Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten unter § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Stefan T***** Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idgF schuldig erkannt. Danach hat er „im Zeitraum 2004 bis einschließlich 2006 in E***** Carina C***** mit Gewalt zur Vornahme und Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar:
1. indem er sie an den Schultern hinunterdrückte, ihre beiden Hände mit einer Hand festhielt und mit seinem Ellbogen fest niederdrückte, ihre Armgelenke erfasste und hinter ihrem Kopf auf das Bett hinunterdrückte sowie mit einer Hand ihre zusammengepressten Beine auseinanderzwängte, zur Duldung des Beischlafes;
2. indem er ihren Kopf zu seinem Penis drückte und sie an den Haaren riss, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich zu einem Oralverkehr."
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Dem den Schuldspruch 1 betreffenden Einwand der Mängelrüge zuwider ist die als „lediglich vage" kritisierte Annahme eines Tatzeitraums von „2004 bis einschließlich 2006" nicht undeutlich iSd der Z 5 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO (zum Begriff vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419). Vielmehr brachten die Tatrichter unmissverständlich zum Ausdruck, dass und warum ihnen eine konkretere als die ohnehin erfolgte zeitliche Zuordnung der Tathandlungen nicht möglich war (US 6, 12, 15). Dass sie dabei auch von mehrfachen freiwilligen sexuellen Kontakten zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer im selben Zeitraum ausgingen, macht die kritisierte Urteilsannahme nicht undeutlich.
Auf den aus der unterlassenen Konkretisierung des Tatzeitraums (vor oder nach dem 1. Mai 2004) resultierenden (ungerügt gebliebenen) Subsumtionsfehler des Erstgerichts (Z 10) wird später eingegangen. Warum den genauen Tatorten zum Schuldspruch 1 (im „Tennen des Hauses" oder im Zimmer des Tatopfers) entscheidende Bedeutung zukommen soll, wird nicht deutlich und bestimmt dargelegt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO). Mit der Beschwerdekritik „unvollständiger" diesbezüglicher Feststellungen wird demnach weder ein Begründungsmangel iSd Z 5 zweiter Fall, noch ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) aufgezeigt.
Widersprüche zur Schilderung von Tathandlungen in der Anklageschrift sind aus Z 5 dritter Fall und Z 5a ohne Bedeutung.
Anklageüberschreitung (Z 8) aber wird - zu Recht - nicht geltend gemacht.
Die getroffenen Feststellungen (US 6) vermögen den Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen mehrerer real konkurrierender Verbrechen der Vergewaltigung (US 3) im Übrigen ohne weiters zu tragen. Soweit die Beschwerde „in diesem Zusammenhang" Konstatierungen zur inneren Tatseite (der Sache nach Z 9 lit a) vermisst, übergeht sie die diesbezüglichen Urteilsannahmen (US 6, 13 f, 18) und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Ein aktenwidriges Referat der Aussage des Angeklagten oder der Zeugin C***** wird nicht vorgebracht (Z 5 letzter Fall) und sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen werden mit der Behauptung nicht genauer datumsgemäßer Zuordnung vom Angeklagten eingeräumter gewaltsamer Sexualkontakte beim Obersten Gerichtshof nicht geweckt (Z 5a). In der Strafanzeige angestellte Mutmaßungen von Polizeibeamten scheiden als Bezugspunkt einer Tatsachenrüge schon deshalb aus, weil diese keine Beweismittel darstellen.
Die Tatrichter begründeten im Übrigen ausführlich, warum sie von der Richtigkeit der ursprünglich geständigen Einlassung des Beschwerdeführers überzeugt waren und dessen spätere abschwächende Angaben als Schutzbehauptungen werteten (US 8 ff, dort vor allem US 10). Dass sie die Feststellungen zum objektiven Tathergang auf Basis dieser Erwägungen auf die Verantwortung des Angeklagten im Verein mit den Aussagen des Tatopfers stützten und daraus den Schluss zogen, Stefan T***** habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, Carina C***** durch die eingesetzte Gewalt gegen ihren Willen zum Beischlaf zu nötigen (US 8 ff, 13 f), widerspricht weder Gesetzen logischen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zielt nicht auf den vom Gesetz verlangten Vergleich von festgestellten Tatsachen (hier: zum Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel) und darauf angewendetem Gesetz ab und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erörterung.
Die weiteren Überlegungen, wonach es dem Angeklagten aufgrund des Verhaltens des Tatopfers auch an „lediglich bedingtem Vorsatz" fehle, orientieren sich nicht an den bereits oben dargestellten gegenteiligen Urteilsannahmen zur inneren Tatseite (US 6, 13 f) und verfehlen damit ein weiteres Mal den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die festgestellten Gewalthandlungen des Angeklagten die vorgenommene Subsumtion jedenfalls zu tragen vermögen (vgl zum Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 idgF und § 201 Abs 2 idF BGBl I 2002/134: RIS-Justiz RS0095232, RS0095260).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus ihrem Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugt, dass dem Urteil in Betreff beider Schuldsprüche eine nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende, gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.
Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl I 2004/15), das mit 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist (Art VI StRÄG 2004), erfuhr die Bestimmung des § 201 StGB nämlich insoweit eine Änderung, als die Differenzierung zwischen „Gewalt" und „schwerer Gewalt" durch Verschmelzung der Abs 1 und 2 des § 201 StGB idF BGBl I 2001/130 aufgehoben wurde. Bis zum 30. April 2004 - wie hier - ohne Anwendung schwerer Gewalt iSd § 201 Abs 1 StGB aF begangene Vergewaltigungen wären demnach der im Sanktionenbereich günstigeren Bestimmung des § 201 Abs 2 StGB idF vor der Novelle zu unterstellen (§§ 1, 61 StGB). Demgegenüber erfolgte die Verurteilung jeweils nach § 201 Abs 1 StGB in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl I 2004/15), obwohl Feststellungen dazu unterblieben, ob die dem Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen vor oder nach Inkrafttreten dieser Novelle gesetzt wurden.
Die aufgezeigte materiellrechtliche Nichtigkeit (Z 10) führt zur Kassation der rechtlichen Unterstellung der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten sowie demzufolge auch zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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