OGH 9Ob57/07h

OGH9Ob57/07h25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Heidemarie B*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Leopold J*****, Pensionist, *****, vertreten durch Heller-Pitzal-Pitzal Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen 464.069,56 EUR sA, über die Revisionen der beklagten und klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2006, GZ 11 R 39/06w-331, womit das Urteil des Landesgerichts Wien vom 30. Jänner 2006, GZ 5 Cg 81/99i-298, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, welches hinsichtlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils (Zuspruch von 59.997,11 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 6. 2004) unberührt bleibt, wird im Übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist das einzige Kind des am 20. 8. 1993 unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung (Testament zugunsten des Beklagten) verstorbenen Gerhard H*****. Dieser hatte in den letzten Jahren vor seinem Tod den Wunsch, dem Beklagten, der sich anders als die Klägerin stets um ihn gekümmert hatte, sein gesamtes Vermögen zukommen zu lassen. Er schenkte ihm daher am 20. 1. 1992 seine Liegenschaft in Wien *****., S*****platz 3. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gerhard H***** einen Kreditvertrag bezüglich eines Kontokorrentkredits über 3 Mio ATS und eine Pfandbestellungsurkunde zur Einverleibung einer Höchstbetragshypothek für einen Höchstbetrag von 4,2 Mio ATS unterfertigt. Nicht festgestellt werden konnte, dass dieser Kreditrahmen zum Schenkungszeitpunkt auch nur teilweise von H***** ausgenützt war oder in der Folge in Anspruch genommen wurde. Es wurde vereinbart, dass der Beklagte die Zurückzahlung des Kontokorrentkredits allein und vollständig zu übernehmen habe. Die Darlehensvaluta wurde nicht Gerhard H*****, sondern ausschließlich dem Beklagten selbst ausbezahlt, der dann auch die Kreditraten leistete. Er verfügte auch die Überweisung eines monatlichen Betrags von 17.000 ATS an Gerhard H*****, dies jedoch nicht aufgrund einer übernommenen Verpflichtung, sondern freiwillig und als Freundschaftsdienst im Hinblick auf das gesamte ihm von Gerhard H***** geschenkte Vermögen. Der Verkehrswert der Liegenschaft S*****platz 3 betrug im Zeitpunkt des Erbfalls 14,5 Mio ATS, wobei nicht festgestellt werden konnte, dass zur Zeit der Schenkung ein anderer Verkehrswert bestanden hatte. Mit Testament vom 23. 1. 1992 setzte Gerhard H***** den Beklagten zu seinem Alleinerben ein. Der spätere Erblasser war auch Eigentümer einer Liegenschaft am Semmering, deren Wert im Jahr 1991 auf rund 5,6 Mio ATS geschätzt worden war und welche er verkaufen wollte. Im März 1993 verkaufte er diese Liegenschaft dann an den Beklagten, und zwar zu einem Kaufpreis von 5,5 Mio ATS. Um diesen Kauf finanzieren zu können, nahm der Beklagte bei der Bank ***** einen Kredit über 5,5 Mio ATS auf. Er eröffnete mit der Kreditvaluta ein auf Überbringer lautendes Sparbuch mit einer Einlage von 5,5 Mio ATS und händigte dieses Sparbuch Gerhard H***** unter Nennung des Losungsworts zwecks Begleichung des Kaufpreises aus. Im Mai oder Juni 1993 teilte Gerhard H***** dem Beklagten mit, dass er ihm vom Sparbuch zuerst 3 Mio ATS und dann nochmals 2,5 Mio ATS schenken wolle, damit der Beklagte seine Kreditschuld tilgen könne. Er überließ das Sparbuch dem Beklagten, der die Beträge von 3 Mio ATS und 2,5 Mio ATS behob und damit sein Kreditkonto abdeckte, welches am 2. 6. 1993 als beglichen geschlossen wurde. Auf dem Sparbuch verlieb ein Guthabenstand von 10.000 ATS. Zu einer Einverleibung des Beklagten als Eigentümer der Liegenschaft am Semmering kam es nicht mehr. Damit fiel die Semmering-Liegenschaft nach dem Tod von Gerhard H***** in den Nachlass. Die Verlassenschaft nach Gerhard H***** wurde durch einen Abhandlungskurator vertreten, dessen Kosten mit 89.256,74 bestimmt wurden. Die Klägerin obsiegte in einem Verfahren gegen die Verlassenschaft mit einer Pflichtteilsforderung in Höhe von insgesamt 9.650.000 ATS samt 4 % Zinsen seit 20. 8. 1993 (8 Cg 91/95a des LG f ZRS Wien). Zugunsten dieser Forderung wurde die im Nachlass verbliebene Liegenschaft am Semmering zwangsversteigert. Das Meistbot betrug einschließlich der Fruktifikatszinsen 269.879,66 EUR und wurde der Klägerin am 1. 12. 2003 ausbezahlt.

