OGH 9Ob27/08y

OGH9Ob27/08y8.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Davor T*****, Kroatien, vertreten durch Dr. Hermann Sperk, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Marko T*****, vertreten durch Dr. Bernhard Tonninger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2007, GZ 45 R 316/07i-127, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 23. Februar 2007, GZ 38 C 35/03y-118, teils bestätigt, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie nicht schon mit Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. 3. 2008, GZ 45 R 316/07i, zurückgewiesen wurde, zurückgewiesen.

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.792,62 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 298,77 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger, der kroatischer Staatsbürger ist und in Kroatien lebt, ist der Sohn des Beklagten, der nunmehr österreichischer Staatsbürger ist und in Österreich lebt.

Das Erstgericht verpflichtete mit seinem Urteil den Beklagten, dem Kläger für die Zeit vom 1. 7. 1994 bis 30. 6. 1998 Unterhalt von monatlich 100 EUR, für die Zeit vom 1. 7. 1998 bis 30. 6. 2000 Unterhalt von monatlich 132,60 EUR, für die Zeit vom 1. 7. 2000 bis 30. 6. 2003 Unterhalt von monatlich 180 EUR, für die Zeit vom 1. 7. 2003 bis 30. 11. 2005 Unterhalt von monatlich 140 EUR sowie für die Zeit vom 1. 12. 2005 bis 30. 5. 2006 Unterhalt von monatlich 130 EUR, je zuzüglich 4 % Zinsen, zu zahlen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Klägers wies es ab.

Der abweisende Teil dieses Urteils erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Der vom Beklagten gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge.

Es bestätigte das Ersturteil in der Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für die Zeit vom 23. 9. 2003 (Zeitpunkt der Einbringung der Klage) bis 30. 11. 2005 monatliche Unterhaltsbeiträge von 80 EUR und für die Zeit vom 1. 12. 2005 bis 30. 5. 2006 monatliche Unterhaltsbeiträge von 50 EUR zu zahlen, und änderte es im Übrigen im Sinne der gänzlichen Abweisung des Unterhaltsbegehrens des Klägers für die Zeit vom 1. 7. 1994 bis 22. 9. 2003 und im Sinne der Abweisung des für die Zeit vom 23. 9. 2003 bis 30. 11. 2005 noch offenen Unterhaltsmehrbegehrens ab.

Die Entscheidung über das Zinsenbegehren des Klägers hat das Berufungsgericht mit Beschluss („zu Recht erkannt und den Beschluss gefasst") aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass hinsichtlich der Abweisung des rückwirkenden Unterhaltsbegehrens die Revision an den Obersten Gerichtshof zugelassen werde, nicht aber hinsichtlich der Abänderung des Unterhaltszuspruchs für die Zeit vom 23. 9. 2003 bis 30. 5. 2006. Einen Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig ist (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO), hat es in seine Entscheidung nicht aufgenommen.

Diese Entscheidung bekämpfte der Kläger mit seiner „(außer-)ordentlichen" Revision, mit der er die Wiederherstellung des Ersturteils beantragte. Hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag. Mit der Revision verband er den Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs betreffend die Entscheidung über die Abänderung des Unterhaltszuspruchs für die Zeit vom 23. 9. 2003 bis 30. 5. 2006.

Mit Beschluss vom 14. 3. 2008 wies das Berufungsgericht diesen Abänderungsantrag und im davon betroffenen Umfang auch die Revision mit der Begründung zurück, dass keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten sei. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 7. 4. 2008 zugestellt und von diesem nicht bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

1) Zur Revision gegen die Abänderung des Unterhaltszuspruchs für die Zeit vom 23. 9. 2003 bis 30. 5. 2006:

Das Berufungsgericht hat in seinem Zulassungsausspruch zwischen der Entscheidung über den Unterhaltsanspruch ab 23. 9. 2003 (Klageeinbringung) und der Entscheidung über den Unterhaltsanspruch für die Zeit vor Klageeinbringung differenziert. Diese Vorgangsweise ist unzutreffend. Nach der Rechtsprechung handelt es sich beim Unterhaltsanspruch - wie sich schon aus der Bewertungsvorschrift des § 58 Abs 1 JN ergibt - um einen einheitlichen Anspruch, zu dem es auch nur einen einheitlichen Ausspruch über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der ordentlichen Revision geben kann. Unterschiedliche Zulassungsaussprüche für unterschiedliche Unterhaltsperioden sind daher unzulässig (4 Ob 53/06g; RIS-Justiz RS0118275). Die Zulassung der Revision hinsichtlich der Entscheidung über das Unterhaltsbegehren für die Vergangenheit hatte daher die Zulässigkeit der Revision gegen die gesamte Entscheidung zur Folge (8 Ob 114/03b). Der Beklagte hat aber dessen ungeachtet einen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die (teilweise) Nichtzulassung der Revision gestellt, den das Berufungsgericht zurückgewiesen hat. Gleichzeitig hat das Berufungsgericht den davon betroffenen Teil der Revision zurückgewiesen. Diese Entscheidung wäre, da in Wahrheit kein Fall des § 508 ZPO vorliegt, ungeachtet des Rechtsmittelausschlusses des § 508 Abs 4 ZPO anfechtbar gewesen (vgl 3 Ob 98/07v; 3 Ob 275/07y), wurde aber vom Beklagten nicht bekämpft. Sie ist daher unangefochten in Rechtskraft erwachsen, sodass die Revision gegen die Abänderung des Unterhaltszuspruchs für die Zeit vom 23. 9. 2003 bis 30. 5. 2006 nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist.

