Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil ordnete das Landesgericht Innsbruck die (gemäß § 45 Abs 1 StGB für eine Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehene) Unterbringung des Peter S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB an, weil er am 20. November 2006 in L***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen Abartigkeit höheren Grads beruht, die Arzthelferin Helena P***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich zum Heraussuchen einer Telefonnummer zu nötigen versuchte, indem er ein zirka 25 Zentimeter langes Küchenmesser mit der Spitze voran in den Tresen der Ordination des Dr. Helmut F***** stieß und äußerte, sie solle endlich weiter tun, sonst passiere etwas, und dadurch eine Tat beging, die ihm außerhalb dieses Zustands als das mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zugerechnet würde.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Betroffene mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 11 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde, der - im Ergebnis - Berechtigung zukommt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt letztlich zutreffend auf, dass dem Urteil im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Anlasstat Nichtigkeit in diesem Sinn anhaftet. Eine unter dem Einfluss der Zurechnungsunfähigkeit begangene Anlasstat ist nämlich nur dann mit Strafe bedroht (worauf § 21 Abs 1 StGB abstellt), wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt sind (RIS-Justiz RS0090295; Ratz in WK2 § 21 Rz 14). Eindeutige Feststellungen darüber, dass sich der Vorsatz des Beschwerdeführers auch darauf erstreckte, das Opfer tatsächlich mit einer aus § 74 Abs 1 Z 5 StGB relevanten Rechtsgutbeeinträchtigung zu bedrohen, in der Bedrohten also den Eindruck zu erwecken, er sei willens und in der Lage, das angedrohte Übel, den Tod, herbeizuführen (RIS-Justiz RS0092878), lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Denn der festgestellte Wille des Betroffenen bezog sich - den erstrichterlichen Konstatierungen zufolge - auf die Erreichung des Nötigungsziels, nämlich darauf, dass Helena P***** die von ihm gewünschte Telefonnummer „schneller" (US 5) bzw „zügiger" (US 6) heraussuche. Mit der Urteilsannahme, dass Peter S***** „selbst für sich davon ausging", eine derartige Handlung würde „bei einer dritten Person ebenso wie bei ihm Angst, erstochen zu werden, also vor dem Tod, auslösen" (US 5), wird nur das intellektuelle Element des Vorsatzes angesprochen, ohne die gleichfalls erforderliche voluntative Komponente (Reindl in WK2 § 5 Rz 2 f) der inneren Tatseite zu beschreiben. Die Darstellung einer auf Verwirklichung des angedrohten Übels gerichteten „ernsten Absicht" (US 7) betrifft wiederum nur die (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu prüfende) Eignung der Handlung, beim Opfer die begründete Besorgnis auszulösen, der Täter sei nicht nur imstande, sondern auch willens, das angedrohte Übel auch zu verwirklichen. Feststellungen zum Vorsatz des Betroffenen, dem Opfer eine Verletzung am Körper anzudrohen, welche Tat im Anlassfall sogar so weit gehen soll, dass es um sein Leben fürchten muss, wurden damit nicht getroffen.
Soweit der Betroffene im Übrigen Feststellungen zum „Zusammentreffen eines lebensgefährlichen Mittels mit dessen lebensgefährlichem Gebrauch" vermisst, weil die „bloße Stichbewegung mit einem geöffneten Messer gegen eine (sogar) einen Meter entfernt stehende Person nur dann der Verbrechensqualifikation (Todesdrohung) zu unterstellen sei, wenn die Gefährlichkeit des tatverfangenen Messers feststehe und dieses auch konkret in lebensgefährlicher Weise angewandt würde", erweist sich sein rechtlicher Ansatz als verfehlt. Denn zur Annahme einer gefährlichen Drohung als Nötigungsmittel im Sinn des § 106 Abs 1 Z 1 StGB bedarf es bloß der Feststellung, dass der vom Vorsatz des Täters umfasste Sinngehalt seiner Handlung(en) darin lag, beim Opfer den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung der bevorstehenden und gegen das Leben des Bedrohten gerichteten Rechtsgutbeeinträchtigung zu erwecken (Jerabek in WK2 § 74 Rz 34). Die tatsächliche Eignung der Tathandlung, beim Bedrohten begründete Besorgnis auszulösen, ist hingegen als Gegenstand der rechtlichen Beurteilung und unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs auf Basis der Feststellungen zum Sinngehalt der Äußerung und der Gesamtsituation aus Sicht des Opfers zu überprüfen (Jerabek, Rz 33 f), wobei für die Annahme einer Drohung mit dem Tod ein entsprechender - die Todesfolge ausdrücklich hervorhebender - Wortlaut keineswegs vorausgesetzt wird (RIS-Justiz RS0092947). Die - grundsätzlich nur beim Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB tatbestandsessenzielle - Verwendung eines an sich gefährlichen Mittels in konkret lebensgefährlicher Weise wird zwar den Eintritt von Lebensgefahr in aller Regel befürchten lassen, ist aber für die Annahme der Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB keineswegs unabdingbare Voraussetzung, kann doch eine Drohung mit dem Tod auch bloß verbal oder unter Verwendung einer - zu einem konkret lebensgefährlichen Einsatz meist untauglichen - Waffenattrappe oder mit Hilfe einer (ebenfalls mindergefährlichen) Gaspistole (RIS-Justiz RS0092869, RS0092983) erfolgen.
Mit der spekulativen Behauptung, durch das Steckenbleiben des Messers im Tresen sei ein „gegenwärtiger Angriff auf Leib und Leben ausgeschlossen", entfernt sich die Rüge vom festgestellten Urteilssachverhalt (US 7) und verfehlt solcherart ihren gesetzlichen Bezugspunkt (Ratz WK-StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810). Dem abschließenden Beschwerdeeinwand zuwider wurde die Verwirklichung des Sachverhalts vom Oberlandesgericht Innsbruck als Einspruchsgericht nicht in Frage gestellt, sondern - auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass „der Betroffene über die im Einweisungsantrag angeführte Äußerung hinaus ... eine konkrete Drohung nicht geäußert" habe - die Beantwortung der Sachverhaltsfrage dem erkennenden Gericht überlassen (S 184).
Im Hinblick auf die obigen Erwägungen zur Rechtsrüge des Angeklagten zeigte sich bereits bei nichtöffentlicher Beratung, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§ 285e StPO).
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