Bereits nach ziffernmäßiger Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs durch die Klägerin gegenüber dem Beklagten veräußerte dieser die Liegenschaft S*****platz 3 an die D***** LiegenschaftsvermietungsgesmbH, deren Eigentum in der Folge im Grundbuch einverleibt wurde.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt 699.727,45 EUR (nämlich den Pflichtteilsanspruch in Höhe von 701.292,85 EUR abzüglich aufgerechneter, dem Beklagten zuerkannter Kosten in Höhe von 1.565,40 EUR) samt 4 % Zinsen seit 20. 8. 1993 zuzüglich der ihr im Pflichtteilsprozess zugesprochenen Kosten von 34.221,77 EUR abzüglich des Versteigerungserlöses für die Liegenschaft am Semmering in Höhe von 265.000 EUR sowie der Fruktifikatszinsen aus diesem Versteigerungserlös von 4.879,66 EUR. Die Verlassenschaft reiche nicht hin, die Pflichtteilsforderung der Klägerin zu decken, sodass sie vom Beklagten den Schenkungspflichtteil begehre, weil dieser innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Tod des Gerhard H***** nahezu dessen gesamtes Vermögen geschenkt erhalten habe. Der Beklagte wendete ein, die Liegenschaft am Semmering sei zwangsversteigert worden und damit die Rückabwicklung des Kaufvertrags ausgeschlossen. Der schenkungsweise Erlass des Kaufpreises könne bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht herangezogen werden, weil der Beklagte nach der Zwangsversteigerung der Liegenschaft den Vorteil aus diesem Geschäft ohne sein Verschulden nicht mehr in Händen habe. Zu berücksichtigen sei ferner, dass hinsichtlich der Liegenschaft S*****platz eine gemischte Schenkung vorliege, da der Beklagte Schulden aus einem Kreditverhältnis übernommen habe. Überdies seien noch Verbindlichkeiten gegenüber den Wiener Stadtwerken in Höhe von 3.474,70 ATS als Passiva und somit pflichtteilsmindernd anzurechnen. Dann seien noch die Kosten des Verlassenschaftskurators und die dem Beklagten im Verfahren 26 Cg 20/96v des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zuerkannten Verfahrenskosten von 138.139,18 EUR als Passiva abzuziehen. Schließlich habe die Klägerin bezüglich der dem Beklagten zuerkannten Rekurskosten von 2.577,24 EUR eine Aufrechnung mit ihren Ansprüchen erklärt, weshalb auch diese Forderung in Abschlag zu bringen sei. Erst mit der Rechtskraft des Teilurteils im ersten Rechtsgang (ursprüngliches AZ: 12 Cg 57/94d, übergeführt in 5 Cg 81/99i, verbunden mit 26 Cg 20/96v) sei festgestanden, dass der Beklagte der Alleinerbe nach Gerhard H***** sei, weshalb frühestens zu diesem Zeitpunkt ein Verzug habe eintreten können. Eine kompensando eingewendete Forderung von 191.457,50 EUR sA wurde im Revisionsverfahren nicht mehr aufrechterhalten. Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 618.337,92 EUR abzüglich 269.879,66 EUR zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe; es erkannte den Beklagten daher schuldig, der Klägerin 348.458,26 EUR sA zu zahlen und wies ein Mehrbegehren von 81.389,53 EUR sA ab. Mangels Anfechtung erwuchs die Zuerkennung eines Teilbetrags von 59.997,11 EUR samt 4 % Zinsen seit 9. 