Wodka (Wert 64,95 Euro), elf Flaschen Chivas Regal (Wert 241,89 Euro) und drei Flaschen Remy Martin (Wert 89,70 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 5, 9 lit a und lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aktenwidrigkeit im Sinne der geltend gemachten Nichtigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Dass dem Angeklagten die Erhebungsergebnisse der Polizeiinspektion Hall in Tirol nicht ausreichend begründungstauglich erscheinen, stellt diesen Nichtigkeitsgrund nicht dar.

Die Aussage der Zeugin O*****, man könne anhand der Chargennummer nicht nachprüfen, ob die sichergestellte Ware gestohlen oder gekauft wurde (S 19 in ON 31), war nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall), weil sich aus ihr keine für die Lösung der Schuldfrage zweckdienlichen Rückschlüsse ergeben und sie auch der Feststellung, die Ware sei gestohlen worden, nicht entgegensteht. Soweit in diesem Zusammenhang zur Frage, ob „Ware dieser Gattung überhaupt unbezahlterweise fehlt", eine nicht hinreichende Ausschöpfung der Beweismittel gerügt wird (der Sache nach Z 5a), macht der Angeklagte nicht deutlich, wodurch er bzw sein Verteidiger an der Ausübung des Rechts, eine entsprechende Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu beantragen, gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) releviert mangelnde Feststellungen zum Zueignungsvorsatz, übergeht dabei aber die Konstatierungen, wonach der Angeklagte die Spirituosen an sich nahm und damit die Geschäfte jeweils ohne Bezahlung verließ (US 6) und es ihm dabei darauf ankam, sich durch den Weiterverkauf der Spirituosen unrechtmäßig zu bereichern (US 7), und legt nicht dar, welche weiteren Konstatierungen noch erforderlich gewesen wären (vgl im Übrigen zum Weiterverkauf weggenommener Sachen Bertel in WK2 § 127 Rz 32). Die spekulativen Erwägungen zum Vorliegen tätiger Reue (Z 9 lit b) beim Schuldspruchfaktum 1. gehen entgegen den Feststellungen der Tatrichter von einem vollendeten Diebstahl aus und verfehlen so die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht (RIS-Justiz RS0099810). Soweit der Angeklagte alternativ hiezu meint, das Gericht hätte einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch prüfen müssen (vgl aber US 6: „... jedoch beobachtet und betreten, weshalb er ... floh ..."), gibt er keine Verfahrensergebnisse an, die das Vorliegen dieses Strafaufhebungsgrundes indizierten. Auch die Behauptung von Feststellungsmängeln kann prozessordnungsgemäß aber nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsannahmen erfolgen und erfordert die Darlegung, dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte rechtlich erhebliche Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde (RIS-Justiz RS0099689).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) vernachlässigt ebenfalls die allein maßgeblichen erstgerichtlichen Konstatierungen, wenn sie - spekulativ - vorbringt, es kämen „doch zahlreiche Deliktstypen neben § 127 StGB in Betracht, durch die der Angeklagte in den Besitz der im Urteilsspruch 2.b) genannten Waren gekommen ist". Der abweichende Feststellungen anstrebende Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, er habe die Spirituosen von einem Türken gekauft, bekämpft bloß - in diesem Rahmen unzulässig - die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Dem Einwand der Beschwerde zuwider blieb die gewerbsmäßige Tendenz des Angeklagten nicht unbegründet (der Sache nach Z 5), sondern wurde auf dessen Angaben gestützt, wonach er im Tatzeitraum kein Geld gehabt und eine Einnahmequelle in Form des Weiterverkaufs der Spirituosen gesucht habe, „um sich und seine schwangere Ehegattin durchzubringen" (US 10 f). Das weitere Vorbringen, die Absicht eines Diebes, seine Beute zu verkaufen, begründe noch keine Gewerbsmäßigkeit, übergeht die eindeutige Urteilsannahme, wonach es dem Angeklagten darauf ankam, sich durch die fortlaufende Begehung von Spirituosendiebstählen eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (US 7).

Im bisher dargestellten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit zu verwerfen.

Zutreffend weist die Sanktionsrüge (Z 11) aber darauf hin, dass die Tatrichter nach deren Erwägungen zur Strafbemessung von einem „Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe" ausgingen (US 11), obwohl der erste Strafsatz des § 130 StGB eine Strafobergrenze von fünf Jahren vorsieht. Demgemäß liegt - wenn auch die tatsächlich verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren im gesetzlichen Strafrahmen Deckung findet - Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall vor (RIS-Justiz RS0099957).

Bei der nach Aufhebung des Strafausspruches notwendigen Strafneubemessung waren die Tatwiederholung, die einschlägigen, die Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen sowie der rasche Rückfall als erschwerend zu werten (dies - entgegen der Argumentation der Rüge - ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot; vgl RIS-Justiz RS0091623). Als mildernd wurden das teilweise Geständnis, die Sicherstellung der Beute sowie der Umstand, dass es teils beim Versuch blieb, berücksichtigt. Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe ist eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren tat- und schuldangemessen. Der bedingten Nachsicht auch nur eines Teils der Freiheitsstrafe steht unabweislich schon das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten entgegen. Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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