OGH 15Os138/08w

OGH15Os138/08w26.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schmidmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen DDr. Martin B***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 31 HR 3/08w des Landesgerichts Wr. Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Kevin K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 4. August 2008, AZ 19 Bs 347/08f, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Kevin K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Kevin K***** sowie weitere Beschuldigte ist bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB sowie auch wegen der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, in eventu der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB anhängig. Über den am 21. Mai 2008 Festgenommenen wurde die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO verhängt.

Mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 7. Juli 2008 wurde die Untersuchungshaft gegen ihn aus diesen Gründen sowie auch aus lit c des § 173 Abs 2 Z 2 StPO fortgesetzt. Der dagegen gerichteten Beschwerde K*****s gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und ordnete die weitere Fortsetzung der Haft (nur mehr) aus dem Grund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO an.

Der Beschwerdeführer wurde mittlerweile über Antrag der Anklagebehörde am 2. September 2008 enthaftet.

Eine vorangegangene Grundrechtsbeschwerde des Kevin K***** (betreffend einen Haftbeschluss des Oberlandesgerichts vom 11. Juli 2008) wurde mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, AZ 15 Os 116/08k, abgewiesen.

Der Genannte steht - inhaltlich des erstinstanzlichen und auch des angefochtenen Beschlusses - im dringenden Verdacht, I./ sich in Wien und anderen Orten Österreichs mit dem jeweils deliktsspezifischen Vorsatz (§ 278 Abs 3 StGB) an einer seit Jahren bestehenden, auf längere Zeit angelegten, international operierenden, auf schwere Nötigung und Sachbeschädigung ausgerichteten, jedenfalls aus mehr als zehn Personen bestehenden Personengruppe, die dem militanten Tierrechtsspektrum zuzuordnen ist und unter Pseudonymen wie „ALF Animal Liberation Front", „TBF Tierbefreiungsfront" und „ARM Animal Rights Militia" auftritt, beteiligt und hiedurch das Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB begangen zu haben,

II./3./ am 10. September 2007 in Wien den PKW der Marjan Fi***** der Marke Mini One durch Auftragen einer streichfähigen Substanz (Lacklösungsmittel/Buttersäure) an verschiedenen Stellen der Karosserie, Einbringen von Buttersäure in das Fahrzeuginnere und Aufstechen aller Reifen beschädigt zu haben, wobei der Schaden 8.410 Euro betrug,

III./ im einverständlichen Zusammenwirken mit anderen Personen am 20. Februar 2008 in Perchtoldsdorf die Pressesprecherin der Firmen K***** und H*****, Marjan Fi*****, durch Überreichen eines Flugblattes mit der Aufforderung „Ausstieg aus dem Pelzhandel - Jetzt", durch Versperren des Weges, Umringen des Fahrzeuges der Frau und durch teils heftiges und lautes Einschlagen auf den Wagen mit einer Verletzung am Vermögen gefährlich bedroht und sie so zur Einflussnahme auf die Geschäftsziele ihres Dienstgebers, im Besonderen zur Einstellung des Handels mit Naturpelzen, zu nötigen versucht zu haben.

Der weiters im Rahmen des gegen K***** geführten Verfahrens

bestehende Verdacht, er habe

II./ zwischen 3. und 4. April 2007 in Wien,

1./ den auf die Otto G***** GmbH zugelassenen, von Peter G***** benutzten PKW der Marke Mercedes E 280 durch Aufstechen sämtlicher Reifen, Überschütten des Wagens mit roter Farbe, Verschmieren der Windschutzscheibe mit einer rosa Flüssigkeit, Beschmieren am Kofferraumdeckel und an der Motorhaube mit einer durchsichtigen, gallertartigen, säuerlich riechenden Substanz, sowie 2./ den PKW der Daniela G*****-Ku***** der Marke BMW durch Aufstechen von zwei Reifen und Beschmieren der Scheiben und der Karosserie des Wagens mit ätzender Flüssigkeit beschädigt, wobei der Gesamtschaden 18.128,57 Euro betrug, wurde vom Ermittlungsrichter nicht mehr als dringend angesehen, während das Oberlandesgericht im angefochtenen Beschluss die Dringlichkeit des Tatverdachts auch in diesem Umfang bejaht hat (BS 20).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Kevin K*****; sie schlägt fehl.

Soweit die Beschwerde das Fehlen eigener Feststellungen des Oberlandesgerichts zum dringenden Tatverdacht vermisst, übersieht sie, dass - wie bereits zu 15 Os 116/08k eingehend ausgeführt - der deutliche Verweis auf bestimmte Texte (wie frühere Beschlüsse) methodisch deren Wiedergabe darstellt und das Oberlandesgericht durchaus berechtigt ist, sich jene Argumente, auf die Bezug genommen wird, zu eigen zu machen, sich also damit zu identifizieren (Ratz,

Der Tatverdacht im Grundrechtsbeschwerdeverfahren, JBl 2000, 536; 14 Os 109/08y). Warum die - auch wörtliche - Wiedergabe von Ausführungen des Erstgerichts, der Oberstaatsanwaltschaft oder eines früheren Beschlusses des Oberlandesgerichts unzulässig sei bzw im konkreten Fall zu einer Grundrechtsverletzung geführt habe, legt die Grundrechtsbeschwerde nicht schlüssig dar.

Das Oberlandesgericht hat die getroffenen Feststellungen zu I./, II./3./ und III./ ebenso zureichend begründet wie bereits in seiner Entscheidung vom 11. Juli 2008 (s dazu erneut 15 Os 116/08k), wogegen die Grundrechtsbeschwerde mit eigenständig beweiswürdigenden Erwägungen nichts substantiell Neues einzuwenden vermag. Soweit sie kritisiert, dass das Oberlandesgericht - entgegen der Ansicht des Erstrichters und der Oberstaatsanwaltschaft - auch von einem dringenden Tatverdacht zu II./a./ und 2./ ausgegangen ist, kann in Hinblick auf die mängelfreie Begründung des - bereits allein hafttragenden - dringenden Verdachts in Richtung §§ 278a, 15, 105 Abs 1 StGB sowie §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (betreffend II./3./) dahingestellt bleiben, ob auch die Annahme, der Beschwerdeführer sei weiters dringend verdächtig, zwischen 3. und 4. April 2007 in Wien weitere Sachbeschädigungen begangen zu haben, zureichend begründet worden ist (RIS-Justiz RS0061132; 15 Os 116/08k; Hager/Holzweber GRBG § 2 E 15 f).

Mit ihrer Kritik am behaupteten Fehlen der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer kriminellen Organisation iSd § 278a StGB wird die Grundrechtsbeschwerde zur Gänze auf die eingehenden rechtlichen Ausführungen zu 15 Os 116/08k verwiesen.

Soweit die Beschwerde eine Annahme des Haftgrunds der Verdunkelungsgefahr bemängelt, orientiert sie sich nicht am Tenor des angefochtenen Beschlusses, der diesen Haftgrund gerade nicht enthält. Das - somit verfehlte - wörtliche Referat der Begründung eines früheren Beschlusses zu diesem Haftgrund in den Gründen des angefochten Beschlusses (BS 21) ist unbeachtlich.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nicht willkürlich angenommen, sondern über das behauptete Ausmaß hinaus eingehend begründet (BS 21 f; vgl dazu erneut 15 Os 116/08k).

Der Beschuldigte wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, sodass die Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war.

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