6. 2004 in Rechtskraft (ON 298). Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Ansprüche der Klägerin auf den §§ 785 Abs 1, 951 ABGB beruhten. Aus dem Nachlass könnte der Anspruch der Klägerin nicht beglichen werden. Der Beklagte hafte daher, und zwar mit seinem gesamten Vermögen, weil er die Liegenschaft S*****platz 3 in unredlicher Weise aus seinem Besitz gelassen habe und es sich auch selbst zuzurechnen habe, wenn er die Liegenschaft am S*****platz und die geschenkten 5,5 Mio ATS nicht mehr besitze. Auszugehen sei daher von einem Gesamtwert an Geschenken in Höhe von 20.100.000 ATS, wobei aber die Klägerin selbst nur einen Pflichtteilsanspruch von 9.650.000 ATS (Hälfte des gesetzlichen Erbrechts) und damit Schenkungen in Gesamthöhe von nur 19.300.000 ATS (= 1.402.585,70 EUR) geltend mache. Vom Wert der Geschenke seien die Kosten des Beklagten, der im Verfahren gegen die Verlassenschaft obsiegt habe, in Höhe von 138.193,18 EUR in Abzug zu bringen, weiters die Kosten des Verlassenschaftskurators von 89.256,73 EUR, Begräbniskosten von 5.483,22 EUR und die Forderung der Wiener Stadtwerke von 3.474,70 EUR. Zur Differenz von 1.166.177,87 EUR sei der Aktivstand von 1.852,42 EUR zu addieren, es errechne sich daher eine Summe von 1.168.030,29 EUR. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bestehe in Höhe der Hälfte dieses Betrags, somit 584.015,15 EUR abzüglich der bereits erhaltenen 269.879,66 EUR (Versteigerung der Semmering-Liegenschaft). Zuzüglich der Verfahrenskosten der Klägerin von 34.322,77 EUR aus dem Pflichtteilsprozess gegen die Verlassenschaft stehe jener noch ein Betrag von 348.458,26 EUR zu. Die Kreditrückzahlungen des Beklagten für den Kontokorrentkredit seien nicht zu berücksichtigen, weil die Zahlungen an Gerhard H***** freiwillig erfolgt seien und keiner Verpflichtung entsprochen haben. Die Klageforderung sei seit gerichtlicher Geltendmachung vom 23. 12. 1993 zu verzinsen. Das Berufungsgericht änderte über Berufungen beider Streitteile das Urteil des Erstgerichts ab. Es sprach aus, dass 1.) die Klageforderung von 464.069,56 EUR mit 281.799,50 EUR zu Recht bestehe, 2.) Gegenforderungen in Höhe von zusammen 191.457,50 EUR nicht zu Recht bestehen und der Beklagte daher schuldig sei, der Klägerin 281.799,50 EUR samt 4 % Zinsen aus 523.325,29 EUR vom 28. 2. 1994 bis 1. 12. 2003, aus 284.376,74 EUR vom 2. 12. 2003 bis 23. 9. 2004 und aus 281.799,50 EUR seit 24. 9. 2004 zu zahlen. Ein Mehrbegehren von 182.270,06 EUR sA wies das Berufungsgericht ab. Dieses sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Ergänzend stellte das Berufungsgericht fest, dass die Klägerin mit einem Teil ihres Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen Rekurskosten des Beklagten in Höhe von 2.577,24 EUR aufgerechnet habe.

