OGH 11Os146/08t

OGH11Os146/08t21.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Joachim W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 10. Juli 2008, GZ 25 Hv 80/08y-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Joachim W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1, 15 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 11. Juli 2007 in Innsbruck

„1.) Melanie K***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er gegen ihren Widerstand mit einem Finger in ihre Scheide eindrang und mehrmals ein- und ausfuhr, wobei Melanie K***** vergeblich versuchte, seine Hand aus ihrer Hose zu ziehen und ihn wegzustoßen;

2.) Melanie K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, indem er sie zu Boden riss, ihre Hose hinunterzog, sich auf sie legte, ihr den Mund zuhielt und versuchte, seine eigene Hose zu öffnen."

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO.

Die Verfahrensrüge (Z 4) stützt sich auf den in der Hauptverhandlung vom 10. Juli 2008 gestellten Antrag auf „Durchführung eines Ortsaugenscheins zur Klärung der Frage, ob die Hilferufe der Melanie K***** in der Umgebung bzw von ihrem Ehegatten, der im Schlafzimmer schlief, gehört werden müssen, zum Beweis dafür, dass die Schilderung des Opfers nicht der Wahrheit entspricht" (ON 30 S 16). Der den Zusammenhang zwischen begehrter Beweisaufnahme und deren behauptetem Ergebnis nicht einmal ansatzweise darstellende, somit sinnfällig auf bloße Erkundung gerichtete Antrag konnte abgewiesen werden, ohne dass Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewandt worden wären, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften oder durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; Fabrizy, StPO10 § 55 Rz 8, 10). Überdies war er nicht auf schuld- und subsumtionsrelevante Umstände bezogen. Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe für die Antragstellung, die vorwiegend die Glaubwürdigkeit der Zeugin Melanie K***** anzuzweifeln versuchen, verstoßen gegen das für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117). Die Tatsachenrüge (Z 5a) sieht die Feststellung des Erstgerichts als bedenklich an, dass Melanie K***** zwei Mal zu Sturz gekommen sei, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Angaben des Zeugen Manuel A*****, wonach dieser keine sichtbaren Verletzungen des Opfers oder Verschmutzungen an deren Bekleidung wahrgenommen (S 111, 403) habe. Weder damit noch mit der Bezugnahme auf im Akt erliegende Ausdrucke digitaler Fotografien (S 185-191, auf denen überdies Verschmutzungen deutlich erkennbar sind) gelingt es ihm, qualifizierte Bedenken im Sinn einer unerträglichen Fehlentscheidung gegen die zum Schuldspruch führenden Feststellungen zu erwecken.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Versuch gegenüber der Vollendung im Fall eines einheitlichen und auf die Vollendung ein und desselben Delikts ausgerichteten Willensentschlusses bei identem Geschädigten und angegriffenem Handlungsobjekt grundsätzlich subsidiär ist (Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 - 31 Rz 41; RIS-Justiz RS0114523, RS0090504), jedoch nur dann, wenn bei tateinheitlichem Geschehen der zunächst bloß versuchte Erfolg im weiteren Verlauf (etwa im Zug eines neuen Angriffs) verwirklicht werden kann. Diesfalls weicht der Versuch hinter der nachfolgenden Vollendung infolge stillschweigender Subsidiarität zurück (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 239). Im Fall einer einzigen Tat kommt allerdings die Annahme der Begehung eines teils vollendeten, teils versuchten Delikts durchaus in Betracht (Ratz in WK² Vorbem §§ 28-31 Rz 42). Ist der Vorsatz des Täters einer Vergewaltigung auf eine Begehung der Straftat durch eine durch ein einheitliches Geschehen mit Gewalt begangene Nötigung derselben Person zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung und des Beischlafs gerichtet, sohin auf Handlungen, die jede für sich tatbestandsmäßig sind, und ist die letztgenannte Handlung beim Versuch geblieben, ist die Begehung der insgesamt einen Tat als das Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1, 15 StGB zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0118627). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte