OGH 8Ob358/67 (8Ob357/67)

OGH8Ob358/67 (8Ob357/67)23.1.1968

SZ 41/7

Normen

ABGB §786
ABGB §837
ABGB §786
ABGB §837

 

Spruch:

Der Haupterbe kann gegenüber dem Noterben als Verwalter der gemeinschaftlichen Verlassenschaft nach § 837 ABGB. alle nützlich gemachten Auslagen in Abrechnung bringen.

Entscheidung vom 23. Jänner 1968, 8 Ob 357, 358/67.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die am 1. November 1964 verstorbene Stefanie C. ist die Großmutter der von ihr zu Testamentserben eingesetzten Beklagten und des pflichtteilberechtigten Klägers gewesen.

Der Kläger begehrte Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung von 29.325.07 S samt 4% Zinsen seit 30. September 1965 (seit der Einantwortung des Nachlasses) als den ihm gebührenden Pflichtteil und schränkte nach Empfang eines Betrages von 21.696.34 S auf 7628.73 S s. A. ein und ist hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Der Reinnachlaß der Erblasserin hat 234.600.63 S betragen. Auf Grund einer Anzeige der Mutter des Klägers und der Mutter der Beklagten gegen die Erblasserin ist gegen diese ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden, in dem die Erblasserin nach einem im Zeitpunkt ihres Todes vorhandenen Bescheid 176.231.07 S an das Finanzamt hätte bezahlen sollen. Dem Beklagtenvertreter Dr. F. als Vertreter der Erben ist es gelungen, eine Herabsetzung dieser Steuervorschreibung auf 88.634.07 S samt Stundungszinsen zu erreichen. Die vom Beklagtenvertreter für die Durchführung der Steuerangelegenheit gelegte Kostennote über 26.588.30 S ist vom Verlassenschaftsgericht nicht als Passivpost des Nachlasses anerkannt worden. Die Erblasserin hat gegen die Verlassenschaft des Vaters des Klägers einen Zivilprozeß geführt, in dem ihr 7524 S Kosten zugesprochen worden sind, die sich nachträglich durch Gebühren und Exekutionskosten auf 8610.40 S erhöht haben. Der Kläger hat zum Nachlaß seines Vaters keine Erbserklärung abgegeben.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Der Kläger sei berechtigt, den ihm gebührenden Pflichtteil nach dem im Verlassenschaftsverfahren festgestellten Reinnachlaß mit 29.325.07 S zu berechnen. Die Vertretungskosten im Steuerstrafverfahren gegen die Erblasserin seien kein Verlassenschaftspassivum, da der Beklagtenvertreter Dr. F. nicht im Namen der Verlassenschaft, sondern im Auftrag und im Vollmachtsnamen der beiden Beklagten eingeschritten sei. Der Kläger brauche sich daher diese Kostenforderung des Beklagtenvertreters nicht von den Nachlaßaktiven in Abzug bringen lassen. Durch die Prozeßkostenforderung der Erblasserin gegen den Vater des Klägers werde der Pflichtteilsanspruch des Klägers nicht berührt, da dieser nach seinem Vater keine Erbserklärung abgegeben habe. Das Zinsenbegehren des Klägers sei berechtigt, da die Verlassenschaft in Ansehung des Gewinnes und der Nachteile bis zur wirklichen Zuteilung als ein zwischen den Haupterben und den Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten sei. Für die mj. Erben sei das Nachlaßvermögen ab dem Tag der Einantwortung mundelsicher und zinsenbringend anzulegen gewesen. Daher habe auch der Kläger Anspruch auf Zinsen. Überdies seien die Beklagten mit ihrer Verpflichtung zur Auszahlung des Pflichtteils dem Kläger gegenüber in Verzug geraten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich des Zuspruches eines Betrages von 4305.20 S samt 4% Zinsen aus 26.001.54 S vom 30. September 1965 bis 22. Juni 1966 und aus 4.305.20 S ab 23. Juni 1966 als Teilurteil; hinsichtlich des Zuspruches des Betrages von 3323.53 S s. A. hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und wies die Rechtssache in diesem Umfange unter Beifügung eines Rechtskraftvorbehaltes an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus: Der Kläger müsse sich bei der Berechnung seines Pflichtteiles die Kostenforderung des Beklagtenvertreters anrechnen lassen, weil es sich hiebei zwar nicht um ein Verlassenschaftspassivum, wohl aber um nützliche Aufwendungen der Beklagten für das gemeinschaftliche Gut handle. Das Erstgericht werde aber die Kostennote des Beklagtenvertreters dahin zu überprüfen haben, wie weit sie sich auf die Tätigkeit für den Nachlaß und auf jene nur für die Erben beziehe. Da sich die Pflichtteilsforderung des Klägers um 3323.53 S verringern würde, wenn die Kostennote des Beklagtenvertreters in voller Höhe gerechtfertigt wäre, sei das Ersturteil hinsichtlich des Zuspruches dieses Betrages aufzuheben gewesen. Beim Pflichtteilsanspruch des Klägers handle es sich nicht um einen von seinem Vater abgeleiteten Anspruch, da der Pflichtteilsanspruch erst mit dem Tode der Stefanie C. entstanden und der Vater des Klägers schon vor der Erblasserin verstorben sei. Die Kostenforderung der Erblasserin gegen den Vater des Klägers könnte daher mit der Hälfte ihres Gesamtbetrages gegen den Pflichtteilsanspruch des Klägers nur dann compensando eingewendet werden, wenn der Kläger zum Nachlasse seines Vaters eine Erbserklärung abgegeben hätte. Da letzteres unbestritten nicht der Fall gewesen sei, sei die Forderung der Erblasserin gegen den Vater des Klägers nicht auf den Beklagten übergegangen. Daher sei das Ersturteil hinsichtlich des Teilbetrages von 4305.20 S als Teilurteil zu bestätigen gewesen. Zinsen gebührten dem Kläger deshalb, weil sein Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils bereits mit dem Tage der Testamentskundmachung fällig geworden sei und sich die Beklagten daher seit diesem Zeitpunkte mit ihrer Zahlungsverpflichtung in Verzug befänden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das im übrigen bestätigte Teilurteil des Berufungsgerichtes im Zinsenzuspruch dahin ab, daß die 4% Zinsen aus 26.001.54 S erst ab 12. Mai 1966 zugesprochen werden. Dagegen gab der Oberste Gerichtshof dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

I. Zur Revision der Beklagten:

Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.

Die Beklagten wenden sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Kostenforderung der Erblasserin gegen den Vater des Klägers bei der Berechnung des Pflichtteiles nicht zu berücksichtigen sei, und meinen, daß der Kläger (und sein mj. Bruder) nur zusammen jenen Pflichtteilsanspruch geltend machen könnten, der ihrem Vater zugestanden wäre, also auch die den Pflichtteil ihres Vaters treffenden Belastungen auf sie übergangen seien. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Kostenforderung der Erblasserin gegen den Vater des Klägers hätte zu keiner Minderung des Pflichtteilanspruches desselben geführt. Die Erblasserin hätte nur ihre Kostenforderung gegen den Pflichtteilsanspruch des Vaters des Klägers aufrechnungsweise einwenden könne. Diese Aufrechnungseinrede versagt aber gegenüber dem Kläger, da - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - der Kläger mangels Erbserklärung im Verlassenschaftsverfahren nach seinem Vater für dessen Schulden nicht haftet.

Ferner bekämpfen die Beklagten den Zuspruch von Zinsen an den Kläger von einem früheren Zeitpunkte an als dem Tage der Klagseinbringung. Die in der Entscheidung GlU. 10454 vertretene Ansicht - die übrigens nicht vom Obersten Gerichtshof, sondern vom Zweitgericht ausgesprochen wurde, während der Oberste Gerichtshof das Rechtsmittel gegen die Entscheidung der zweiten Instanz zurückgewiesen hat - wird nicht nur von der Lehre bekämpft, sondern wird auch vom Obersten Gerichtshof nicht mehr vertreten (JBl. 1951 S. 135). Gemäß § 786 ABGB. ist die Verlassenschaft bis zur wirklichen Zuteilung des Pflichtteiles in Ansehung des Gewinnes und der Nachteile als ein zwischen Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten. Daraus ergibt sich, daß bis zur "wirklichen Zuteilung" kein Zinsenanspruch des Noterben besteht (vgl. Ehrenzweig, Erbrecht[2] § 528, bei Anm. 30, S. 579, Weiss in Klang[2] III 919). Unter "wirklicher Zuteilung" ist aber, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, die Beendigung des Gemeinschaftsverhältnisses zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten, nämlich der Zeitpunkt der Festsetzung dessen, was dem Pflichtteilsberechtigten wirklich gebührt, zu verstehen (JBl. 1956 S. 403, EvBl. 1957 Nr. 396, SZ. XXXII 78). Im vorliegenden Fall wäre dieser Zeitpunkt der Schluß der Verhandlung in erster Instanz gewesen (JBl. 1956 S. 403). Da die Beklagten dem Kläger Zinsen von einem früheren Zeitpunkte zugestehen, war dieser Zeitpunkt als Beginn des Zinsenlaufes anzusetzen. Für einen weiteren Zinsenzuspruch aus dem Titel eines "Gewinnes des gemeinschaftlichen Gutes" (§ 786 ABGB.) findet sich im Vorbringen der klagenden Partei keine Stütze.

Der Revision war daher teilweise stattzugeben.

II. Zum Rekurs der klagenden Partei:

Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Der Kläger bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß er sich die Kostenforderung des Beklagtenvertreters so weit auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen müsse, als die Tätigkeit des Beklagtenvertreters sich auf den Nachlaß bezogen habe. Die Feststellungen des Erstgerichtes - von denen das Berufungsgericht mangels Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung auszugehen hatte - lauten dahin, daß Dr. F. "nicht im Namen der Verlassenschaft, sondern im Auftrag und im Vollmachtsnamen der beiden Beklagten" eingeschritten sei. Nun ist aber, wie aus den Feststellungen des Erstgerichtes andererseits hervorgeht, das Steuerstrafverfahren gegen die Erblasserin bereits vor Einantwortung des Nachlasses beendet gewesen, denn die Einantwortung erfolgte mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 29. September 1965, der Beklagtenvertreter hat aber bereits am 8. Juli 1965 über die von ihm erreichte Herabsetzung der Steuerforderung berichtet. Wenn also auch die Beklagten als Erben nach Stefanie C. dem Beklagtenvertreter während der Dauer des Verlassenschaftsverfahrens Vollmacht zur Vertretung im Steuerstrafverfahren gegen die Erblasserin erteilt haben, dann konnten sie dies nur im Rahmen der Nachlaßverwaltung (auf die im Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten nach dem HfD. vom 27. März 1847, JGS. Nr. 1051, überdies § 837 ABGB. Anwendung findet) und nicht im eigenen Namen getan haben, auch wenn die Vollmacht fälschlich im eigenen Namen ausgestellt worden sein sollte. Die Kosten, die hiedurch entstanden sind, sind Kosten der Verwaltung des Nachlasses, zählen zu den Passiven der Verlassenschaft und sind bei der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen (DREvBl. 1940 Nr. 8, 8 Ob 234/67, Handl in Klang[1] II/1 88 zu § 548 ABGB., II 3). Der von Weiss in Klang[2] (III 43, zu § 548 ABGB. II 2. 1 bb) vertretenen Ansicht kann nicht zugestimmt werden, da sie von anderen Voraussetzungen ausgeht (s. 8 Ob 234/67). Aus diesem Gründe muß daher der Kläger sich jenen Teil der Kostenforderung des Beklagtenvertreters, der sich auf die Vertretung im Steuerstrafverfahren bezogen hat, bei der Berechnung des Pflichtteils anrechnen lassen. Daß es sich hiebei um einen Kostenersatz im Außerstreitverfahren handelt, ist unrichtig. Ebenso trifft nicht zu, daß die Entscheidung des Verlassenschaftsgerichtes, die Kosten des Beklagtenvertreters seien kein Verlassenschaftspassivum, das Prozeßgericht binde. Diese Entscheidung hat nur für das Verlassenschaftsverfahren Rechtswirkungen (RiZ. 1933 S. 240 u. a.). Belanglos ist auch, ob der Pflichtteilsanspruch des minderjährigen Bruders des Klägers mit der vom Kläger begehrten höheren Summe, also ohne anteilsmäßigen Abzug der Kostenforderung des Beklagtenvertreters, im Verlassenschaftsverfahren festgesetzt und bereits ausbezahlt worden ist, da dieser Festsetzung in dem Streit zwischen Kläger und Beklagten keine Rechtskraftwirkung zukommt.

Dem Rekurs war daher keine Folge zu geben.

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