Vorweg vertrat das Berufungsgericht die Rechtsauffassung, dass das Urteil des Pflichtteilsprozesses der Klägerin gegen die Verlassenschaft keine Bindungswirkung im Verhältnis zum Beklagten entfalten könne, da dieser nicht Partei jenes Verfahrens gewesen sei. Auszugehen sei vom Wert der Liegenschaft S*****platz 3 zum Zeitpunkt des Erbfalls in Höhe von 14,5 Mio ATS (= 1.053.756,09 EUR) davon seien die (unbekämpft gebliebenen) Begräbniskosten von 5.438,22 EUR und eine Forderung der Wiener Stadtwerke von 3.474,70 EUR als Passiva abzuziehen, weiters sei der Aktivstand von 1.852,42 EUR zu addieren, sodass sich ein Betrag von 1.046.650,59 EUR ergebe. An Pflichtteil stehe der Klägerin die Hälfte dieses Betrags also 523.325,29 EUR zu. Davon seien die aus der Versteigerung erhaltenen 269.879,76 EUR, vermindert um einen Kostenanteil der Beklagten (Titel- und Exekutionskosten) von 30.931,22 EUR, somit also 238.948,55 EUR abzuziehen. Damit bleibe ein Betrag von 284.376,74 EUR. Entsprechend der Aufrechnungserklärung der Klägerin sei hievon ein Betrag von 2.577,24 EUR (Rekurskosten des Beklagten) abzuziehen, sodass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von 281.799,50 EUR sA verbleibe. Der Beklagte hafte mit seinem gesamten Vermögen für diesen Anspruch, weil er durch Verkauf der Liegenschaft im Zuge des vorliegenden Verfahrens im Sinn des § 952 ABGB unredlich gehandelt habe (JBl 1989, 377). Zinsen seien ab dem Zeitpunkt der klageweisen Geltendmachung zuzuerkennen. Hingegen habe die Zueignung des Betrags von 5,5 Mio ATS (als Kaufpreisrückzahlung betreffend die Liegenschaft Semmering) außer Betracht zu bleiben: Die Verlassenschaft habe den Kaufvertrag über die Liegenschaft am Semmering erfolgreich angefochten und mit dieser Liegenschaft (nach ihrer Versteigerung) eine Verbindlichkeit (der Klägerin gegenüber) teilweise beglichen. Damit hätte der Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gegenüber der Verlassenschaft, dem hier aber entgegenstünde, dass er den Kaufpreis sowieso schon zu Lebzeiten des Erblassers von diesem zurückbekommen habe. Eine der Voraussetzungen einer Verpflichtung zur Bezahlung des Schenkungspflichtteils sei die Vermögensverschiebung zugunsten des Verpflichteten (JBl 1976, 425). Zu einer solchen sei es aber nicht gekommen, wenn der Erblasser mit dem Beklagten zuerst einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft abgeschlossen habe, dem Beklagten aber dann, nachdem ihm dieser den Kaufpreis bezahlt habe, den entsprechenden Betrag geschenkt habe, es aber wegen einer erfolgreichen Anfechtung des Vertrags nach dem Tod des Geschenkgebers durch dessen Verlassenschaft zu keiner Übereignung der Liegenschaft gekommen sei. Die Situation stelle sich rein wirtschaftlich nicht anders dar, als hätte der Erblasser dem Beklagten die Liegenschaft geschenkt und die Verlassenschaft diesen Vertrag dann erfolgreich angefochten. Nachdem der Wert des Geschenks (die Liegenschaft) im Nachlass geblieben sei (der Erblasser habe dem Beklagten nur den Kaufpreis geschenkt, den der Beklagte für eine letztlich gar nicht an ihn übereignete Liegenschaft bezahlt habe), sei der Pflichtteilsanspruch der Klägerin durch die Schenkung des Erblassers überhaupt nicht verkürzt worden, habe sie doch bei der Geltendmachung ihres Pflichtteilsanspruchs gegen die Verlassenschaft auf den Wert dieser Schenkung (auf die Liegenschaft) greifen können. Die Schenkung der 5,5 Mio ATS sei daher bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage, inwiefern eine Überschuldung des Nachlasses bei der Geltendmachung des Schenkungspflichtteils gegenüber dem Geschenknehmer zu berücksichtigen sei, eine (sich auch mit den Meinungen der Lehre auseinandersetzende) Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs aus jüngerer Zeit fehle. Überdies sei die Frage, ob bereits das Begehren des Berechtigten auf Durchführung der Anrechnung die Verzugsfolgen eintreten lasse, in der Entscheidung 6 Ob 109/03b unbeantwortet geblieben. Damit habe das Berufungsgericht über erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu entscheiden gehabt. Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Streitteile: Diejenige des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern, allenfalls durch Begrenzung der Zahlungsverpflichtung bei sonstiger Exekution nur in das erhaltene Geschenk; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt; diejenige der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig und im Sinne einer Aufhebung auch berechtigt.

Den weiteren Ausführungen ist voranzustellen, dass die Bestimmungen der §§ 785, 951 ABGB bezwecken, den übergangenen Noterben so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre; „in Anschlag bringen" einer Schenkung bedeutet die rechnerische Annahme, es wären noch alle Schenkungen im Nachlass. Der Wert der Verlassenschaft ist daher derart zu ermitteln, als wäre die pflichtteilswidrige Verfügung unterblieben. Der Anspruch nach § 951 ABGB ist auf die kurze Formel zu bringen: „Nachlasspflichtteil + Schenkungspflichtteil = erhöhter Pflichtteil". Der Schenkungspflichtteil ist nur ein Ergänzungsanspruch (RIS-Justiz RS0012936; RS0114313).