2) Zum Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss:

Soweit sich die Revision gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wendet, ist sie als Rekurs zu qualifizieren. Der Rekurs gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss ist aber nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht seine Zulässigkeit iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ausspricht. Dies ist hier nicht geschehen. Damit ist ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss - auch ein außerordentlicher Rekurs - jedenfalls unzulässig (E. Kodek in Rechberger³ § 519 Rz 18).

Soweit sich das Rechtsmittel des Beklagten gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wendet, war es daher zurückzuweisen.

3) Zur Revision gegen die Entscheidung über das Begehren auf Zuspruch von Unterhalt für die Vergangenheit:

In diesem Umfang hat das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärt. Diesen Ausspruch hat es damit begründet, dass in Österreich Rechtsprechung zur rückwirkenden Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach kroatischem Recht fehle.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der von ihm als erheblich erachteten Rechtsfrage werden vom Revisionswerber nicht bekämpft. Selbst wenn man aber seine (im Wesentlichen nur referierenden) Ausführungen zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts als Bekämpfung dieser Auffassung werten wollte, wäre daraus für die Zulässigkeit der Revision nichts zu gewinnen:

Das Fehlen oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu Normen des nach kollisionsrechtlichen Bestimmungen anzuwendenden ausländischen Rechts kann für sich allein die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht verwirklichen, weil der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, für die Einheitlichkeit oder Rechtsfortbildung des fremden Rechts Sorge zu tragen. Die Revision wäre aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgebenden fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht missachtet worden wäre oder dem Berufungsgericht grobe Subsumtionsfehler unterlaufen wären (RIS-Justiz RS0042940; zuletzt etwa 5 Ob 139/07p; 10 Ob 58/07p). Derartiges wird aber in der Revision mit keinem Wort geltend gemacht.

Vielmehr macht der Revisionswerber geltend, dass überhaupt kein Fall einer rückwirkenden Unterhaltsfestsetzung vorliege, weil er ja über zwei Unterhaltstitel des Grundgerichts Brcko aus den Jahren 1989 (über 100 neue Dinar monatlich) und 1992 (Bruchteilstitel; 20 % des väterlichen Einkommens) verfüge. Insoweit stelle die Klageführung nur die Umsetzung der ausländischen Titel im Inland dar.

Dieser Einwand ist verfehlt: Wie der Revisionswerber offenbar selbst erkennt, wird der Bruchteilstitel des Grundgerichts Brcko vom 7. 4. 1992 nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln (dieses Abkommen wird nicht nur im Verhältnis zu Kroatien [s insoweit BGBl 1996/474], sondern auch im Verhältnis zu Bosnien und Herzegowina auf Grund des Prinzips der Kontinuität im Rahmen des Völkerrechts weiter angewendet; Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen² 602 FN 1) in Österreich nicht anerkannt und vollstreckt. Auf diesen Titel (von dem überdies nicht feststeht, ob er dem Beklagten zugestellt wurde; fest steht nur, dass er davon Kenntnis hat) kann sich der Kläger daher nicht berufen. Betrachtet man den Titel über 100 neue Dinar monatlich aus dem Jahr 1989 als rechtskräftigen und im Inland anerkannten und vollstreckbaren Titel, so bedarf es zu seiner Vollstreckung im Inland keiner Klage auf „Umsetzung" des Titels. Der Kläger hat aber - wie sich aus der im Hinblick auf das UN-Abkommen vom 20. 6. 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland geführten Korrespondenz ergibt - eine Vollstreckung des Urteils aus dem Jahr 1989 - offenbar wegen wirtschaftlicher Wertlosigkeit - nicht angestrebt, sondern statt dessen die Schaffung eines neuen österreichischen Unterhaltstitels begehrt (siehe dazu die Note der Republik Österreich, Bundesministerium für Justiz, vom 28. 5. 2002 sowie die Note der Republik Kroatien vom 6. 12. 2002). Daher ist das Berufungsgericht völlig zu Recht für die Zeit vor Klagseinbringung von einer Unterhaltsfestsetzung für die Vergangenheit ausgegangen.

Da somit der Revisionswerber im Zusammenhang mit der Entscheidung über das Begehren auf rückwirkende Unterhaltsfestsetzung keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend macht, war die Revision - soweit sie sich gegen diesen Teil der Entscheidung richtet - ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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