Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Claus S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (A) und - ungeachtet der Befriedigung mehrerer Gläubiger - bloß eines Vergehens der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er zwischen Juli 2006 und Jänner 2007
A) in M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
sowie in der Absicht, „sich durch die wiederkehrende Begehung von (qualifizierten) Betrügereien" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Berechtigte der Y***** GmbH durch Täuschung über Tatsachen zu Zahlungen verleitet, die Georg E***** (1.) und das bezeichnete Unternehmen (2.) in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
1. in den im Urteil angeführten neun Fällen durch Vorlage fingierter Kundenaufträge zu Provisionszahlungen in der Höhe von insgesamt 32.420,95 Euro sowie
2. zur Übergabe von 5.500 Euro als Akontozahlung für Vermittlungstätigkeit laut Punkt 1;
B) in M***** und H***** nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit
Gläubiger begünstigt und dadurch andere Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, indem er mindestens 16.560 Euro an Gläubiger bezahlte, „welche sich im Weiteren nicht am Konkursverfahren 13 S 17/07s des Bezirksgerichtes Hall i.T. beteiligten".
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Die Verfahrensrüge (Z 4) reklamiert die Abweisung (S 203) der Anträge auf
„1. Einvernahme des Zeugen Lutz H***** zum Beweis dafür, dass dem Angeklagten aufgrund des von ihm abgeschlossenen langfristigen Liefervertrages zwischen seiner Firma und der Firma Y***** GmbH und ausgehend von der Tatsache der zugesagten 15%igen Provision für den Angeklagten sich ein Anspruch in der Höhe von mindestens 50.000 Euro errechnet, mit welchem Betrag eine teilweise oder überwiegende Schadensgutmachung erfolgen hätte können;
2. Einholung eines buchhalterischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass sich aus den bei der Firma Y***** GmbH vorliegenden Buchhaltungsunterlagen und Rechtsgeschäften mit der Firma U***** der vom Angeklagten behauptete Provisionsanspruch errechnet;
3. Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte an einer pathologischen Spielsucht leidet, aufgrund der er bereits seit mehreren Jahren sich in stationärer und ambulanter therapeutischer Behandlung befindet, wodurch seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit insbesondere während Auftretens der depressiven Phasen beeinträchtigt ist, sodass jedenfalls von einer beeinträchtigten und eingeschränkten Schuldfähigkeit ausgegangen werden muss" (S 201 f). Die Beweisaufnahme unterblieb zu Recht, weil die Beweisthemen einer teilweisen oder überwiegenden Schadensgutmachung (1 und 2: tätige Reue fordert vollständige Gutmachung des Schadens; § 167 Abs 2 Z 1 StGB) und einer beeinträchtigten oder eingeschränkten Schuldfähigkeit (3; § 11 StGB setzt gänzlich fehlende Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit voraus) keine entscheidenden (das sind für die Strafbarkeit oder die Subsumtion unter ein Strafgesetz relevante) Tatsachen ansprechen.
Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Der Einwand einer aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) festgestellten Höhe des Betrugschadens im Hinblick auf die Aussage des Georg E***** im Vorverfahren, wonach die Provisionszahlung (abzüglich angerechneter 9.000 Euro; S 135) 23.425,95 Euro betrage, bezieht sich - weil er die Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB nicht berührt - gleichfalls nicht auf entscheidungswesentliche Tatsachen.
Gegenstand einer Rechtsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, wenn unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, aber indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).
Diese Kriterien missachtet die gegen den Urteilspunkt A gerichtete (nominell auf Z 9 lit b und 10 gestützte) Rechtsrüge, die im Kontext mit der Kritik an unterlassener Prüfung tätiger Reue nach § 167 StGB der Sache nach einen Feststellungsmangel zu einer dem Angeklagten gegenüber der Y***** GmbH zustehenden Provision in Schadenshöhe aus einer Geschäftsanbahnung mit der U***** behauptet, ohne jedoch mit der Bezugnahme auf den Zeugen Georg E***** darzulegen, inwieweit solche Feststellungen indiziert gewesen sein sollen. Nach der Aussage des Zeugen kam der vom Angeklagten „angedachte" Vertrag mit dem genannten Unternehmen vielmehr gar nicht zu Stande und waren Umsätze aus einem Vertrag „auf anderer Basis" „nicht gut" (S 199, 201). Der zum Schuldspruch B erhobene Vorwurf (Z 9 lit a) einer fehlenden Prüfung, ob im Tatzeitraum „überhaupt eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen ist bzw ob nicht nur ein vorübergehender Liquiditätsengpass, also eine Zahlungsstockung, vorgelegen ist", entfernt sich - wie dargelegt prozessrechtswidrig - von der Urteilsfeststellung zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten vor Jahresbeginn 2006 (US 6).
Soweit aus einer „im Akt befindlichen Liste" unzulässige Subsumtion der zu B genannten Taten nach § 158 StGB reklamiert wird (nominell Z 10, inhaltlich Z 9 lit a), verfehlt die Beschwerde den in den tatsächlichen Urteilsannahmen bestehenden gesetzlichen Bezugspunkt einer Rechts- und Subsumtionsrüge. Indem der Angeklagte gar nicht behauptet, dass sämtliche der zu B genannten Zahlungen zu Recht erfolgt sind, lässt er zudem offen, weshalb das Schöffengericht Gläubigerbegünstigung zu Unrecht als begründet angesehen haben sollte.
Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider wurde das Zusammentreffen hier verfahrensgegenständlicher strafbarer Handlungen mit einer strafbaren Handlung aus einer im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Vorverurteilung rechtsrichtig erschwerend gewertet. Die weitere Argumentation, wonach der Grund des § 33 Z 1 StGB „unverhältnismäßig stark" bewertet worden sei, hingegen die finanzielle Situation des Angeklagten, seine Selbstanzeige, sein Wohlverhalten seit den Taten und die versuchte Schadensgutmachung unberücksichtigt geblieben seien, erschöpft sich in einem Berufungsvorbringen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter SatzStPO).
Dabei wird hinsichtlich des im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Vorurteils des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 12. Dezember 2007, GZ 3 U 256/06x-31, zu beachten sein, dass die Beschlussfassung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung nach § 55 Abs 1 StGB jenem Gericht zukommt, dessen Urteil die bedingte Strafnachsicht enthält (RIS-Justiz RS0111521).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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