Zur Revision des Beklagten:

Dieser rügt zunächst die Nichtberücksichtigung der Kosten des Verlassenschaftskurators (89.256,73 EUR) sowie der aus dem Verfahren 26 Cg 20/96v hervorgehenden Kostenersatzpflicht der Verlassenschaft im Betrag von 138.193,18 EUR als den Nachlass vermindernde Passiva. In der Rechtsprechung ist anerkannt (RIS-Justiz RS0012217), dass die nach dem Erbfall und vor der Einantwortung entstandenen, mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses verbundenen Kosten als Erbgangs-(Erbfalls-)schulden Passiva der Verlassenschaft darstellen. Dazu gehören insbesondere auch die Kosten eines Verlassenschaftskurators oder eines von diesem beauftragten Rechtsvertreters (SZ 40/122, SZ 41/7, SZ 66/4). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind daher nicht nur die vor dem Erbfall entstandenen Schulden, sondern auch Erbgangsschulden als Passiva abzugsfähig. Gleiches muss aber auch für die Prozesskosten gelten, welche der Verlassenschaft in einem Prozess auferlegt wurden, mit dem sie durch Anfechtung von zu Lebzeiten des Erblassers geschlossenen Verträgen eine Vermehrung des Nachlassvermögens anstrebte. Auch hier kann nämlich kein Zweifel daran bestehen, dass es sich um Kosten handelt, die mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zusammenhängen. Es ist daher Welser (in Rummel ABGB I3 § 784 Rz 7; „Prozesskosten und Erbenhaftung" in JBl 1993, 573 f) und Eccher (in Schwimann ABGB III3 § 784 Rz 9, § 801 Rz 2) dahin zu folgen, dass derartige Prozesskostenverpflichtungen der Verlassenschaft als Erbgangsschulden in die Passiva des Nachlasses einzubeziehen sind. Die Nichtberücksichtigung dieser Ansprüche macht jedoch eingehende Berechnungen erforderlich, sodass gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO schon aus diesem Grund eine Aufhebung des angefochtenen Urteils angezeigt ist.

Hingegen bietet die Annahme des Berufungsgerichts, der Schenkungsvertrag betreffend die Liegenschaft S*****platz 3, sei eine „echte" Schenkung gewesen, keinen Anlass zu Bedenken. Der Beklagte verweist zwar auf die Verpflichtung, ein Pfandrecht einverleiben zu lassen, lässt aber außer Betracht, dass bei Durchführung der Schenkung diesbezüglich eine offene Kreditschuld des Geschenkgebers und späteren Erblassers noch gar nicht bestand. Festgestellt wurde weiters, dass die Ausschöpfung des Kredits ausschließlich durch den Beklagten selbst erfolgte und die Verwendung dieser Mittel in keinem Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag oder einer anderen Verpflichtung des Beklagten stand. Da der Beklagte den bindenden Feststellungen zufolge freiwillig monatliche Zahlungen an den späteren Erblasser durchführte, mögen diese auch aus der Kreditvaluta gestammt haben, ist auch daraus kein direkter Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag herzustellen. Die Auslegung, dass eine Teilentgeltlichkeit nur unter der Voraussetzung als vereinbart gelten könnte, dass der Geschenkgeber und spätere Erblasser selbst auf die Kreditvaluta greifen sollte, ist daher unbedenklich (§ 510 Abs 3 ZPO). Demzufolge kann die Inanspruchnahme des Kredits zu keiner Minderung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs führen. Wenig überzeugend sind die Argumente des Beklagten hinsichtlich einer „Teilbindung" aus dem von der Klägerin gegenüber der Verlassenschaft angestrengten Pflichtteilsprozess, die hinsichtlich der Höhe der dort geltend gemachten Ansprüche bestehen solle. Der Beklagte erkennt selbst, dass eine Bindungswirkung nur zwischen Personen - unter Einbindung allfälliger Rechtsnachfolger - entstehen kann, die an einem Verfahren beteiligt waren, dies trifft aber auf den Beklagten zweifelsohne hinsichtlich des vorangegangenen Pflichtteilsprozesses nicht zu.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung (6 Ob 109/03b) hat das Berufungsgericht zutreffend gesetzliche Zinsen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch ab Geltendmachung des bezifferten Klagebegehrens zuerkannt: Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wegen Schenkung ist ein Geldanspruch und unterliegt den Regeln des Schuldrechts. Der Noterbe hat daher - Verzug vorausgesetzt - Anspruch auf Verzinsung. Schauer („Verzugszinsen und Pflichtteilsanrechnung" in NZ 1987, 114 f) hat überzeugend nachgewiesen, dass weder der Erbfall noch die Testamentskundmachung den Verzug des Beschenkten auslösen: In der Regel wird nämlich ein Noterbe versuchen, seinen Ausgleich aus dem Nachlass zu erlangen. Erst wenn dies scheitert, wird er sich an den Geschenknehmer halten. Es bedarf somit einer Fälligstellung durch den Noterben, aus der der Beschenkte die Tatsache, aber auch die konkrete Höhe eines solchen Ausgleichsanspruchs entnehmen kann. Im vorliegenden Fall ist daher - mangels Hervorkommens einer früheren Fälligstellung - das Anbringen des Eventualbegehrens unter Angabe der konkret bezifferten Forderung maßgeblich. Entgegen der Meinung des Beklagten kann es keine Rolle spielen, dass er zunächst mit einem Erbrechtsprozess konfrontiert war, in dem er letztlich obsiegte. Da er von Anfang an die Erbenstellung der Klägerin bestritten hatte, wäre es ihm konsequenter Weise freigestanden, den Ausgleichsanspruch anzuerkennen und zu befriedigen. Die vom Beklagten zitierte Judikatur und Literatur, die auf den Zeitpunkt der wirklichen Zuteilung (Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz) abstellt, betrifft nur den gegenüber dem Nachlass bzw einem Erben geltend gemachten Nachlasspflichtteil, nicht jedoch den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegenüber einem Beschenkten.

Besitzt der Beschenkte gemäß § 952 ABGB die geschenkte Sache oder ihren Wert nicht mehr, so haftet er nur insofern, als er sie unredlicher Weise aus dem Besitze gelassen hat. Es ist zwar richtig, dass Unredlichkeit nicht vermutet wird; demgemäß hat der Kläger darzutun, dass der Beklagte in unredlicher Weise sich des Geschenks entledigt hat. Hiefür genügt aber der Nachweis, dass der Beschenkte in Kenntnis der Rechte des Pflichtteilsergänzungsklägers bzw in fahrlässiger Unkenntnis derselben gehandelt hat. Die Unkenntnis muss entschuldbar sein, wobei schon leichte Fahrlässigkeit in diesem Belang die Redlichkeit ausschließt (JBl 1989, 377). Wenn nun der Beklagte trotz Anhängigkeit des Pflichtteilsergänzungsverfahrens die ihm geschenkte Liegenschaft weiter veräußerte, kann zumindest fahrlässiges Handeln nicht mehr bezweifelt werden. Die von ihm ins Treffen geführte „werterhaltende Maßnahme" durch Vermeidung einer gerichtlichen Versteigerung ist reine Spekulation und daher nicht geeignet, die aus seinem Vorgehen hervorleuchtende Unredlichkeit zu widerlegen.

Zu Recht wendet sich der Beklagte dagegen, dass das Berufungsgericht einen Betrag von 30.931,22 EUR an Kosten der Klägerin aus dem Zwangsversteigerungsverfahren vom Versteigerungserlös der Semmering-Liegenschaft abgezogen hat. Das Erstgericht hat nämlich den gesamten Versteigerungserlös als Kapitalzahlung an die Klägerin in Anrechnung gebracht. Dies blieb aber im Berufungsverfahren ungerügt, sodass insoweit eine Bindung des Berufungsgerichts bestand.

Zur Revision der Klägerin:

Vorauszuschicken ist, dass die Rechtsrüge über weite Strecken vom festgestellten Sachverhalt abweicht und daher insoweit unbeachtlich bleiben muss. Was den Beginn des Zinsenlaufs, die mangelnde Bindung der Parteien an das Ergebnis des Pflichtteilsprozesses und die Widmung des Versteigerungserlöses anlangt, kann auf die diesbezüglich zur Revision des Beklagten ergangenen Ausführungen verwiesen werden. Soweit die Klägerin vorbringt, dass diverse Fahrniskäufe zwischen späterem Erblasser und Beklagtem in Wahrheit gemischte und daher teilweise anrechenbare Schenkungen gewesen seien, ist sie darauf zu verweisen, dass entscheidend ist, ob die vertragsschließenden Parteien einen Teil der Leistung als Geschenk ansehen wollten, sie sich also des doppelten Charakters des abgeschlossenen Geschäfts als entgeltliches und unentgeltliches bewusst gewesen sind (EFSlg 54.178 uva). Im vorliegenden Fall konnte weder ein krasses Missverhältnis der Leistungen noch eine derartige Parteiabsicht festgestellt werden. Eine angebliche Zurechnungsunfähigkeit des Geschenkgebers und späteren Erblassers wurde bereits in einem früheren Urteil (ON 199) verneint und überdies in der Berufung nicht geltend gemacht und ist daher schon als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Berechtigt ist hingegen die Revision insoweit, als eine Überraschungsentscheidung bzw durch den Akteninhalt nicht gedeckte Annahmen des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit dem Erlass des Kaufpreises für die „Semmering-Liegenschaft" aufgezeigt werden. So wurde weder festgestellt noch ist unstrittig, dass der Kaufvertrag über die Semmering-Liegenschaft erfolgreich angefochten wurde. Vielmehr ist aktenkundig (ON 199, AS 419 ff in Bd IV), dass das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Kaufvertrags rechtskräftig abgewiesen wurde. Das Klagevorbringen, der Kaufvertrag über die „Semmering-Liegenschaft" sei noch zu Lebzeiten des Gerhard H***** einvernehmlich aufgelöst worden, sodass die Zahlung des Betrags von 5,5 Mio ATS nur die Rückabwicklung des Kaufpreises gewesen sei (ON 176, AS 179, 181 in Bd IV), bestritt der Beklagte (ON 176, AS 181 in Bd IV). Der Wiederholung dieses Klagevorbringens durch den Verlassenschaftskurator (im einbezogenen Verfahren 22 Cg 16/96a; ON 179, AS 193, 195) betreffend eine einvernehmliche Rückabwicklung des Kaufes zu Lebzeiten des späteren Erblassers trat der Beklagte ebenfalls ausdrücklich entgegen und brachte vor, dass der Kaufvertrag von beiden Vertragsteilen erfüllt worden und eine Rückabwicklung nicht erfolgt sei (ON 179, AS 195 in Bd IV). Zur Intabulierung des Eigentums des Beklagten sei es nicht gekommen, weil diese „durch ein Anerkenntnis der Verlassenschaft (gemeint offenbar: das Teilanerkenntnis vom 21. 4. 1999 über einen Betrag von 4,5 Mio ATS im von der Klägerin zu 8 Cg 91/95a angestrengten Pflichtteilsprozess) schuldhaft verhindert worden sei". Dadurch sei ihm auch „ein Schaden in Höhe von zumindest 5 Mio ATS entstanden" (ON 179, AS 195 in Bd IV). Dass jedoch eine solche Forderung an die Verlassenschaft herangetragen worden wäre, wurde nicht behauptet. Zu den Vorgängen nach dem Erbfall und rund um die Versteigerung der „Semmering-Liegenschaft" - zugunsten der gegenüber der Verlassenschaft erstrittenen Pflichtteilsforderung der Klägerin - brachte der Beklagte lediglich die Tatsache der Versteigerung vor und, dass „eine Rückabwicklung des Kaufvertrags daher ausgeschlossen sei" (ON 176, AS 143 in Bd IV). Auch in diesem Vorbringen findet sich somit kein schlüssiger Hinweis auf die vom Berufungsgericht angenommene „wirtschaftliche" Rückabwicklung, die mit den Parteien auch nicht erörtert worden war und daher als „Überraschungsentscheidung" zu einem Mangel des Berufungsverfahrens führt. Sollte das Berufungsgericht im fortgesetzten Verfahren zur Meinung gelangen, dass hinsichtlich der Summe von 5,5 Mio ATS eine Schenkung vorliegt, dann wird der Einwand des Beklagten (AS 355 in Band V) zu beachten sein, dass dieser Geschenkwert in seinem Vermögen durch Abdeckung des Kredits nicht mehr vorhanden ist und eine diesbezügliche Haftung nur bei einer von der Klägerin zu beweisenden Unredlichkeit in Frage käme (s die obigen Ausführungen zu § 952 ABGB).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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